Bloß aus der
Trostrunde im Melfest-Finale gelandet? Das muss kein Todesurteil sein. Robin
Stjernberg hat’s 2013 bewiesen. Auch sonst hatten AC-Songs immer wieder
durchaus Erfolg. Matthias hat sich für uns die Mellos 2002 bis 2018 angeschaut.
Schweden - Seit 2002 setzt SVT auf sein mehrstufiges Verfahren beim
Melodifestivalen. Damals wurden vier Vorrunden eingeführt, und seither
qualifizieren sich Songs direkt fürs Finale – und andere können über eine
Trostrunde noch eine „zweite Chance“ (andra chans) zur Finalqualifikation
bekommen. Zwar hat SVT im Lauf der Jahre die Art und Weise, wie sich Songs
qualifizieren, verändert. Aber eine Sache hat sich als Konstante erwiesen: Es
sind die Direktqualifikanten, die sich am Ende durchsetzen und das Melfest
gewinnen. Bis auf eine Ausnahme: 2013 schaffte es „You“ von Robin Stjernberg,
aus der „Andra chansen“-Runde ganz nach oben zu kommen und SÄMTLICHE
Direktqualifikanten wie Ulrik Munther und YOHIO hinter sich zu lassen (wobei
YOHIO das Televoting gewann und Robin dank der Juries das Ticket für den ESC
bekam).
Allerdings gab es in vielen Jahrgängen seit 2002 „Andra chansen“-Beiträge,
die im Finale erfolgreicher waren als so manche Songs, die sich zunächst direkt
für die Endrunde qualifiziert hatten. Wir stellen hier die zehn erfolgreichsten
AC-Songs seit 2002 vor.
10.
2002 - Barbados, „Världen utanför“ (Platz 4 von 10)
Magnus Carlsson hatte seinen letzten Melfest-Einsatz als Frontmann der
Dansband Barbados. Im ersten Semifinale lag „Världen utanför“ nur knapp auf
Platz 3 hinter „Adrenaline“ von Mendez – als Barbados dann über den Umweg doch
ins Finale kam, musste sich die Band erneut Mendez geschlagen geben. Aber „Kom
och ta med“ (Sieger Semi 1) landete nur auf Rang 5 hinter „Världen utanför“.
Bis heute ist das Lied eine flotte Dansband-Nummer
9.
2014 - Helena Paparizou, “Survivor” (Platz 4 von 10)
Die ESC-Siegerin von 2005 für Griechenland versuchte es in ihrer
schwedischen Heimat, musste sich in Semi 1 aber YOHIO und Ellen Benediktsson
(das wunderschöne „Songbird“) geschlagen geben. In „Andra chansen“ setzte sich
Helena klar durch – und landete im Finale dann klar vor den Semi-1-Rivalen. Was
aber an den Juries lag, denn im Televoting erhielten Ellen und YOHIO mehr
Stimmen. Da hatte sich die Paparizou sicherlich mehr erhofft.
8.
2015 – Hasse Andersson, „Guld och gröna skogar“ (Platz 4 von 12)
Schwedens Kultikone Hasse ist seit den 1980ern in seiner Heimat
erfolgreich, zum Melfest traute er sich 2015. Im vierten Semifinale hatte er
keine Chance gegen den späteren Sieger Måns Zelmerlöw, er landete aber auch hinter JTR – die dann im
Finale überhaupt keine Rolle mehr spielten. Hasse kam im Final-Televoting auf
Platz 3, während JTR die wenigsten Anrufe überhaupt erhielten. Da hatten die
Schweden das Lied über die gold-grünen Wälder längst in ihr Herz geschlossen.
Bis heute ein Lied für jedes Midsommar-Fest.
7.
2005 – Alcazar, „Alcastar“ (Platz 3 von 10)
Im Semifinale waren die vier in Fantasy-Weltraum-Kostümen aus einer
mannsgroßen Discokugel getreten – das war manchen Schweden wohl zu viel:
Alcazar landeten erst mal in der „andra chansen“, während Shirley Clamp und
Nordman direkt ins Finale einzogen. Die Trostrunde gewann „Alcastar“ mit klarem
Vorsprung. Im Finale sah das Quartett in den weißen Klamotten deutlich besser
aus, und so wählten die Schweden sie im Televoting auf Rang 4, am Ende reichte
es für den 3. Platz vor Shirley. (Nordman wurden 9.) Und „Alcastar“ läuft
weiterhin auf den ESC-Parties.
6. 2011 – The Moniker, „Oh My God!” (Platz 3 von
10)
Für mich die größte Überraschung dieser Liste. Daniel Karlsson war 2007
bei „Idols“ in Schweden Vierter geworden, 2011 tauchte er unter seinem
Künstlernamen The Moniker plötzlich beim Mello auf. Seine Melfest-Träume
zerplatzten erst mal, als er im Semifinale 2 Sanna Nielsen und Brolle unterlag.
Im Finale bekam er dann mehr Anrufe als Sanna und Brolle gemeinsam! Ich weiß
zwar bis heute nicht, warum „Oh My God!“ überhaupt ins Finale kam. (Er kickte
in der „andra chansen“ die schöne Ballade „Alive“ von Linda Pritchard raus…)
Aber das Lied hat sicher seine Fans.
5. 2003 – Alcazar, „Not a sinner nor a saint”
(Platz 3 von 10)
So kann’s gehen: Alcazar kam nur über die „andra chansen“ ins Finale
2003 – und stellte am Ende den aus Chartsicht größten Hit des gesamten Melfest.
Dabei waren sie im Semifinale noch dem späteren Sieger „Give me your love“
unterlegen. „Not a sinner nor a saint“ war nicht nur der erste Mello-Versuch
der Band, sondern auch ihre erste Nummer 1 in Schweden. (Ihr großer Hit „Crying
at the discoteque“ schaffte 2001 tatsächlich nur Rang 29, in Deutschland Platz
3!) Die Juries setzten Alcazar im Finale auf Platz 4, für die Televoter war es
klar der zweitbeste Beitrag des Abends.
4.
2004 – Shirley Clamp, „Min kärlek“ (Platz 2 von 10)
2005 kam Shirley mit „Att älska dig“ direkt ins Finale. Im Jahr zuvor
traten in Shirleys Semifinale die spätere Siegerin Lena Philipsson und
Publikumsliebling „Dolce vita“ an – und so musste Shirley durch die „andra
chansen“. Und fand dort ihre Fans. Ihr Rivale Andrés Esteche gewann die
Trostrunde mit „Olé olé“ noch klar, doch binnen einer Woche rannten ihm die
Anhänger offenbar davon: Andrés wurde im Final-Televoting Achter, Ms. Clamp
Dritte hinter den erwähnten Publikumslieblingen. Nur wegen schlechter Jurywertung
landete „Min kärlek“ am Ende vor „Dolce vita“. Unterhaltsame Schlager sind
beide.
3.
2009 – Caroline af Ugglas, „Snälla snälla” (Platz 2 von 11)
2009 wandte SVT ein neues Duellsystem an – und Caroline af Ugglas hatte
das Nachsehen. Nach dem alten System wäre sie direkt ins Finale gekommen (und
„You’re my world“ von Emilia in die „andra chansen“). In der Trostrunde gewann
sie ihr Siegduell gegen die belanglosen Star Pilots überraschend knapp. Im
Finale lag sie im Televoting auf Rang 2 hinter Malena Ernman, die Jurys mochten
beide nicht sehr (Malena auf Platz 8, Caroline auf 5) und favorisierten „Hope
& Glory“ von Måns. Für
mich ist 2009 eines der besten Melfests – nicht zuletzt dank „Snälla snälla“.
Die Single kam bis auf Platz 2 der schwedischen Charts. Besser platzierte sich
auch „La voix“ nicht.
2. 2018 – Felix Sandman, „Every Single Day”
(Platz 2 von 12)
Auch eine Überraschung. Ich mochte „Every Single Day” von Anfang an, machte
mir aber keine großen Hoffnungen mehr, als Felix nur in „andra chansen“ landete
– zumal im Semi 4 hinter dem schrecklichen „Fuldans“. In der Trostrunde hatte
Felix keine Probleme gegen Mimi Werner, und im Finale schlug dann die große
Stunde. Die internationalen Jurys konnten mit „Fuldans“ eh nichts anfangen, und
auch Semi-4-Siegerin Mariette lag bei Jurys wie Anrufern klar hinter Felix. Der
Abstand zum Televoting-Sieger Benjamin Ingrosso betrug nur 0,5 Prozentpunkte,
am Ende fehlten 24 Punkte zum Sieg. (Bei Caroline waren es sogar nur 12.) Ein
Nummer-1-Hit war „Every Single Day“ in Schweden trotzdem.
1.
2013 – Robin Stjernberg, „You“ (Sieger)
Was sagt es über das Startfeld aus, wenn am Ende keiner der acht siegt,
der sich direkt aus den Semis qualifiziert haben, sondern ein Nachrücker das
Feld von hinten aufrollt? Interessanterweise lag auch der zweite „andra
chansen“-Finalist, „Begging“ von Anton Ewald, mit Rang 4 vor einigen anderen
Direktqualifikanten wie David Lindgren und Sean Banan. War 2013 also so schwach?
Eigentlich nicht. Aber am Ende trug die Diskrepanz zwischen Televoting und
internationalen Jurys maßgeblich zum Ergebnis bei. TV-Sieger YOHIO („Heartbreak
Hotel“) fiel bei den Jurys durch (Vorletzter!), umgekehrt erhielt der
Jury-Dritte David Lindgren die wenigsten Anrufe. Am Ende war „You“ (Jurysieger,
TV-Zweiter) der kleinste gemeinsame Nenner. Ein großer Erfolg war’s dennoch,
zumindest in den schwedischen Charts, wo das Lied aus dem Stand auf Platz 1
kam. Beim ESC reichte es nur für den 14. Platz.