Europa - Inmitten des Sommerlochs ploppte die Meldung auf, dass der Eurovision Song Contest 2023 im Vereinigten Königreich stattfinden wird. Nach dem zweiten Platz von Sam Ryder in Turin, den vielen Gerüchten und Gesprächsfetzen, die von Seiten der EBU durchgesickert sind und den Mutmaßungen von Fans und Experten, ist die Meldung keineswegs überraschend. Sie gibt aber Planungssicherheit, denn ein Wettbewerb in der Ukraine wäre leider aus bekannten Gründen alles andere als eine sichere Bank, insbesondere Hinblick darauf, dass ein Großevent dieser Ordnung eine monatelange Vorbereitungszeit braucht.
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Bewirbt sich um den ESC: Glasgow |
Die Europäische Rundfunkunion hat in verschiedenen Statements selbst mehrfach erwähnt, dass "nach dem Spiel vor dem Spiel" ist und die Eurovision ganzjährig geplant, koordiniert und schlussendlich ausgerichtet wird. Somit ist das Vereinigte Königreich mit der weltweit renommierten BBC gewiss kein schlechter Gastgeber. Landesweit trudeln jetzt die Bewerbungen für die Ausrichtung ein, die schottische Metropole Glasgow ist vorne mit dabei, wenn es darum geht, sich den Zuschlag zu sichern, unterstützt von Nicola Sturgeon, First Minister, die sich nicht nur für die schottische Unabhängigkeit, sondern auch für den europäischen Geist einsetzt.
Daneben haben sich Städte wie Sheffield, Nottingham, Manchester und zuletzt Birmingham mit festen Bewerbungsabsichten gemeldet, eine Reihe anderer Städte, etwa London, Cardiff und Belfast hat zumindest Interesse bekundet. Aus meiner Sicht bleibt zu hoffen, dass die BBC und die Europäische Rundfunkunion zumindest bis Ende September einen Termin für die Eurovision gefunden hat, bis dahin muss nämlich mein Urlaubsantrag für das kommende Jahr bei der DB eingegangen sein. Generell erstaunt es mich, dass der Termin früher deutlich schneller, zum Teil während einer Pressekonferenz vor dem Song Contest-Finale bekannt gegeben wurde und man heute einen monatelangen Vertröstungsmarathon startet, ehe konkrete Punkte bekannt gegeben werden.
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Setzt auf eine starke ukrainische Note beim ESC: Kulturminister Tkachenko |
Das sind natürlich First World-Problems, denn tatsächlich darf man auch nicht vergessen, warum der Eurovision Song Contest in Großbritannien stattfinden wird. Die Ukraine, das Land, das mit dem Kalush Orchestra in Turin deutlich gewonnen hat, befindet sich im Kriegszustand. Aus der obersten Etage der BBC-Führung hieß es in dieser Woche bereits, dass man die Organisation und die drei Shows generell stark mit ukrainischer Thematik und Kultur füllen werde. Auch der ukrainische Kulturminister Oleksandr Tkachenko erklärte, dass die kreativen Köpfe der Ukraine "eine integrale Rolle der Show in Großbritannien" spielen werden. Gegenüber dem Privatsender STB, der u.a. jahrelang gemeinsam mit UA:PBC den Vorentscheid "Vidbir" produziert hat, kündigte er an, dass man die ukrainische Flagge und auch ukrainische Moderatoren während der Show sehen wird.
Eine Bestätigung von der BBC hierzu liegt noch nicht vor, wie Wiwibloggs meldet, scheint allerdings der Song Contest-Kommentator und Moderator von 2017, Timur Miroshnychenko, ganz weit vorne in der Liste potentieller Hosts zu stehen. Sowohl das ukrainische Fernsehen, dem quasi der Zuschlag für die Eurovision entzogen wurde, der eingesprungenen BBC und vor allem der Europäischen Rundfunkunion stehen harte Wochen bevor, in denen ein Wettbewerb aus der Norm ausbrechend, hochgezogen werden muss. Und nach zwei Jahren Corona-Pandemie, die den Wettbewerb 2020 hat ausfallen und 2021 unter besonderen Bedingungen hat stattfinden lassen, würde man sich mal wieder über einen "normalen" Wettbewerb freuen.
Dazu gehören aber natürlich auch die anderen teilnehmenden Nationen. Aus einer Reihe von Ländern liegen inzwischen Teilnahmebestätigungen vor, vorrangig westeuropäische Länder, die Big Five, Belgien, die Niederlande, Österreich, die Schweiz und diverse skandinavische Nationen, weniger jedoch aus Ost- und Südosteuropa. Als letztes Land hat Litauen bislang seine Teilnahme im UK 2023 bestätigt. Weitere Meldungen aus Ländern wie Estland, Lettland, den ehemaligen jugoslawischen Nationen, Rumänien und Bulgarien dürften in Kürze folgen. Und dann sind da alljährlich wieder die Nationen, die aus verschiedenen Gründen in den Vorjahren pausiert haben und die mit einem potentiellen Comeback aufwarten können.
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Der neue Mann bei RTVS: Ľuboš Machaj |
2023 dürfte allerdings nicht das Jahr der Comebacks werden. Da wäre z.B. das slowakische Fernsehen RTVS, das zuletzt in Baku 2012 mit dabei war. Die finale Entscheidung ist zwar in Bratislava noch nicht gefallen, eine Rückkehr gilt nach der Wahl von Ľuboš Machaj als neuen Generaldirektoren aber als unwahrscheinlich, da dieser schon vor seinem Wahlsieg erklärte, die Gelder für Unterhaltungsprogramme zu kürzen und stattdessen den Fokus auf andere Projekte zu legen. Das man sich dann ausgerechnet die kostspieligste Unterhaltungsshow leisten wird, halte ich für äußerst unwahrscheinlich. Über mögliche Rückkehrer wie das türkische Fernsehen TRT oder die Ungarn brauchen wird gar nicht erst reden...
Auch das Comeback von Monaco, für das im Staatshaushalt des Fürstentums Gelder bereitgestellt werden, wird 2023 aller Voraussicht nach nicht erfolgen. Dies liegt insbesondere daran, dass die geplante Neueröffnung des Senders Monte-Carlo Riviera auf 2023 verschoben wurde und man zunächst Teil der EBU werden müsste. Generaldirektor Salim Zeghdar erklärte, der geplante Programmstart sei nunmehr für Juni bis September 2023 geplant, da ist der Wettbewerb im Vereinigten Königreich schon wieder Geschichte. Immerhin hat man an der Côte d'Azur wieder neue Ambitionen entwickelt, Teil der europäischen Fernsehlandschaft zu werden. Der neue Sender ist bereits Teil des französischsprachigen Netzwerks TV5 Monde und soll zeitnah auch an die EBU herangeführt werden.
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Gerührt aber noch nicht geschüttelt: Noa Kirel |
In 4,5 Wochen ist der 1. September, der Tag im Kalender, an dem potentielle Song Contest-Beiträge erstmals kommerziell released werden dürfen. Bis dahin werden wir auch weitere Teilnahmebestätigungen und ggf. sogar die ersten Vertreter kennen. Erfahrungsgemäß sind das belgische Team und der zypriotische Sender immer sehr schnell mit solchen Veröffentlichungen. Auf Zypern steht unterdessen übrigens fest, dass man seinen Kandidaten intern bestimmen wird. Pläne eine Talentshow zur Auswahl zu nutzen, hat man aufgegeben, ebenso wie in Israel, wo man nach anfänglicher Euphorie inzwischen aber auch schon wieder zurückgerudert ist. Die Sängerin Noa Kirel erklärte nach der Nominierung durch KAN, dass sie selbst noch gar nicht 100%ig ja gesagt hätte und stattdessen nur als Siegerin aus einer internen Liste hervorging, auf der es sich jedoch nur um Wünsche von Programmchefs handelte.