Luxemburg - Durch das Wirken von France Gall kehrten nun auch endlich modernere Töne beim Eurovision Song Contest 1966 ein, der in der Villa Louvigny, dem Austragungsort des Wettbewerbs von 1962 stattfand. Erneut war das Luxemburgische Fernsehen RTL, diesmal mit für damalige Zeiten bahnbrechender Technik, für die Organisation zuständig. Hätte es im Jahr zuvor keinen peppigeren Titel gegeben, wäre das Interesse am Wettbewerb vielleicht vorzeitig erloschen und hätte nicht den späteren Werdegang miterlebt, im elften Jahr hatte schüttelte man allerdings langsam sein angestaubtes Image wieder ab.
So fand am 5. März 1966 unter der Moderation von Josiana Chen der elfte Wettbewerb statt, unter den Teilnehmerländern gab es im Vergleich zum Vorjahr keine Veränderungen. Lediglich die Vorgabe, dass der Interpret in der Landessprache seiner jeweiligen Nation singen musste, wurde ins Reglement aufgenommen.
Gleich zu Beginn musste die Sängerin für die BR Deutschland, Margot Eskens auftreten. Nach den beiden Null-Punkte-Platzierungen der Vorjahre entschloss sich der verantwortliche HR dazu, Interpretin und Titel intern auszuwählen. Der ausgewählte Titel, "Die Zeiger der Uhr" von Walter Dobschinski und Hans Bradtke wurde im Rahmen der Quizshow "Einer wird gewinnen" mit Hans-Joachim Kulenkampff präsentiert.
Margot Eskens' Lied über das Verrinnen der Zeit schnitt erwartungsgemäß besser ab, als die Vorgänger, jedoch war mit sieben Zählern auch nur eine Mittelfeldplatzierung drin. Seit ihrem Karrierebeginn in den 50er Jahren verkaufte sie insgesamt über 40 Millionen Tonträger, heute lebt sie am Wörthersee. Als zweite Starterin trat die dänische Sängerin Ulla Pia mit einer jazzigen Nummer namens "Stop, men legen er go" ("Stopp, solange du vorausgehst) an. Von den Stimmen der skandinavischen Juroren, die bereits in dieser Dekade fleißig hin- und hergeschoben wurden, konnte sie jedoch nicht profitieren und erreichte nur den 14. Rang. Für Dänemark sollte es für viele Jahre der letzte Auftritt sein, bis 1978 blieb man dem Wettbewerb aus unerfindlichen Gründen fern.
Dass die skandinavischen Juroren sich aber untereinander bestens verstanden, bewiesen die Schweden. Fünfzehn ihrer sechzehn erhaltenen Punkte gab es von den Nachbarstaaten. Damit reichte es für Lill Lindfors (die in der späteren Eurovisionsgeschichte noch ihren großen Auftritt haben sollte) und Svante Thuresson für Rang zwei. Das Lied, nun ja, ebenfalls jazzig und mit einem sehr interessanten Text über eine Prinzessin und einen Schweinehirten: "Nygammal vals (eller hip man svinaherde)".
Und auch der dritte Platz ging an ein skandinavisches Land: Åse Kleveland sang für Norwegen, dass es "Nichts Neues unter der Sonne" gab ("Inten er nytt under solen"). Mit Gitarre und Pyjama zog sie die Punkte an und erreichte das bis dato beste norwegische Ergebnis. Der Karriere hat es zusätzlich geholfen, sie wurde in den 80er Jahren Präsidentin der Vereinigung norwegischer Musiker und war von 1990-1996 Kulturministerin unter der Regierung von Gro Harlem Brundtland.
Kostümtechnisch ebenfalls erwähnenswert ist der Auftritt des schottischen Sängers Kenneth McKellar für Großbritannien, bis heute der einzige Interpret, der sich mit Kilt und Felltasche auf die Bühne stellte und "A man without love" trällerte. Wie ein Blick auf die Statistiken zeigt, war dieser Auftritt der schlechteste der Briten in den ersten 20 Jahren der ESC-Geschichte, das Ergebnis: Rang 9 mit acht Punkten.
Einen tragischen dritten und letzten Auftritt im Rund des RTL-Sendesaals absolvierte Domenico Modugno für Italien. Bereits bei den Proben für die Veranstaltung verließ er aufgrund des schlechten Arrangements des Orchesters die Bühne. Am Abend der Show setzte dieses "Dio, come ti amo" ebenfalls in den Sand, Modugno wurde punktelos Letzter, wenngleich man sich die rote Laterne mit Monacos Sängerin Tereza teilte. Dennoch: das Lied wurde wieder ein großer Erfolg, die Version von Gigliola Cinquetti wurde sogar in Südamerika ein Hit.
Mit einem bisschen Pfeffer und einem bisschen Salz ("Un peu de poivre, un peu de sel") versuchte die Sängerin Tonia für Belgien zu punkten und schaffte es mit ihrem Gewürzlied auch tatsächlich bis auf Platz 4, klang es doch modern genug um die Juroren zu beeindrucken. Tonia blieb auch der deutschen Schlagerszene erhalten und versuchte sich 1973 mit dem Titel "Sebastian" auch am deutschen Vorentscheid. Dort wurde sie jedoch um einen Punkt von Gitte geschlagen.
Einen kuriosen Akzent setzten die Niederlande bei ihrer Nominierung. Mit Millie Scott, deren Wurzeln im Surinam lagen, trat erstmals eine schwarze Sängerin beim Eurovision Song Contest an. Sie fegte mit einem portablen Mikrofon über die Bühne, auf der sie zwei Mexikaner, die besungenen "Fernando en Filippo" platziert hatte und mischte den sonst so zurückhaltenden Wettbewerb auf. Für heutige Verhältnisse mit zwei Punkten und einem Platz 15 deutlich unterbewertet.
Während die Schweden, wie angesprochen, auf insgesamt 16 Zähler kamen, wovon mit Ausnahme eines Punktes aus der Schweiz, alle aus Skandinavien kamen, konnte sich der Beitrag aus Österreich mit 31 Punkten deutlich an der Tabellenspitze platzieren. Udo Jürgens, der nach zwei Anläufen am Klavier saß und sein gänsehauterzeugendes "Merci Chérie" darbot, erreichte den bis heute einzigen Triumph Österreichs in der Song Contest-Geschichte.
Trotz französischer Titelzeile ist der Song der erste deutschsprachige Titel, der den Eurovision Song Contest gewinnen konnte. Aus Deutschland gab es für Udo Jürgens jedoch keinen Punkt, die österreichischen Juroren ignorierten den Beitrag von Margot Eskens dafür ebenfalls. Udo Jürgens bedarf glaube ich keiner Vorstellung, Lieder wie "Mathilda", "Immer wieder geht die Sonne auf", "Griechischer Wein", "Aber bitte mit Sahne" oder "Mit 66 Jahren" sind allesamt Evergreens.
Bis heute hat Jürgens, der eigentlich Udo Jürgen Bockelmann heißt, über 900 Lieder geschrieben, darunter auch den Titel "Buenos Dias Argentina" mit der deutschen Fußballnationalmannschaft 1978. Zudem ist er Träger diverser Auszeichnungen, Ehrenbürger seiner Heimatstadt Klagenfurt und für seinen Abschlussauftritt im weißen Frotée-Bademantel berühmt. Seit 2007 wird zudem sein Musical "Ich war noch niemals in New York" aufgeführt.
Udo Jürgens schaffte das, was nach ihm kein Teilnehmer des Eurovision Song Contest geschafft hat: er brachte den Wettbewerb nach Österreich und der ORF übernahm 1967 die Ausrichtung des nunmehr zwölften Wettbewerbs. Dem Endergebnis hinzuzufügen ist vielleicht noch, dass Länder wie Luxemburg, Frankreich und die Niederlande, die stets gut abgeschnitten haben, recht weit hinten im Ranking wiederzufinden sind, während erfolglosere Länder wie Schweden, Norwegen und Belgien im oberen Drittel zu finden sind.
Die Teilnehmer:
01. - 031 - Udo Jürgens - Merci Chérie
02. - 016 - Lill Lindfors & Svante Thuresson - Nygammal vals (...)
03. - 015 - Åse Kleveland - Intet er nytt under solen
04. - 014 - Tonia - Un peu de poivre, un peu de sel
04. - 014 - Dickie Rock - Come back and stay
06. - 012 - Madeleine Pascal - Ne vois-tu pas?
07. - 009 - Berta Ambroz - Brez besed
07. - 009 - Raphael - Yo soy acquél
09. - 008 - Kenneth McKellar - A man without love
10. - 007 - Margot Eskens - Die Zeiger der Uhr
10. - 007 - Michèle Torr - Ce soir je t'attendais
10. - 007 - Ann-Christine Nyström - Playboy
13. - 006 - Madalena Iglésias - Ele e ela
14. - 004 - Ulla Pia - Stop, mens legen er god
15. - 002 - Millie Scott - Fernando en Phillipo
16. - 001 - Dominique Walter - Chez nous
17. - 000 - Tereza - Bien plus fort
17. - 000 - Domenico Modugno - Dio, come ti amo