Mittwoch, 25. April 2018

Road to Lisbon (40/43): Tschechien


Tschechien - Czechia - Tchéquie - Česko
Faktencheck zur Lage der Nation:
Hauptstadt: Prag (Luftlinie nach Lissabon: 1.640km)
Einwohner: 10,6 Mio.
Fläche: 78.866km²
Sprachen: Tschechisch

Trivia To Go: Tschechien kann sich damit rühmen, das atheistischste Land Europas zu sein. 1620 unterlagen die böhmischen Stände den Katholiken, was diese zum Anlass nahmen, den Protestantismus zu verbieten. Die meisten Protestanten wanderten aus, die verbliebenen Bauern kehrten der Religion bald gänzlich den Rücken, der spätere Kommunismus tat sein übriges. Ungebrochen ist trotzdem die Vorfreude der Tschechen auf Weihnachten. Wer zu jener Zeit in Prag unterwegs war, kommt an den vielen Weihnachtsmärkten nicht vorbei. Vorbei ist allerdings die Zeit, in der das Land sich Tschechoslowakei nannte. Die weiß-blau-rote Flagge symbolisierte Böhmen, Mähren und die Slowakei. Nach der Loslösung letzterer im Jahr 1993 gab es viel Gezanke, da die Tschechen das Blau in ihrer Flagge behielten.

Aus 63 Jahren Eurovision Song Contest:
Debüt: 2007 mit Kabát
Teilnahmen insgesamt: 6 (davon 0x Top Five)
Bestes Ergebnis: 25. Platz mit Gabriela Gunčíková
Größer Punktelieferant:  Kroatien (28)
Im letzten Jahr: 13. Platz im Semifinale mit Martina Bárta
Zuständiger Rundfunk: ČT

Die letzten drei Jahre: 
Tschechiens bisherige Eurovisionsgeschichte ist eher von Pleiten, Pech und Pannen geprägt. Zwischen 2007 und 2009 sammelten die drei Acts insgesamt zehn Punkte, zwei letzte und einen vorletzten Platz. 2015 kehrte Tschechien überraschend zum Eurovision Song Contest zurück und zählten mit Marta Jandová und Václav Noid Bárta zu den sicher geglaubten Finalisten. Am Ende reichte es für "Hope never dies" leider nur für den 13. Platz im Halbfinale. Die erste Finalteilnahme gelang dafür im Jahr darauf Gabriela Gunčíková mit "I stand". Zwar wurde sie auch nur 25. im Finale mit keinem einzigen Punkt von den Zuschauern, das Minimalziel wurde jedoch erreicht. Letztes Jahr flog Martina Bárta dann wieder mit dem etwas drögen "My turn" als 13. im Semifinale raus. In diesem Jahr dürfte Tschechien hingegen erstmals beste Chancen auf eine vordere Platzierung haben.

Was uns in Lissabon erwartet:

Interpret: Mikolas Josef
Titel: Lie to me
Gesungen auf: Englisch
Text & Musik: Mikolas Josef
Teilnahme im…: ersten Semifinale am 8. Mai

Über den Künstler: Mikolas Josef wurde am 4. Oktober 1995 in Prag geboren und spielt seit seinem fünften Lebensjahr Gitarre. Später studierte er an der London Academy of Music and Dramatic Art. Im Alter von 17 Jahren begann er als Model zu arbeiten und lief u.a. für Marken wie Diesel oder Prada. Er entsagte dem Modebusiness allerdings, da es sich um ein "unehrliches" Geschäft handelt. So begann er 2015 zunächst als Straßenmusiker europaweit zu touren, u.a. auch in Hamburg oder Zürich. Zu jener Zeit veröffentlichte er seine erste Single "Hands bloody". Der Durchbruch gelang ihm in Tschechien ein Jahr später, als er mit "Free" die #15 der tschechischen Charts belegte. 2017 wurde ihm das Lied "My turn" vorgeschlagen, mit dem er Tschechien beim Song Contest in Kiew vertreten sollte. Er lehnte ab, sodass er mit "Lie to me" in diesem Jahr, nach dem Sieg beim Vorentscheid Eurovision Song CZ, zum Zuge kommt.

Eurofire’s Kommentar:

Bewertung: 10 von 10 Punkten

Lange Zeit war der tschechische Beitrag auf der #1 in meinem Ranking, abschließend gibt es den zweiten Platz in meiner Tabelle. Schon beim ersten Hören Wochen vor dem Online-Vorentscheid war ich schockverliebt in den Song, der sich aufgrund der Markennennung von Prada und dem einen oder anderen "fuck" einer kosmetischen Textkorrektur unterziehen musste. Mikolas kann singen und sich passend dazu bewegen, wie er u.a. beim ukrainischen Vorentscheid unter Beweis stellte. Für 22 Jahre ist er musikalisch schon ganz weit vorne dabei und in Tschechien auch kein Unbekannter mehr. Ein großartiges Ergebnis für Tschechien wirft seine Schatten voraus, davon bin ich überzeugt. Der 26. Platz von Gabriela Gunčíková sollte locker überboten werden können. Bleibt nur zu klären, warum das Kamel im Video mitmacht und was in seinem Rucksack ist.


Video:

Mikolas Josef - Lie to me

Ein Wort zu...:
Slowakei - Letzte Teilnahme: 2012 mit Max Jason Mai
Zu Beginn des Jahrzehnts waren die Slowaken sehr engagiert und veranstalteten opulente Vorentscheide, die sich über mehrere Wochen streckten. 2011 und 2012 reichte es dann immerhin noch für interne Auswahlen. Nachdem allerdings alle vier Kandidaten in den Semifinals stecken blieben, investierte der Sender RTVS sein Budget lieber in gewinnbringendere Veranstaltungen. Inzwischen versucht der tschechische Delegationsleiter Jan Bors die Slowaken wieder zum Mitmachen zu animieren, in diesem Jahr waren seine Bemühungen noch vergeblich, Sendersprecherin Eríka Rasňáková sagte im September die slowakische Teilnahme für Lissabon ab. Sofern es den Tschechen gelingt, ein grandioses Ergebnis einzufahren, könnte das vielleicht auch wieder das Interesse der Senderchefs in Bratislava wecken.