Donnerstag, 25. März 2010

1. Semifinale - Persönliche Analyse


Europa - Da es alle tun, und es den idealen Eurovision Song Contest auch mit größten Engagement der EBU nicht geben wird, kann auch ich ungefiltert meine Bewertungen der diesjährigen Teilnehmerbeiträge und meinen Tipp, welche Nationen Chancen auf's Finale haben und welche nicht, kund tun. Zunächst das erste Halbfinale, das m.M. nach insgesamt schwächer ist, als das Zweite:

01. - Moldawien - SunStroke Project & Olia Tira - Run away
Finalchance: 70%
Persönliche Bewertung: 6/10

Billig muss nicht immer gleich schlecht sein. Moldawien schickt einen Titel ins Rennen, der ein bisschen "Infinity", einen dröhnenden Discobeat und ein Quäntchen osteuropäische Billigkeit besitzt. Den Liveauftritt beim moldawischen Vorentscheid fand ich ganz annehmbar, ich denke Moldawien wird, obwohl Punktelieferanten wie Rumänien und die Ukraine in diesem Halbfinale fehlen, sicher ins Finale einziehen.

02. - Russland - Peter Nalitch Band - Lost and forgotten
Finalchance: 80%
Persönliche Bewertung: 3/10

Hätte man mir nicht gesagt, dass dieser Titel ironisch gemeint ist, hätte ich den Russen unterstellt, dass sie diese depressive Jammernummer an den Lord of Mercitoternst meinen... Peter Nalitch ist leider nur einer von vielen, die dieses Jahr mit langweiligen, depressiven Melodien versuchen auf sich aufmerksam zu machen. Da Russland aber jedes Jahr eine fixe Anzahl von Punkten sicher ist, sollte es mit dem Finale klappen, dort wird er sich aber irgendwo zwischen Rang 15-20 platzieren.

03. - Estland - Malcolm Lincoln - Siren
Finalchance: 5%
Persönliche Bewertung: 1/10

Die Sirenen, über die Malcolm Lincoln singt, sollten ihn ins Meer ziehen... so ohrenbetäubend ekelhaft ist das Lied. "Give me strenght to carry on" heißt es weiter in dem Lied, hoffentlich hat der Zuschauer nach zwei so depressiven Liedern auch noch Lust auf mehr... zumindest kann man sich darauf einstellen, dieses Lied nur einmal hören zu müssen. Mit den Vorjahresvertretern Urban Symphony ist diese Nummer keinesfalls zu vergleichen.

04. - Slowakei - Kristina - Horehronie
Finalchance: 95%
Persönliche Bewertung: 10/10

Der Tourismusverband des Oberen Grantals wird sich über dieses Lied, das den slowakischen Eurosong mit breiter Mehrheit beim Televoting gewonnen hat, sicher freuen. Die Bühnenshow, sofern man am Tarnfarben-Outfit und den lustigen Männern die sich wie Bäume im Wind räkeln nichts ändert, ist perfekt für den Song Contest. Einziges Manko der Nummer ist die doch recht dünne Stimme von Kristina. Aber in den letzten Jahren haben es weitaus schlimmere Gesangstalente ins Finale geschafft. Sollte nix schief gehen...

05. - Finnland - Kuunkuiskaajat - Työlki ellää
Finalchance: 55%
Persönliche Bewertung: 07/10

Freunde landestypischer Musik werden bei dem Duo aus Finnland voll auf ihre Kosten kommen. Mehr Folklore geht echt nicht: zwei Blondinen mit Quetschkommoden besingen in Landessprache Sonne, Mond und ihre Glückseligkeit. Allerdings kann ich schwer einschätzen, ob Europa auf rollende R's steht, zumindest sorgt Finnland für musikalische Vielfalt. Mir gefällt's, aber ob es für's Finale reicht - ehrlich gesagt keine Ahnung.

06. - Lettland - Aisha - What for? (Only Mr. God knows)
Finalchance: 40%
Persönliche Bewertung: 06/10
Wenn man das Lied mehr als zweimal hört ist der Lack ab... wenn man es dann auch noch live gesungen hört, möchte man davon laufen. Aisha und ihre Waschweiber, die zumindest beim nationalen Vorentscheid dabei waren und existenzielle Fragen über das Sein in den Raum werfen, mögen viele Stärken haben, singen gehört aber nicht dazu. Deshalb, wie auch schon im letzten Jahr: im Semifinale wird für Lettland Schluss sein.

07. - Serbien - Milan Stanković - Ovo je Balkan
Finalchance: 75%
Persönliche Bewertung: 01/10

Serbien schickt ein Wesen das sich noch in der Selbstfindungsphase befindet. Man muss es allerdings auch realistisch sehen: Milan hat eine starke, ethnotriefende Hymne an die serbische Hauptstadt Belgrad im Gepäck und mit Bosnien-Herzegowina, Albanien, Mazedonien und evtl. auch Griechenland genügend sympathisierende Nachbarländer im Halbfinale um den Sprung ins Finale zu schaffen. Ich hätte trotzdem Emina Jahovic gewählt...

08. - Bosnien-Herzegowina - Vukašin Brajić - Lightning and thunder
Finalchance: 30% 
Persönliche Bewertung: 02/10
Ein blutleerer Rocksong, der sowohl in der landessprachlichen Version als auch auf Englisch ziemlich langweilig und dröge klingt. Die fetten Jahre nach einem Hari Mata Hari, Laka und Grupa Regina sind vorbei und Bosnien muss meiner Meinung nach sogar darum bangen, ins Finale zu kommen. Vermissen würde ich das Lied im Finale zumindest nicht.

09. - Polen - Marcin Mroziński - Legenda
Finalchance: 15%
Persönliche Bewertung: 05/10
Das mit "Legenda" bereits das stärkste Lied des Vorentscheid gewonnen hat, sagt einiges darüber aus, wie es derzeit um die Motivation der Polen beim Eurovision Song Contest bestellt ist. Auch hier versucht man sich in einem Polnisch/Englisch-Gemisch auf die musikalischen Wurzeln der eigenen Kultur zurückzubesinnen. Beim Song Contest wird dieses Experiment allerdings scheitern. Da reißt auch die Optik nix mehr raus.

10. - Belgien - Tom Dice - Me and my guitar
Finalchance: 80%
Persönliche Bewertung: 10/10
Seit 2004, als Belgien mit Xandee zuletzt in einem Eurovisionsfinale vertreten war, habe ich auf ein gutes Lied aus Pommesland gewartet. Sechs Jahre später schicken sie einen 20jährigen James Blunt 2.0, der einfach nur mit seiner Gitarre dasitzt und in aller Ruhe sein Lied singt. Ab und zu geht diese Rechnung beim Song Contest auf, diesmal müsste ihm schon der Scheinwerfer auf den Kopf fallen, damit's noch schief geht. Danke Belgien!

11. - Malta - Thea Garrett - My dream
Finalchance: 10%
Persönliche Bewertung: 03/10
Wenn schon abschmieren, dann auch richtig, dachten sich in diesem Jahr wohl die Malteser als sie Thea Garrett im nationalen Vorentscheid gewinnen ließen. Qualitativ Hochwertiges suchte man in der Vorauswahl allerdings auch vergeblich - und so schickt man 2010 eine kitschige Light-Variante von Chiara ins Rennen. Zudem fürchte ich, das Lied auch gleich wieder zu vergessen, wenn ich gleich den nächsten Titel höre, den Zuschauern des Halbfinals wird es nicht anders gehen.

12. - Albanien - Juliana Pasha - It's all about you
Finalchance: 75%
Persönliche Bewertung: 07/10
Auch nichts Neues, aber dafür immerhin etwas Stimmungsvolles bieten die Albaner mit Juliana Pasha. Von ihren schlimmen Frisuren, die sich seit ihrer Wahl im Dezember wie ein roter Faden durch sämtliche Auftrittsvideos ziehen, abgesehen, finde ich den Song äußerst eingängig und finalwürdig. Insbesondere bei der Konkurrenz, die ihr gegenübersteht, sollte es für sie ein Leichtes sein, das Halbfinale zu überstehen.

13. - Griechenland - Giorgos Alkaios & Friends - Opa
Finalchance: 100%
Persönliche Bewertung: 08/10
Griechenland muss sparen, das merkt man auch am Eurovisionsbeitrag dieses Jahr. Kein Überflieger-Knallersong, kein Megastar mit zwei Tonnen Feuerwerk, Hebebühnen und Fesselspielen, sondern vielmehr einen Mobiltelefonsound, ein bisschen Folklore und ein einfacher Schlachtruf - "Opa!". Dennoch handelt es sich beim griechischen Beitrag wohl um den sichersten Finalisten des ersten Halbfinals, die Erfahrungen der letzten Jahre sprechen dafür.

14. - Portugal - Filipa Azevedo - Há dias assim
Finalchance: 15%
Persönliche Bewertung: 03/10
Nach zwei Ausflügen ins Finale kehrt Portugal dem Erfolg wieder den Rücken zu und schickt eine belanglose Ballade ins Rennen, die an den Misserfolg der letzten 40 Jahre anschließen soll. Ohne Höhepunkte, ohne Begeisterung und ohne Rückhalt in Portugal (die Zuschauer wollten die Zweitplatzierte Caterina Pereira) wird Filipa mit ihrem Klagelied über diese blöden Tage, an denen man sich einsam fühlt, wohl mehr als deutlich an der Finalhürde scheitern.

15. - Mazedonien - Gjoko Taneski - Jas ja imam silata
Finalchance: 60% 
Persönliche Bewertung: 05/10
Der zweite Rocksong vom Balkan, der an montenegrinische Beiträge der letzten Jahre erinnert, kommt aus Mazedonien. Begeistert mich allerdings ein Stückchen mehr als die fade Nummer aus Bosnien-Herzegowina und wird den unformulierten Gesetzen des Song Contests nach als Zehntplatziertes ins Finale einziehen, da in diesem Jahr auch keine Juroren ein Land retten und ins Finale hieven können. Daher: Finaleinzug für Gjoko.

16. - Weißrussland - Three Plus Two - Butterflies
Finalchance: 60%
Persönliche Bewertung: 06/10
Unter allen Balladen und Wehleidsklagen ist die nachnominierte Nummer aus Weißrussland von der zusammengecasteten Gruppe Three Plus Two noch die Stärkste und durchaus ein Kandidat mit Außenseiterchancen auf ein Finalticket, zumal ich denke, dass den Juroren so ein Lied auch ganz gut gefallen könnte. Fehlt nur noch die disneyreife Bühnenshow und die Sache ist geritzt.

17. - Island - Hera Björk - Je nas sais quoi
Finalchance: 85%
Persönliche Bewertung: 09/10
Der Vorteil des letzten Startplatzes ist zwar durch die neue Televotingregelung etwas relativiert worden, ich rechne der Skandipop-Nummer von Hera Björk allerdings trotzdem große Chancen ein. Zumindest knallt's am Ende einer eher müden Show noch einmal und was 2008 bei der Euroband geklappt hat, wird auch im Jahr 2010 nicht falsch sein. Zudem weiß Hera nach mehreren Anläufen beim Vorentscheid und als Backgroundsängerin von Yohanna im Vorjahr, worauf es beim ESC ankommt.

Alle Kommentare und Bewertungen entsprechen meinen persönlichen Einschätzungen, ein paar Prophezeiungen werden sich wieder einmal als vollkommen richtig, andere als vollkommen falsch herausstellen. Das ist ja das schöne am Eurovision Song Contest - man kann noch so viel kalkulieren und abwägen, am Ende ist er doch unberechenbar. Das zweite Halbfinale gibt's morgen.