

Zum einen verzichtete Italien erneut auf seine Teilnahme, aber auch Frankreich fehlte zum zweiten Mal in seiner Geschichte. Der Unterhaltungschef des verantwortlichen Senders TF1 redete sich in Rage und bezeichnete den Song Contest als "Monument des Schwachsinns", löste eine öffentliche Debatte über das Niveau der Veranstaltung aus und wollte dem Wettbewerb für immer fernbleiben. Der Boykott hielt exakt ein Jahr, 1983 war Frankreich wieder mit an Bord. Außerdem fehlte Griechenland, zwar wählten die Griechen mit "Sarantapente kopelies" von Themis Adamantidis einen Beitrag, der von offizieller Seite aber als nicht würdig empfunden wurde, Griechenland international zu vertreten.
Die Absage erteilte schließlich die Schauspielerin und seit 1981 als Kulturministerin tätige Melina Mercouri, auf die u.a. die Initiative zur Vergabe der jährlichen Kulturhauptstadt Europas zurückgeht. Auch Griechenland kehrte im Jahr darauf zurück. Somit waren 18 Nationen dabei, eröffnet wurde der Abend durch Portugal. Die Gruppe Doce versuchte sich bereits im Jahr zuvor mit dem Titel "Ali-Bábá, um homem das Arábias" beim Festival da Canção, belegte dort aber nur den vierten Rang. Mitglieder der Band waren u.a. Teresa Miguel und Fátima Padinha, die 1978 bereits als Teil der Gruppe Gemini für Portugal an den Start ging. Mit "Bem bom", das an den Glockenschlag einer Uhr erinnern sollte, reichte es immerhin für Platz 13.


Einen Platz höher als das norwegische Duett landete die Family-Story aus Irland. The Duskeys bestand aus den Schwestern Barbara und Sandy Duskey sowie deren Cousins Nina und Danny. Der dauerhafte Erfolg für die Gruppe blieb aber aus, "Here today, gone tomorrow" belegte zwar den elften Platz beim Song Contest in Harrogate, ein jähes Ende fand die Band trotzdem Ende 1983. Sandy nahm im Anschluss noch zwei Singles mit Johnny Cash auf und Danny Dusky versuchte sich 1986 mit der Gruppe Palace noch beim UK-Vorentscheid, beim Eurovision Song Contest wurde aber keines der Bandmitglieder je wieder gesehen.
Im hinteren Feld platzierten sich u.a. der türkische Sänger Tahir Nejat Özyılmazel alias Neço, der zunächst in verschiedenen Orchestern und ab 1971 im Musical "Hair" mitspielte, allerdings erst 1974 seine erste Single veröffentlichte. Im türkischen Vorentscheid stellte er vier von fünf Liedern, als Sieger ging "Hani?" ("Wo?") hervor, das er im weißen Anzug mit güldenem Gürtel und vier in Cellophankleidern gesteckten Backings zum Besten gab. Besonders die luxemburgische Jury zeigte sich zutiefst beeindruckt von ihrem speziellen Auftritt und vergab acht der insgesamt 20 Punkte für die Türkei.
Damit lief es für Neço aber immer noch besser als für Bill van Dijk aus den Niederlanden, der eigentlich Willem Edsger van Dijk heißt und ebenfalls in Musicals wie "Hair" und "Evita" mitspielte und zudem mehreren Figuren in der niederländischen Ausgabe der Sesamstraße seine Stimme lieh. "Jij en ik" endete mit acht Punkten auf dem 16. Rang, drei Punkte weniger erzielte die dänische Gruppe Brixx, die mit "Video, video" eine seichte Disconummer über einen verregneten Tag sangen, bei dem das "Videobånd" mit allen Showgrößen wie Humphrey Bogart und das Tennis-Match von Wimbledon ausgepackt wird. Auch Brixx hielten nicht mehr als eine weitere Single aus, ehe sie sich auflösten.
Punktelos endete der Abend für Finnland. Timo Kojo, der der Einfachheit halber ohne Vornamen in Harrogate antrat, sang einen martialischen Beitrag über eine Atombombe, auf Finnisch: "Nuku pommiin". Offenbar war der Text den Juroren gepaart mit der schrägen Choreographie, bei der sich Kojo grimmig mehrfach gegen den Kopf schlug, zu unheimlich, er wurde ein weiterer Nilpointer in der Geschichte der Eurovision. Immerhin schadete es seiner Karriere nicht, er veröffentlichte in Finnland fleißig weiter Lieder, muss aber mit dem Umstand leben, dass ein 0:0 beim Eishockey in Finnland seither "Kojo kojo" heißt.
Sein schlechtes Abschneiden konnte er überhaupt nicht verstehen, und übte am Tag nach dem Finale subtile Kritik am Sieg von Nicole. Demnach sagte er der Presse: "Wenn ich sehe, wer hier gewinnt..., da bin ich auf dem falschen Festival". Die beste Platzierung eines skandinavischen Landes lieferte wieder einmal Schweden ab, wenngleich das Duo Chips einen Höhepunkt des maßlosen Überschminkens beim Eurovision Song Contest in den 80er Jahren setzte. Die Gruppe wechselte häufiger die Besetzung, bei der Eurovision traten Kikki Danielsson und ihre norwegische Kollegin Elisabeth Andreassen an. Beide sollten 1985, dann jedoch als Konkurrentinnen, zum Song Contest zurückkehren. Für "Dag efter dag" reichte es zumindest schon für den achten Platz.
Genauso bis zur Unkenntlichkeit geschminkt trat das jugoslawische Trio Aska auf. Sanja Ilić, der auch 2018 für Balkanika komponierte, hatte schon mehrere Titel bei der Jugovizija eingereicht und schrieb auch die Vereinshymne von Roter Stern Belgrad. 1982 war er als Komponist von "Halo, halo" für Snežana Mišković, Izolda Barudžija und Snežana Stamenković tätig. Aska trennten sich ebenfalls kurz nach der Eurovision von Harrogate, wo sie es auf den 14. Platz schafften. Izolda kehrte zwei Jahre später noch einmal für Jugoslawien zurück, der Titel "Ljubavna prica br.1" aus der Vorentscheidung wurde 1984 im Duett mit Vlado allerdings zu "Ciao Amore" umfunktioniert.
In die Top Ten schafften es u.a. Spanien mit der andalusischen Sängerin Lucía. Die Nominierung eines argentinischen Tangos durch das spanische Fernsehen konnte dereinst als Kritik am Falklandkrieg gegenüber der britischen Gastgeber verstanden werden. Textlich ging es aber wie bei so oft beim Tango über die Geschichte zwischen Mann und Frau. Lucía alias María Isabel Lineros Rodríguez arbeitete später als Hörfunk- und Fernsehmoderatorin in ihrer Heimatstadt Sevilla. 2005 nahm sie an der spanischen Realityshow "La Granja de los Famosos" teil, von der es 2009 auch einen deutschen Ableger namens "Die Farm" mit Inka Bause gab. Titelsong der deutschen Staffel war übrigens "Fairytale" von Alexander Rybak. "El" landete knapp hinter dem österreichischen Duo Mess mit "Sonntag".
Das Duo bestand aus Elisabeth Engstler und dem Wiener Sängerknaben Michael Scheickl, die zwischen 1985 und 1992 gar verheiratet waren. Der Titel belegte in Harrogate Platz neun, in den österreichischen Singlecharts sogar die #1. Während Elisabeth Engstler vor allem als Musicaldarstellerin und Moderatorin tätig war, startete Michael Scheickl mehrere erfolgreiche Projekte. Unter anderem hatte er mit der Gruppe Joy und "Touch by touch" im Jahr 1985 seinen größten Erfolg und wurde 2008 zum Internet-Phänomen, als er gemeinsam mit seiner zweiten Frau Karin Sahrea als Michael Mosaro den "Körperzellen Rock" produzierte. Mittlerweile ist er ein drittes Mal verheiratet.
Platz vier ging nach Belgien, dort trat die niederländische Sängerin Stella Maessen mit dem "Si tu aimes ma musique" an. Schon 1970 war sie Teil von Hearts of Soul und 1977 von Dream Express, bei ihrer dritten Teilnahme gewann sie den Vorentscheid des Senders RTBF mit einem Lied in französischer Sprache, derer sie nicht mächtig war und was man bei genauerem Hinhören auch merkt. Die niedliche Performance sorgte bei ausnahmslos allen Jurys für Verzückung, es gab aus allen Teilnehmerländern Punkte. Stella blieb der Musik treu, veröffentlichte weitere Singles und trat 1986 im Background von Sandra Kim und 1987 für Plastic Bertrand aus Luxemburg noch einmal beim Song Contest auf.


Und damit wären wir wieder bei Nicole, die als letzte Teilnehmerin im schwarzen Rüschenkleid und Gitarre auf einem Barhocker Platz nahm und unbedarft und unaufgeregt ihr Friedenslied sang. Die Stunde des Ralph Siegel hatte geschlagen, nach dem Pausenfüller, der Bilder aus North Yorshire und dem Haward Castle zeigte, lag die Bundesrepublik schon bei der ersten Jurywertung aus Portugal vorne, bis auf Luxemburg gab es aus allen Ländern Punkte, mindestens sechs. Und dann hieß es "Vienna calling". Österreich, dessen Jury gerade einmal einen mageren Punkt für uns übrig hatte, wird noch heute von deutschen Medien für diesen unverzeihlichen Schachzug kritisiert. Nicole machte das alles nichts aus, sie gewann mit einem unglaublichen Vorsprung.

In Zeiten des Kalten Krieges, des NATO-Doppelbeschlusses und des Falklandkrieges hatte Ralph Siegel den richtigen Impuls und machte mit Nicole alles richtig. Ihrer Reprise fügte Nicole zusätzlich zum deutschen Text noch Zeilen auf Englisch, Französisch und Niederländisch hinzu, angeblich sei dies spontan geschehen. Und trotz der Neuen Deutschen Welle landete "Ein bißchen Frieden" in Deutschland und diversen anderen Ländern, darunter in Österreich, der Schweiz, Schweden, Belgien, den Niederlanden und dem UK auf der #1. Sie selbst nahm das Lied in sieben Sprachen auf, es folgten u.a. "En smule fred" auf Dänisch, "Un po' di pace" auf Italienisch und "Njemnogo mira" auf Russisch. Die Freude in Deutschland war groß, wenngleich es vor allem von der jungen Generation Kritik gab, der Eurovision Song Contest wurde als altmodisch angesehen.
Das ZDF ließ Thomas Gottschalk am Montag darauf einen Live-Bericht vom Flughafen München-Riem drehen, der die Ankunft Nicoles in Deutschland zeigte, dabei war auch BR-Unterhaltungschef Christoph Schmid, der erklärte, er würde sich aufrichtig freuen. Und so sagte er direkt im Anschluss: "Der Bayerische Rundfunk wird im nächsten Jahr den Grand Prix in München ausrichten. Das ist eine stillschweigend verabredete Abmachung der ARD-Unterhaltungschefs. Natürlich bedeutet das immense Kosten, die auf die ARD-Anstalten umgelegt werden müssen. Natürlich ist aber auch München ein bestens geeigneter Ort für eine solch gesamteuropäische Veranstaltung, die unsere Stadt schmücken wird." Und so kam es, dass die Reise der Eurovision 1983 in die Rudi-Sedlmayer-Halle nach München führte.
Die Teilnehmer:
01. - 161 -

02. - 100 -

03. - 097 -

04. - 096 -

05. - 085 -

06. - 078 -

07. - 076 -

08. - 067 -

09. - 057 -

10. - 052 -

11. - 049 -

12. - 040 -

13. - 032 -

14. - 021 -

15. - 020 -

16. - 008 -

17. - 005 -

18. - 000 -
