
Nicht nur die erneute Teilnahme Israels sorgten für Geleitschutz vom Flughafen in die Herbergen der Künstler, auch die deutsche Delegation wurde besonders geschützt, da sich ein angeblicher Jürgen Marcus-Fan (der im Vorentscheid den Kürzeren zog) telefonisch Morddrohungen aussprach. Auch die RAF plante angeblich einen Anschlag auf das Treffen von Musikbarden aus ganz Europa, tatsächlich kam es vier Wochen nach der Eurovision in der bundesdeutschen Botschaft in Stockholm zu einem Anschlag. Hinzu kam, das der Zorn vieler im damals sehr linksausgerichteten Schweden gegen den Kommerz, den die Eurovision mit sich brachte, in offenem Protest mündete.

Neben Frankreich, das nach einjähriger Pause wieder dabei war, wollte auch Malta wieder mitsingen, diesmal in seiner zweiten Amtssprache Englisch, nachdem zwei Lieder auf Maltesisch nicht aus dem Quark kamen. Erstmals dabei war zudem die Türkei, was nach der Besetzung des Nordteils der Insel Zypern im Sommer 1974, die Absage des griechischen Fernsehens zur Folge hatte. Zwar wurde der Wettbewerb in Griechenland übertragen, der politische Konflikt um Zypern ist allerdings bis heute ungeklärt und es sollte noch fast 30 Jahre dauern, ehe sich Griechen und Türken erstmals beim Song Contest mit Punkten bedachten.

Das Wertungssystem wurde aufgrund von Protesten zahlreicher Rundfunkanstalten komplett umgekrempelt, das klassische Format, wie wir es bis 2015 kannten, kam zum Einsatz. Insgesamt durften die jeweiligen Juroren zehn Lieder bewerten, von einem bis acht Punkte sowie zehn und zwölf Zähler. Der deutsche Kommentator Werner Veigel erklärte damals auch, dass es keine neun und elf Punkte gäbe, damit der Sieger nicht mit einem durchschnittlichen Ergebnis den Wettbewerb gewinnt. Bis zum Splitten in Jury- und Televoting 2016 sollte dieses Konzept nun Teil des Eurovision Song Contests werden.
Allerdings gab es auch anfängliche Stolpersteine. So musste die Moderatorin Karin Falck nachhaken: "How much is seven in French?" Die Punkte wurden dabei in der Reihenfolge der Auftritte vorgelesen und nicht in ihrer Wertigkeit steigend. In den Genuss zwölf Punkte zu erhalten kam die deutsche Kandidatin Joy Fleming leider nicht, 15 Zähler insgesamt, davon acht aus Luxemburg, waren das Ergebnis ihres wuchtigen Auftritts, der offenbar mit viel zu viel garniert wurde. Joy, geboren als Erna Liebenow in Rockenhausen im Donnersbergkreis/Rheinland Pfalz, machte ihrem Geburtsort alle Ehre und rockte die Bühne in Stockholm wie keine Zweite an diesem Abend, fand nur leider kein Gehör.

Joy Fleming versuchte es 1986, 2001 und 2002 in verschiedenen Kombinationen mit anderen Künstlern und Bands noch mehrfach beim Vorentscheid, war 2004 sogar Teil der Expertenjury, die in Stefan Raabs Miniformat "SSDSGPS" nach Max Mutzke fahndete und gern gesehener Gast bei deutschen Eurovisionsformaten. Am 27. September 2017 verstarb Joy Fleming im Alter von 72 Jahren. Beim deutschen Vorentscheid 1975, wo ihre Performance weit weniger ausladend wirkte, duellierten sich zuvor die Größen der deutschen Musikszene.


Geringfügig besser lief es für die Norwegerin Ellen Nikolaysen, die man bereits von den Bendik Singers kannte. Ihr "Touch my life with summer" war nur magere elf Punkte wert. Bis auf eine Bewerbung beim norwegischen Vorentscheid blieb es ihr letzter Auftritt bei der Eurovision, sie widmete sich nun verstärkt dem Schauspiel. Für die Gastgeber aus Schweden lief es etwas besser, Lasse Berghagen und seine Band The Dolls brachten den achten Platz zustande. Der Ex-Mann von Lill-Babs hatte sich bereits in den beiden Jahren zuvor vergeblich beim Vorentscheid beworben. Zwischen 1994 und 2003 moderierte er das beliebte Sommerfestival Allsång på Skansen in Schweden.
Nicht nur der Schwede, auch andere Interpreten sangen auf Englisch oder auf einer halbgaren Mischung aus Landessprache und Englisch. So übersetzte z.B. auch die belgische Sängerin Ann Christy ihren Titel "Gelukkig zijn" teilweise ins Englische. Der erfolgreichste englischsprachige Titel, abgesehen von den niederländischen Siegern kam allerdings aus Großbritannien selbst. Während sie 1973 noch als Begleitband von Cliff Richard auftraten, durften The Shadows nun selbst ran und konnten mit dem Lied "Let me be the one", das zum Mitklatschen hätte einladen können, den obligatorisch zweiten Platz.

Zwei Plätze hinter Italien platzierte sich Luxemburg. Die Sängerin Géraldine Branagan, eigentlich gebürtige Irin, hatte 1973 in ihrer Heimat vergebens versucht zur Eurovision zu kommen, nun durfte sie auf Einladung des Senders RTL antreten. Ihr Lied "Toi" wurde von Bill Martin komponiert, der schon bei "Puppet on a string" und "Congratulations" seine Finger im Spiel hatte. Mangelnde Französischkenntnisse und eine beileibe dünne Stimme ließen sie aber nur Fünfte werden.
Die beiden anderen französischsprachigen Titel landeten auf den Plätzen drei und 13. Nicole Rieu wurde intern nominiert und sang ihre Ballade "Et bonjour à toi, l’artiste" über die Freuden die Künstler mit ihren Werken bereiten ähnlich inbrünstig wie die monegassische Sängerin Sophie ihr "Une chanson c’est une lettre" ("Ein Lied, das ist ein Brief"). Sophie alias Arlette Hecquet machte erste Bühnenerfahrungen bei Johnny Hallyday und war als Hörfunkmoderatorin bei Radio Monte Carlo tätig, für das sie eben auch beim Eurovision Song Contest auftrat. In den 80er Jahren bekleidete sie bei RTL in Luxemburg das zauberhafte Amt der Programmansagerin, 2012 verstarb sie in Paris.
Für ihre Verhältnisse sehr gut schnitten indes die Finnen ab. Die Folkband Pihasoittajat kombinierte in ihrem Lied "Old Man Fiddle" Country mit nikotinfarbenen Obertrikotagen und kassierte zwei Höchstwertungen, darunter auch die der bundesdeutschen Jury und erreichte Platz sieben, was bis heute eines der besten Ergebnisse des Landes darstellt. Eine Position darüber platzierte sich Simone Drexel aus St. Gallen, die zuvor einen Talentwettbewerb der Bravo gewinnen konnte und trotz ihres sechsten Platzes mit einem Lied über einen alten Mann und sein Mikado-Spiel erfolgreich war, einen bürgerlichen Beruf ergriff und später medizinische Assistentin wurde.
Mit Pauken und Trompeten wollte sich Malta nach zweijähriger Pause zurückmelden. Nachdem man zweimal auf Maltesisch baden ging, sollte nun die englische Sprache für den gewünschten Erfolg sorgen. Allerdings machte es der Mitklatschschlager "Singing this song" von Renato Micallef und seine wenig kleidsame, blau-silbrig schimmernde Überwurfgardine mit Fransen den Juroren nicht leicht. Der zwölfte Platz läutete bis 1991 das Ende der maltesischen Song Contest-Bestrebungen ein. Zwar fand im Jahr darauf noch ein Vorentscheid statt, den Enzo Guzman abermals gewinnen konnte, das maltesische Fernsehen war aber offenbar mucksch, sodass auch "Sing your song country boy" nicht zur Eurovision durfte.
Unter "Ferner liefen" traten noch die Brüder Tommy und Jimmy Swarbrigg für Irland an. Als The Swarbriggs wurden sie intern von RTÉ nominiert und sangen "That's what friends are for", den ersten ihrer beiden Eurovisionsbeiträge, sollten sie doch zwei Jahre später als The Swarbriggs Plus Two noch einmal zurückkehren. In Stockholm reichte es zunächst nur für den neunten Platz.


Hinzu kam, dass Sveriges Radio ein Novum lieferte, an dem sich spätere Rundfunkanstalten noch orientieren würden. Erstmals kam es dazu, dass die Interpreten des Wettbewerbs Teil der Postkartenfilmchen vor den jeweiligen Beiträgen mitspielten und kleine Rollen hatten. Dieses Format ist neben schönen Landschaftsaufnahmen und Tourismuswerbung zur Tradition beim Eurovision Song Contest geworden. Im Jahr darauf sollte es zum dritten Mal in die Niederlande gehen, zum Eurovisie Songfestival nach Den Haag.
Die Teilnehmer:
01. - 152 -

02. - 128 -

03. - 115 -

04. - 091 -

05. - 084 -

06. - 077 -

07. - 074 -

08. - 072 -

09. - 068 -

10. - 053 -

11. - 040 -

12. - 032 -

13. - 022 -

13. - 022 -

15. - 017 -

16. - 016 -

17. - 015 -

18. - 011 -

19. - 003 -
