Mittwoch, 11. Mai 2011

Eurovision 2011: Analyse des ersten Semifinals


Deutschland - Der nächste Morgen und genauso grau wie der Himmel hier im Moment dürfte auch die Stimmung einiger Fans aufgrund der gestrigen Entscheidung sein. Da müssen natürlich zunächst noch einmal die Tonprobleme während der Show angesprochen werden, die deutschen Kommentatoren Steven Gätjen und Peter Urban meldeten sich zeitweise nur per Telefon. Auch die anderen Kommentatoren taten dies, in ganz Europa fiel der Kommentar für Minuten weg.

"Jeder, der schon mal versucht hat, zuhause eine Stereoanlage zu verkabeln, weiß, dass die Show hier nicht fehlerfrei laufen kann.", scherzte Moderator Stefan Raab abschließend. "Ersparen Sie mir bitte jeden Kommentar.", sagte Peter Urban während der Show und entschuldigte sich mehrfach. Nach NDR-Angaben sind die ISDN-Leitungen in die Kommentatorenkabinen zusammengebrochen. Techniker versuchten während der Liveshow schnellstens dieses Problem zu beheben.

Bei der Punktevergabe gab es dann für einige Nationen die nächste Katastrophe, wie Stern.de berichtet, rollten die Norweger, Türken und Armenier geschockt ihre Fähnchen ein, nachdem sich Island als letzte Nation für das Finale qualifiziert hat. Armenien hat seit seinem Debüt 2006 bisher jedes Jahr einen Beitrag im Finale gehabt, dass sich Emmy heuer mit ihrem "Boom boom" qualifizieren würde, war klar, ebenso wie die Türkei, die es bisher auch jedes Jahr schaffte und nun erstmals seit 1994 nicht im Finale dabei sein wird.

Für die größte Überraschung sorgte allerdings das Aus von Stella Mwangi aus Norwegen. Heute morgen berichtet nahezu die gesamte europäische Presse darüber, dass die Favoritin des Semifinals nicht dabei ist. Eric Saade soll nach norwegischen Medienberichten geschockt gewesen sein. Nachdem Stella ihre Tränen getrocknet hatte, sagte sie allerdings: "Ich fühle mich aber wie eine Gewinnerin." Norwegen verpasste zuletzt 2007 mit Guri Schanke den Einzug ins Finale.

Wie man aus Spanien hört, das gestern Abend wertungsberechtigt war, habe man dort den norwegischen Beitrag nicht hören können. Die EBU wird heute Nachmittag um 17:30 Uhr in Düsseldorf eine Pressekonferenz zu den Pannen der gestrigen Show abhalten, erklärte jedoch das, selbst wenn Spanien Norwegen zwölf Punkte gegeben hätte, Norwegen nicht ins Finale gekommen wäre. Wir werden weiterhin darüber berichten.

Allerdings möchte ich an dieser Stelle auch noch einen Rückblick auf das erste Semifinale geben, ich denke auch zu den einzelnen Performances gibt es einiges aufzuarbeiten. Eröffnet wurde das erste Semifinale von Magdalena Tul aus Polen, die ebenfalls nicht ins Finale kam und damit ebenfalls für Überraschungen sorgte. Hatte ich während der Proben bereits den Eindruck gewonnen, dass das alles etwas dünn ist, zeichnete sich die polnische Darbietung durch vergleichsweise dünne Stimmen aus. Optisch war der Beitrag natürlich nett anzusehen, aber auch ein bisschen langweilig.

Nummer zwei war Stella Mwangi, die sich fröhlich und in Topform auf die Bühne stellte und mit ihren Backings eine tolle Performance ablieferte, es wird uns zunächst ein Rätsel bleiben, weshalb sie nicht mit "Haba haba" ins Finale gekommen ist. Auch bei Aurela Gaçe wunderte es mich ein wenig, dass sie mit ihrer tollen Stimme und diesen enormen silbernen Fingernägeln nicht überzeugen konnte, stimmlich war sie eine der besten Interpretinnen. Somit findet das Finale erstmals seit 2007 wieder ohne albanische Beteiligung statt.

Emmys "Boom boom" war Lenas persönlicher Lieblingstitel, den sie nach eigenen Angaben auch regelmäßig im Delegationsbus hört. Europa schien allerdings nicht auf die Nummer, mit dem Grundthema Boxen, abzufahren. Für Armenien ist es das erste Knock Out seit dem Debüt. Auch die folgende Türkei flog gnadenlos raus, zählte sie dennoch zu meinen erweiterten Favoriten und persönlichen Lieblingstiteln. Dafür haben wir endlich erfahren, wozu die Weltkugel während der Präsentation umgedreht wird, entspringt doch die kostümierte Schlangenfrau mit Auferstehungsflügeln aus ihrem Gefängnis.

Die beiden ersten Interpreten des Semifinals, die es überhaupt ins Finale schafften waren Serbiens Sängerin Nina und der Russe Alexey Vorobyov, der ganz stilecht mit leuchtenden LED-Sohlen und drei Aufreißer-Kameraden auf der Bühne Show machte, bei "Get you" hat mich nur sein ständiges Geschrei zwischen den Textzeilen genervt, das kann er bis Samstag hoffentlich abstellen.

Auch die Schweiz befindet sich in einem euphorischen Zustand, mit Ausnahme von Kommentator Sven Epiney, der sich über die Tonprobleme echauffierte: "Zehn Sekunden vor der Sendung ging gar nichts. So kann man nicht arbeiten." Anna Rossinelli wird das weniger stören: "Das ist einer der geilsten Momente meines Lebens.", rief sie nach der Show, Stefan Raab hatte sie außerdem nach der Show umarmt und ihr gratuliert. Auch wir gratulieren der Schweiz herzlich.

Über Georgien muss nicht viel erzählt werden, es war mir klar, dass sie mit ihrer düsteren Rocknummer ins Finale kommen, wenngleich die Kostüme im Farbfernsehen abenteuerlich ausschauten. Jetzt beschließt man als Startnummer 25 das Finale am Samstag, es hätte sicherlich bessere Abschlusslieder gegeben, aber so ist halt das Problem mit dem Losen. Eine Überraschung folgte danach, die die halbe Halle, die übrigens mit 16.000 Plätzen ausgelastet war, in Begeisterungsstürme verfallen ließ, der finnische Sänger Paradise Oskar.

Bisher hatte ich keine großen Erwartungen an den einsamen Finnen vor seiner Weltkugel gestellt, aber scheinbar muss man ihn nun doch auf der Rechnung haben, sämtliche Experten, Favoriten und Pseudowissende rechnen ihm am Samstag eine gute Platzierung ein. Bereits wurden Vergleiche mit Tom Dice aus dem Vorjahr gestellt, die ich aber als, dem belgischen Künstler wenig schmeichelnd, nicht unterschreiben möchte.

Der Delegation aus Malta half dann auch kein aufgesetztes Dauergrinsen und auch kein Feuerwerk, das Lied war einfach Mist und Glen Vella darf seinen Geburtstag am Samstag nun auf der heimischen Couch feiern. Auch Senit aus San Marino schien chancenlos, ihr Backgroundchor überraschend dünn und auch sonst passierte außer Bodennebel nichts, was Europa hätte begeistern können. Ich finde die Nummer und auch die Sängerin großartig und wünsche ihr für die Zukunft alles Gute und für San Marino einen starken Beitrag im nächsten Jahr.

Daria Kinzer war gestern nach dem Semifinale auch nicht mehr nach "Celebrate" zumute, Kroatien schied zum zweiten Mal in Folge aus und das, obwohl sie eine trashige und für die Eurovision anwendbare Choreographie mit Trickkleidern, Glitter, Catwalknutzung und Discoeffekten aufbot. Schade für Kroatien, zwischen Poreč und Dubrovnik dürfte heute auch Katerstimmung herrschen.

Überraschend das Weiterkommen der Isländer, die selbst nicht mehr damit gerechnet hatten, im letzten Umschlag zu stecken, ich kann mir denken, dass dort viele Mitleidspunkte ob der traurigen Geschichte geflossen sind. Bei Ungarn hingegen, deren Sängerin Kati Wolf trotz ihres schweren Edelsteinrings noch das Mikrofon halten konnte, mag auch ein bisschen Glück dabei gewesen sein, der Auftritt war toll und Ungarn ist seit 2007 endlich mal wieder in der Endrunde, nach letztem Platz 2008, Barbara-Dex-Award 2009 und Zwangspause 2010.

Gut, die Portugiesen wollten ohnehin nicht gewinnen und dieses Ziel hat man mit Homens da Luta auch erreicht, ich denke niemand wird den Comedy- und Protestsong im Finale vermissen. Ähnlich eigentlich wie die Litauerin Evelina Sašenko, der ich vorher auch keine Chancen gegeben habe, aber vielleicht war sie als beste Balladensängerin des Abends mit einer glücklichen Ausgangsposition und erweckte mit ihrem Stilbruch nach so vielen Pop- und Rocknummern das Interesse Europas, ansonsten nett für Litauen aber nicht förderlich für den Eurovision Song Contest.

Nachvollziehbar waren dann noch das Einziehen ins Finale von Ell & Nikki aus Aserbaidschan, die wirklich einen super Auftritt hinlegen und verdient ins Finale gekommen sind, sowie Griechenland, bei denen mich alles andere als ein Weiterkommen auch schwer gewundert hätte, wobei nach dem Ausscheiden von Armenien und der Türkei gelten einige ungeschriebene Gesetze des Song Contests scheinbar auch nicht mehr.

Jetzt blicken wir gespannt auf das zweite Semifinale, welches Morgen ab 21 Uhr in der ARD ausgestrahlt wird. Heute Nachmittag und heute Abend finden bereits zwei Generalproben hierzu statt, ein Bericht über die erste Probe folgt hier später noch, ebenso wie weitere Reaktionen aus dem In- und Ausland sowie weiteres vom deutschen Beitrag, der gestern bei Matthias Opdenhövel in der ARD-Lounge saß und erzählte, dass sie super Brownies machen könnte und die anderen Delegationen mit Kartoffelsalat glücklich machte.

Machten einen guten Job, die Moderatoren | Magdalena Tul fährt dafür heim
Auch sie ist draußen: Semifinal-Favoritin Stella Mwangi aus Norwegen
Haben beide Feierabend, Aurela aus Albanien und Kenan aus der Türkei
Die müssen Samstag aber noch mal ran: Alexey und Anna
Georgien ist Samstag auch dabei | Glen Vella aus Malta allerdings nicht
Beide laut Europa nicht finaltauglich: San Marino und Kroatien
Dafür ist Kati Wolf aus Ungarn dabei | Anschließend fand eine PK statt
Nina aus Serbien zog dabei die #24 | Paradise Oskar aus Finnland
Aserbaidschan ist auch dabei | Evelina zieht die #4 für Litauen
Die Schweiz bekommt die #13 | Die PK-Moderatoren Sonia und Branislav