Montag, 6. Mai 2024

Kommentar: Die Last Minute-Aufholjagd von Irland


Europa 
- In wenigen Stunden ertönt es wieder, das "Te Deum", die Melodie auf die ich mich meist ein ganzes Jahr freue. So auch in diesem Jahr, wenngleich die zunehmende Politisierung nicht unbedingt dazu beigetragen hat, dass man sich in diesem Jahrgang wohlfühlt. Man kann auch darüber streiten, ob es klug von der EBU war, die Proben und die generelle Berichterstattung aus Malmö derart klein zu halten. Es gab Jahre, da habe ich Stunde und Stunde jedem einzelnen Bericht hinterhergefiebert, der aus Belgrad, Baku oder sonstwo herkam.

Das war in diesem Jahr nun doch etwas anders, kleine TikTok-Schnipselchen und eine zehn Bilder umfassende Galerie an Fotos ermöglichen keine seriöse Berichterstattung, weder hier noch andernorts, Pressekonferenzen oder andere Side-Events wurden ebenso stiefmütterlich abgehandelt wie der gestrige Tiefpunkt, der Willkommensempfang. Den zweistündigen Youtube-Stream hätte man sich klemmen können, es hätte Kosten gespart. Sei's drum, nun geht es an den wichtigsten Part der Eurovision, nämlich die Liveshows und da wird uns ab morgen viel geboten.

15 Nationen kämpfen am Abend um zehn freie Finalplätze, zudem dürfen Olly Alexander, Isaak und Marcus & Martinus ihre Beiträge schon im Halbfinale in voller Länge singen um Chancengleichheit im Finale zu schaffen. Ob dies wirklich einen Ausschlag gibt, wird sich erst im Nachgang zeigen. Spannend ist da vielmehr, wie sich die Wettquoten nach der Probenwoche verändert haben. Lag Nemo aus der Schweiz letzte Woche noch mit solidem Vorsprung vor Kroatien, so kommt "The code" mit einer Siegwahrscheinlichkeit von 16% nur auf den zweiten Platz.

Baby Lasagna, wohlgemerkt auch mein Favorit, hat seinen Vorsprung auf 28% ausgebaut. Bei einigen Wettanbietern gibt es für einen gesetzten Euro gerade einmal 2,50 Euro zurück, sollte man auf Hrvatska gesetzt haben. Eine bemerkenswerte Aufholjagd in den Quoten hat allerdings Irland hingelegt. Zwar lag Bambie auch schon vor den Proben in den Top Ten, nicht zuletzt dadurch bedingt, dass Wetten in Irland wie auch im UK Volkssport ist, nun liegt Bambie allerdings auf dem fünften Platz, hinter der Ukraine und vor den Niederlanden mit 6% Siegwahrscheinlichkeit.

Man muss auch sagen, dass sich Irland in diesem Jahr entwickelt hat wie Polen im vergangen Jahr. Bambies Auftritt beim Vorentscheid war, nicht zuletzt der RTÉ-Produktion geschuldet, grenzwertig und deutlich ausbaufähig. Aber das Team hat sich an das Feintuning gemacht und dem Beitrag eine ganz besondere Show verpasst, quasi einen Markenstempel aufgedrückt. So wie es auch Blanka im Vorjahr mit "Solo" geschafft hat. Hinzu kommt, dass die Bühnenshow fulminant ist, düster, unheimlich aber dennoch spannend bis zuletzt. Von daher drücke ich Irland beide Daumen, dass es nach Ryan O'Shaughnessy im fernen Jahr 2018 endlich wieder mit dem Finale klappt.

Deutschland liegt mit Isaak auf dem 26. Rang eingekeilt zwischen Electric Fields aus Australien und Tali aus Luxemburg. Doch geht es zunächst einmal nicht um die reine Frage, wer das ganze Event als Sieger verlässt, sondern auch, wer sich morgen und Donnerstag für das Finale qualifiziert. Da gehen die Meinungen zum Teil weit auseinander, Musik und Show wird an subjektiven Kritikpunkten gemessen, das ist völlig legitim. Und so möchte auch ich einen Tipp abgeben, wer es meiner Meinung nach ins Finale schaffen wird bzw. wem ich es persönlich wünschen würde.

Meine Prognose wer es ins Finale schafft (in alphabetischer Reihenfolge):
Finnland
Irland
Kroatien
Litauen
Luxemburg
Polen
Portugal
Serbien
Ukraine
Zypern

Wenn es nach meinem Gusto gehen würde, dann würde ich Portugal mit Slowenien tauschen, ich habe allerdings Bedenken, dass "Veronika" mit eben jener Choreographie tatsächlich Anklang findet. Nicht nur, weil im Halbfinale ein reines Televoting gilt, was u.a. Finnland definitiv gelegen kommen wird, sondern auch, weil der Inhalt des Songs ob der slowenischen Sprache nur durch Ausdruck und die Anmoderation der Kommentatoren rübergebracht werden kann. Ich weiß nicht, ob die Geschichte von Veronika Deseniška, die 1425 erst von der Hexerei freigesprochen später jedoch ritterlich ersäuft wurde, verstanden wird.

Für klare Nicht-Qualifikanten halte ich Moldawien, das bei seinem Staging doch lieber die Klone aus dem Vorentscheid hätte behalten sollen und den mauen Beitrag aus Island. Hera Björk ist eine Ikone was die Eurovision betrifft, aber das Lied ist eine einfallslose Nummer ohne wirkliche Seele. Auf wackeligen Beinen sehe ich auch Aserbaidschan und Australien, beides mit einer traditionellen Note, der absolute Krachereffekt wird aber voraussichtlich nicht eintreten. Vielleicht täusche ich mich auch und morgen Abend sitzen wir alle mit einem offenen Mund vor dem Fernseher, aber ich schätze das sämtliche Rankings eine recht eindeutige Sprache sprechen.