Schweden - Am achten Probentag in Malmö wurden nun auch die Performances der Finalisten abgeschlossen und damit endet im Prinzip auch die künstlerische Bildanalyse, nachher gibt es noch den Zusammenschnitt der Proben in Videoform, wenngleich einzelne Rundfunkanstalten bereits Schnipsel ihrer jeweiligen Auftritte online gestellt haben. Unter anderem die BBC, die Olly Alexander nach Malmö entsendet hat und wieder mit seinen Boxerfreunden in einer offenbar vielseitig benutzbaren Duschkabine auftritt. "Dizzy" ist Programm, die Akteure hängen zum Teil von der Decke, die Konturen verschwimmen und die Choreographie ist nichts für prüde Menschen.
Mit erstaunt, dass die BBC im letzten Jahr die Hose von Chris Harms angeprangert hat und Worte wie "Shit" in Texten verpönt, dann aber selbst eine solche fetischbehaftete Performance ins Rennen schickt. Jeder wie er mag, ich fürchte allerdings, dass der biederen Irmgard beim Anblick des britischen Beitrags der Primitivo Salento aus der Hand gleiten wird. Olly Alexander hat sich selbst mit dem Griff in die Lostrommel übrigens in die erste Starthälfte des Finales am 11. Mai gelost. Ähnlich wie auch Isaak, der mit "Always on the run" ebenfalls in der ersten Hälfte des Finals auftreten wird.
Im Vergleich zu manch anderer Performance in diesem Jahr ist der deutsche Beitrag fast schon wieder gekonnte Langeweile. Isaak steht relativ steif auf der Bühne umringt von flammenden Wohnzimmerrequisiten die in ihrer Anordnung ein wenig wie ein Gefängnis wirken. Für deutsche Standards ist das wirklich schon Innovation pur, andere Länder haben da aber durchaus mehr Pfeffer und Wumms. Trotzdem könnte gerade dieser reduzierte Stil ein paar kostbare Punkte bringen, nach denen wir uns seit 2018 so sehr zurücksehnen, insbesondere den Juroren, die zumindest vorgeben auf stimmliche Leistungen zu achten, könnte das gefallen.
Marcus & Martinus, die beiden norwegischen Brüder in schwedischen Diensten, lieferten wie schon seit der ersten Vorrunde des Melodifestivalen gesehen, wieder und wieder die gleiche Leistung ab. Wie ein Duracell-Hase wird hier ohne Umschweife die gleiche solide Leistung gezeigt. Da die meisten Zuschauer des Wettbewerbs den Auftritt zum ersten Mal sehen, könnte das dennoch gut funktionieren, wenngleich alles zu glatt produziert ist, ein Problem, mit dem sich Schweden ebenfalls seit Jahren herumplagen muss. Zu bemängeln gibt es hier jedoch nichts, abgesehen davon vielleicht, dass die ganz große Überraschung bei Schweden erneut ausbleibt.
Bei Slimane für Frankreich ist die Sachlage schon etwas anders, keiner hatte eine Idee, wie die Franzosen ihren Beitrag choreographieren, gab es doch bislang nur das Musikvideo zu "Mon amour" und einige wenige Auftritte etwa bei den Fan-Events. Slimane trägt weiß und kauert zunächst auf dem Boden, ehe er sich erhebt und im Verlauf der drei Minuten gegen den Wind alles niedersingt, voller Hingabe und Aufrichtigkeit. Ebenso hingebungsvoll mutet die spanische Probe an, Nebulossa mit ihren wilden Tänzern liefern ab, die Meinungen gehen wie schon seit dem Sieg beim Festival von Benidorm weit auseinander, wobei wohl niemand damit gerechnet hätte, dass Spanien vom UK bei der aufreizenden Performance noch überboten werden könnte.
Den einwöchigen Marathon beendete Angelina Mango aus Italien. Hier kann man abgesehen von einem Kostümwechsel ebenfalls keine nennenswerten Änderungen im Vergleich zur ersten Probe ausmachen. Die Schere zwischen Song und Choreographie klafft hier dennoch erheblich auseinander, das Visuelle weicht sehr vom ab, was ich in San Remo gesehen und mir für den Auftritt vorgestellt hätte. Das Bühnenbild ist gezeichnet von Dornröschen-Einstellungen, überall sind Rosen erkennbar, auf dem Thron, auf dem Backdrop... Zum Ende hin entfacht auch Angelina die Bühne mit Pyrotechnik, anschließend endet der Einzelproben-Marathon von Malmö.