Europa - Nun hat mich die Tristesse des Sommers doch noch eingeholt. Nachdem sowohl der Eurovision Song Contest als auch die Olympischen Spiele in Tokio vorbei sind, fehlt mir ein mediales Großereignis mit "Competing"-Modus, auf das man sich freuen kann. Ein schwacher Trost ist dabei vielleicht, dass die Rundfunkanstalten Europas nach der Schlusszeremonie in Tokio vielleicht wieder auf das Programm für 2022 schauen und ihnen bewusst wird, dass die EBU schon mit ihren Anmeldeformularen für Italien an der Tür kratzt. Die letzte Bestätigung eines Landes ist schließlich schon eine ganze Weile her und auch auf den anderen Websites rund um die Eurovision findet man kaum Neuigkeiten.
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Der erste Release des Jahres: Hooverphonic |
Und auch im deutschsprachigen Raum verbleiben ARD, ORF und SRF bisher mit freundlichen Grüßen und haben in Hinblick auf die Eurovision nichts Neues zu verkünden. Beim ORF geht es zunächst aber auch darum, einen neuen Generaldirektor zu finden. Dort findet morgen unter größter medialer Berichterstattung die Wahl statt. Ob sich der von der SPÖ favorisierte Alexander Wrabetz im Amt halten kann oder ein neues Gesicht das Rennen machen wird, findet in Österreich große Beachtung. Wie sehr sich das ganze politisch gestaltet, ist einem DWDL-Artikel zu entnehmen. Inwiefern die mögliche Umbesetzung der ORF-Führung Einfluss auf den Song Contest hat, werden wir in Kürze erfahren.
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Steht wieder zur Wahl: Alexander Wrabetz |
So gern ich einige weißrussische Beiträge beim Song Contest auch mochte und so gern ich mich über den skurrilen Wertungsmechanismus beim weißrussischen Vorentscheid amüsiert habe, so rechtmäßig ist der Staatsfunk bei der EBU auch in Ungnade gefallen. Selbst vor der umstrittenen Wahl von Lukaschenko im letzten Jahr sahen viele die Vergabe des Junior Eurovision Song Contests nach Minsk skeptisch und kritisierten die EBU dafür, wie andere große Organisationen derartigen Regimes eine PR-Bühne zu bieten. Zumindest die Europäische Rundfunkunion hat, wenn auch ziemlich spät, Farbe bekannt und bei Weißrussland ein Exempel statuiert, außer Gelächter in Minsk wird der Ausschluss jedoch keinerlei Erfolge erzielen.
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Sollte Belarus zurück- kehren, dann wohl nur unter dieser Flagge |
Nun bin ich kein Prophet und auch beim Eurovision Song Contest können sich Änderungen schneller ergeben, als Medaillenträume in Tokio zerplatzen können, der Kurs der EBU lässt jedoch erahnen, dass ein Weißrussland unter Lukaschenko mittelfristig nicht mehr in die Eurovisionsfamilie zurückkehren wird. Ich finde diese Entscheidung völlig richtig, ein Staatssender, der sich nicht im Geringsten darum bemüht, die Grundwerte des Song Contests zu akzeptieren und darüber als reines Propaganda-Sprachrohr agiert, hat in Italien 2022 nichts verloren. Jetzt werden natürlich auch Stimmen laut, die "Aserbaidschan" oder "Russland" rufen, beide Länder fielen in den vergangenen Jahren ebenfalls durch politische Reibereien auf, allerdings obliegt es nicht mir, Länder beim Eurovision Song Contest in Gut und Böse zu sortieren.
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Aserbaidschan stand 2012 schon unter Beobachtung |
Corona hat uns gelehrt, dass sogar Veranstaltungen in kleinen Clubs politisch werden können. Je nach Inzidenz und Landkreisverordnung sind Festivitäten erlaubt oder eben nicht. Ein Virus ist zwar nicht vergleichbar mit finsteren Diktatoren und Geldmacherei bei Großveranstaltungen, zeigt aber, dass die Politik im Kleinen wie im Großen Einfluss ausüben kann. Wenn dies schon bei der Dorfdisco in Erkelenz der Fall ist, dann kann es doch erst recht nicht erstaunen, wenn sich der Song Contest mit der Politik überkreuzt. Und so wird es bleiben, wie schon erklärt, solange bunte Fahnen über den Fernsehbildschirm wehen, solange bleibt eine Veranstaltung eben auch im Fokus von etwaigen Staatsdienern. Seit 1956 schwebt die Politik über dem Song Contest, wer die Entstehungsgeschichte kennt, der weiß, dass allein schon die Planung damals politische Motive hatte.
Und wie morgen beim ORF in Wien eine politisch-gefärbte Entscheidung getroffen wird, so entscheiden Politiker und der staatliche Rundfunk Italiens auch, welche Stadt die beste Option für die Eurovision 2022 ist. Die Stadtväter von Turin betreiben in eigener Sache viel Werbung für ihre eigene Stadt, jenen Ort, an dem 2006 die Olympischen Winterspiele stattfanden. Und damit schließt sich der Kreis und lässt mich wieder zurück in einer gähnenden Sommerleere, ohne Eurovision, ohne Olympia. Immerhin gibt es alles On Demand, es gibt DVDs und es gibt Youtube, um sich im vierzehntägigen Urlaub ein wenig die Zeit zu vertreiben und so entdeckt man hin und wieder wundervolle Perlen.
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Bieten ein sensationelles Œuvre: Just Duet |