Sonntag, 30. August 2020

Liechtenstein: NDR taucht ganz tief ins Archiv von 1976 ab



Liechtenstein - Vor einigen Tagen habe ich bereits darüber geschrieben, dass sich ein kleines NDR-Team um Marcel Stober, den wir u.a. von den ESC-Songchecks kennen, sich auf den Weg gemacht hat, die Archive im Fürstentum Liechtenstein zu durchforsten und sich auf die Suche nach Biggi Bachmann und ihrem damaligen Komponistenteam zu machen. Bei NDR Blue lief gestern Abend, leider von mir verschmäht und erst im Nachgang angehört, die Zusammenfassung über diese investigative Recherche zu einem Thema, das mich seit der Verlegung eines Internetzugangs im Jahr 2004 beschäftigt. 

Biggi Bachmann veröffentlichte
in den 70ern mehrere Titel
bei der Plattenfirma Ariola
Über Umwege hat man Biggi Bachmann, die 1959 als Uta Christine Schädler in Eschen gehoren wurde, in Chur auftreiben können, die unter ihrem bürgerlichen Namen eine Künstleragentur betreibt und erfahren, dass der Titel "My little cowboy", der sich durch Juryentscheid für eine Teilnahme am Song Contest 1976 empfahl, offenbar unwiederbringlich verloren ist. Auch der Komponist des Liedes hat keinerlei Aufzeichnungen oder Noten mehr zu diesem Titel vorliegen. Ein Juror der damaligen Liechtensteiner Auswahl erklärte allerdings, dass ihn der Titel sehr an Gittes "Ich will 'nen Cowboy als Mann" erinnert.

Zweite: Anne Frommelt, Bild
aus der Vorarlberger Tageszeitung
Dennoch, und das kommt in dem Podcast rüber, hat auch die beste Recherche in der Schweiz und in Liechtenstein keine Aufnahme hervorbringen können. Die Hintergründe zur Entstehung des Liedes als auch die damaligen Bestrebungen der liechtensteinischen Regierung zum Song Contest zu fahren, sind allerdings sehr interessant. Dementsprechend kann ich diesen Ausschnitt auf NDR Blue sehr für alle empfehlen, die sich für "Liechtenstein 1976" interessieren. Zu hören gibt es allerdings trotzdem ein Lied, das beinahe gewonnen hätte, nämlich den zweitplatzierten Titel "Tu étais mon clown" von Anne Frommelt und einige anderen Lieder von Biggi Bachmann, u.a. den fantastischen Discotitel "Istanbul" aus dem Jahr 1979. 

Aufgrund der knappen Zeitspanne zwischen offiziellem Aufruf zum Einsenden von Beiträgen und dem Inserat in zwei Liechtensteiner Tageszeitungen bis hin zum Vorentscheid vergingen lediglich zwölf Tage, weshalb von den ursprünglich vier gemeldeten Bewerbern zwei direkt wieder zurückzogen und nur noch "My little cowboy" und "Tu étais mon clown" im Rennen blieben. Ein damals vom ORF gesandter Juror erklärte, dass beide Lieder jedoch kaum den Ansprüchen einer Eurovision gerecht geworden wären. Biggi Bachmann hat spätestens 1980 aufgehört ihrer musikalischen Tätigkeit nachzugehen, zwischenzeitlich war sie noch als Sängerin bei der Gruppe Pretty Maid Company tätig. Dennoch freue ich mich, dass über 40 Jahre nach dem Bestreben Liechtensteins endlich Licht ins Dunkel gebracht wurde.

Seit 2008 hat Liechtenstein mit
1FL TV einen eigenen TV-Sender
Und in diesem Sinne sage ich vielen Dank an den NDR für die fantastische Aufarbeitung eines Themas, das eigentlich nur ESC-Nerds interessieren dürfte, mich aber auch in Verzückung gebracht hat. In der jüngeren Geschichte, insbesondere seit Gründung des Senders 1FL TV berichten wir weiterhin über die kläglichen Versuche der Europäischen Rundfunkunion beizutreten und die alljährlichen Absagen aus Liechtenstein. Seit dem Tod des Programmchefs Peter Kölbel ist der Ehrgeiz den Sender zum EBU-Mitglied zu machen, nahezu völlig eingeschlafen und eine Teilnahme am Eurovision Song Contest dürfte aus anderen Gründen als noch 1976 mittelfristig scheitern.