Sonntag, 16. August 2020

Eurovision am Sonntag (62)


Europa - Hallo liebe Freunde des Eurovision Song Contests, wenngleich dieser sich momentan in einer absolut trostlosten und langweiligen Phase befindet. Das Sommerloch, das Jahr für Jahr auf ein neues über uns hereinbricht ist sogar noch öder als in den Vorjahren, bedingt dadurch, dass es 2020 keinen Eurovision Song Contest gab. Nun ist es nicht mehr lange hin, bis der 1. September vor der Tür steht, der Termin, ab dem potentielle Eurovisionssongs für 2021 veröffentlicht werden dürfen, doch auch davon merkt man irgendwie nichts.

Steckt schon in den Vorbe-
reitungen für 2021: Victoria
Klar, eine ganze Reihe Nationen hat ihre Interpreten schließlich schon gefunden, bzw. aus diesem Jahrgang einfach übernommen. So wird es in vielen Ländern keine neuen Auswahlprozesse geben, sondern vielmehr interne Verfahren zum Ermitteln der Lieder für Rotterdam, jüngst erklärte das bulgarische Fernsehen BNT z.B., das eigens für Victoria Georgieva ein Songwriting-Camp an der Schwarzmeerküste stattfindet oder auch in der Ukraine im Kollektiv an Liedern für die Gruppe Go_A gearbeitet wird. Hinzu kommen bislang relativ wenige Nationen, die 2021 neue Wege gehen.

Eines dieser Länder ist Deutschland. Ben Dolic wird keinen Freifahrtschein für 2021 erhalten, wenn er es noch einmal versuchen möchte, wie er bereits ankündigte und sich dabei auf die Hilfe von Boris Milanov verlässt, muss er den gleichen Weg gehen wie alle anderen neuen Bewerber. Auch in den skandinavischen Ländern wird neu ausgeschrieben, der Melodi Grand Prix in Dänemark, in Norwegen und das Melodifestivalen in Schweden werden kommendes Jahr wieder stattfinden. Bei letzterem ist allerdings nicht gesichert, ob es eine Tour durch Schweden geben wird oder alle Shows in kleinem Rahmen im Großraum Stockholm ausgetragen werden.

Wird es im nächsten Jahr keine
Ballons beim MF geben?
Den Zuschauer vor'm Fernseher kann es relativ egal sein, ob sich SVT nun aus Örnsköldsvik oder aus einem SVT-Sendestudio meldet, die Kandidaten singen ihre Lieder, es gibt ein Voting und ein Ergebnis. Allerdings ist angesichts der sich täglich ändernden Beschränkungen und Risikobelastung in Europa keiner so wirklich sicher, in welcher Form der Eurovision Song Contest stattfinden wird. Wird es publikumsleere Ränge geben, wie schon beim dänischen Vorentscheid in diesem Jahr? Werden Kandidaten und Delegationen von Island bis Australien überhaupt in die Niederlande gelassen? Kommen sie wieder raus und müssen sie zuvor oder danach in Quarantäne?

Die Europäische Rundfunkunion hat ganz widerliche Voraussetzungen zu meistern, wenn sie 2021 einen Eurovision Song Contest ausrichten möchte, dem niederländischen Staatsfernsehen kann man ebenfalls nicht gratulieren. Man sieht es bereits beim Junior Eurovision Song Contest in Warschau, der seine Schatten vorauswirft. Einige Nationen haben hier bereits abgesagt, weil man aufgrund der Reisebestimmungen nicht für Sicherheit und Gesundheit für der Kandidaten garantieren kann. So bleiben die Australier und Iren in diesem Jahr dem Wettbewerb in Polen fern.

Meanwhile in Minsk:
Demos gegen Lukatschenko
Angesichts der kleinen und großen Corona-Flächenbrände, der Nachlässigkeit beim Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung, von der ich bei der DB ein Lied singen kann und der Ausreißfreude von Touristen im In- und Ausland würde es mich offen gestanden nicht wundern, wenn mittelfristig wieder der ganze Lockdown-Mist von vorne losgeht, den Eurovision Song Contest sehe ich hierbei auch wieder auf der Kippe stehen. Würde es in Weißrussland nicht derzeit Proteste gegen Genossen Lukatschenko geben oder in Sassnitz an der Nordstream-Pipeline gebaut werden, hätte man auch fast kein anderes Thema mehr als die ganze Misere um Corona.

Von daher kann ich es verstehen, dass viele Rundfunkanstalten zögerlich mit Informationen bezüglich 2021 sind. Einige Sender haben zudem noch mit wirtschaftlichen Hürden zu kämpfen, etwa RTVSlo in Slowenien, das bereits erklärte, mit Sparmaßnahmen arbeiten zu müssen und zu hoffen, nicht das gleiche Schicksal wie der bosnische Sender BHRT teilen zu müssen. Für kleinere Sender könnte sich herausstellen, dass der Song Contest derzeit einfach kein lohnenswertes Geschäft wäre, man gibt im schlimmsten Fall nur Geld für etwas aus, dass u.U. wieder nicht stattfinden wird. In diesem Sinne kann man Ungarn und Montenegro nur gratulieren, dass man 2020 schon aussetzen wollte.

Ich lasse mich weiterhin überraschen, was die bald beginnende neue Saison 2021 bringen mag und hoffe, dass wir am 18., 20. und 22. Mai 2021 alle wieder fröhlich und über das Voting schimpfend vor dem Fernseher sitzen können und Liedern aus  rund 40 Ländern lauschen können. Der Weg zu einer funktionierenden TV-Produktion ist noch weit, so dürfte sich Martin Österdahl seinen Einstand als neuer Supervisor garantiert nicht vorgestellt haben. Heute in 280 Tagen werden wir sehen, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um den Nachfolger von Duncan Laurence zu finden oder ob sich noch länger amtierender Song Contest-Gewinner nennen darf bzw. muss.