

Bis zum 23. April 1983 hatte sich kein Moderator der Show so oft verhaspelt wie die Harburgerin und wurde dementsprechend von den Zeitungen am nächsten Tag zerfetzt. Dabei kümmerte sie sich um wahrlich alles, sogar um den Interval-Act, bei dem sie die Pause nutzte um den Zuschauern energisch etwas vorzutanzen. Recht kraftlos mühte sie sich im Anschluss durch die Punktevergabe, die wiederum recht spannend daherkam, wenngleich sie auch hier wieder durch die Wiederholung in drei Sprachen in Gottschalk-Manier deutlich überzogen wurde. Insgesamt gab der BR rund 1,5 Millionen DM für die Show aus, eine heute gar lächerliche Summe für das Samstagabend-Event.
20 Länder waren für den Song Contest 1983 gemeldet, u.a. waren Griechenland, Frankreich und Italien wieder mit dabei, die sich aber zunächst einmal hinter einem Film über die touristischen Schönheiten Bayerns einreihen mussten. Geschlagene zehn Minuten wurden Schlösser, Berge und der Almabtrieb bajuwarischer Kühe gezeigt, ehe der erste Starter die Bühne betrat. Während die Beiträge oben genannter Griechen, Franzosen und Italiener offenbar dem kulturellen Mindeststandard der lokalen Politiker genügten fehlte das irische Fernsehen RTÉ, in Dublin wurde zu jener Zeit der Sender bestreikt. Den Abend eröffnete der Franzose Guy Bonnet, der schon 1968 als Texter und 1970 schließlich als Interpret dabei war.


Experimentelle Lieder kamen in diesem Jahrgang nicht gut an, gleich zwei Nationen belegten den letzten Platz mit ungnädigen null Punkten. Zum einen war da die türkische Formation Çetin Alp & the Short Waves, die dem Text von Aysel Gürel entsprechend über die "Opera" sinnierten und dabei auf Türkisch über "La Traviata", "Tosca" und "Figaro" sangen und nachdem die Namen italienischer Opern ausgingen in ein langes "Lay lay la" verfielen. Çetin Alp, der bei seiner Teilnahme optisch etwas wie Rosario aus "Will and Grace" ausschaute, war fortan in der Türkei als der "Opera"-Sänger gebrandmarkt, der seinem Land null Punkte brachte. Dieses Image hatte er bis zu seinem Tod im Jahr 2004, nur wenige Tage nach dem Song Contest in Istanbul, für den der Sender TRT ihn noch einmal reaktivierte.
Ebenso punktelos beendete Remedios Amaya aus Spanien den Abend. Barfuß, in einen blau-gestreiften Schlafanzug gehüllt und mit dem krachenden Flamenco-Titel "¿Quién maneja mi barca?" ("Wer segelt mein Boot?") donnerte sie derart andalusisch daher und gestikulierte wild mit den Armen und einer Mimik, die der Imperator aus Krieg der Sterne nicht düsterer daherbringen könnte, dass es den Juroren offenbar Angst und Bange wurde. Bis 1997 zog auch sie sich aus dem Musikgeschäft zurück, danach erschienen laut ihrer Diskografie noch einige Flamenco-Werke, u.a. in Zusammenarbeit mit dem Gitarristen Vicente Amigo.
Nur wenig erfreulicher lief es für Belgien. Der flämische Landesteil ließ eine Expertenjury über neun Titel entscheiden, die allesamt Namen wie "Bye bye Scoubidou", "Tic-Tac" und schließlich "Rendez-vous" von Pas de Deux hatten. Das Frauenduo Dett Peyskens und Hilde van Roy (begleitet von Keyboarder Walter Verdin) sang und tanzte im Stil von Genesis "I can't dance" zu ihrem wortkargen Titel. Textlich bestand das Lied aus exakt elf Worten, die sich sinngemäß mit "Ich habe Kopfschmerzen, also halt die Klappe" übersetzen lassen. Beim Vorentscheid wurde man nach dem Sieg noch ausgebuht, beim Song Contest reichte es immerhin für die dritthöchste Wertung aus Spanien. In der Summe waren es 13 Zähler und damit Platz 18.
Ebenfalls im hinteren Mittelfeld platzierte sich Dänemark mit der Aerobic tanzenden Gry Johansen sowie das zypriotische Duo Stavros & Dina, die mit "I agapi akoma zi" leider nicht mehr als ein schmückendes Beiwerk zur Eurovision schickten. Während Stavros Sideras später wichtige Politiker im Fernsehen interviewte, blieb Konstantina der Musik treu und komponierte den zypriotischen Beitrag von 1997, gesungen von ihren Kindern, den Geschwistern Hara & Andreas Konstantinou. Zwei Plätze darüber landeten die Griechen mit Kristi Stassinopoulou und "Mou les". Kristi war ab 1978 eigentlich eher als Musicaldarstellerin tätig und sang u.a. in "Jesus Christ Superstar" und "Evita", ab 1986 erschienen mehrere Alben von ihr, zuletzt 2012.
An den Top Ten vorbei rangierten Italien und Finnland, die punktgleich auf den elften Platz kamen. Die Italiener schickten mit Riccardo Fogli den wohl bekanntesten Interpreten ins Rennen, belegte er doch nur ein Jahr zuvor mit "Storie di tutti i giorni" einen Nummer-Eins-Hit in Italien, der sogar in Deutschland die #30 erreichte. Hiermit gewann der ehemalige Sänger der Gruppe Pooh das San Remo-Festival, diesen Erfolg konnte er trotz sieben weiterer Teilnahmen am Festival nicht mehr erreichen. Finnland schickte mit Ami Aspelund die jüngere Schwester von Monica Aspelund, welche 1977 Zehnte wurde. Ami landete mit "Fantasiaa" einen Rang dahinter, die Finnlandschwedin macht noch heute Musik, 2018 erschien die Single "Sommarfågel i vinterland".
Erfolgreicher lief es aus deutscher Sicht. Am 19. März fand in den BR-Studios in München zunächst nach bewährtem Konzept der Vorentscheid statt, an dem in zwei Vorrunden Kandidaten wie Dorthe Kollo mit "Männer", Angelika Milster mit einem Lied über Marilyn Monroe ("Oh, Norma Jean") oder Enorm in Form feat. Rosi Mittermaier auf der Strecke blieben. Zwölf Kandidaten blieben übrig, 500 demographisch ausgewählte Zuschauer wählten das Brüderpaar Hoffmann & Hoffmann zum Song Contest. Dabei hatte man auf der #2 und #3 ebenfalls fantastische Lieder, nämlich "Mit siebzehn" von Bernd Clüver und "Viva la Mamma" von Ingrid Peters & July Paul.

Nachdem der weitere Erfolg ausblieb und seine Beziehung zerbrach nahm sich Günter Hoffmann mit einem Sprung aus einem Hotelzimmer in Rio de Janeiro das Leben. Sein Bruder Michael war noch bis Ende der 80er im Musikgeschäft tätig, mittlerweile hat er sich aus dem Popgeschäft zurückgezogen und widmet sich vorrangig spiritueller Musik. Erwähnenswert ist an dieser Stelle noch, dass Ralph Siegel, der mit Nicole den großen Erfolg im Vorjahr hatte, keinen einzigen Title bei der Vorentscheidung im Rennen hatte.
Erstaunlich gut lief es auch für Jugoslawien. Milan Popović aus Titograd nahm als Daniel in München teil und landete mit "Džuli" einen Achtungserfolg für das einzige sozialistische Land im Teilnehmerfeld. Das Lied schlug in der Rudi-Sedlmeyer-Halle ein wie eine Bombe und konnte sich in mehreren europäischen Ländern hoch in den Charts platzieren. Erstmals seit Lola Novaković im Jahr 1962 erreichte Jugoslawien wieder die Top Fünf, quittiert wurde dies mit frenetischem Jubel in der Halle. Während er in Jugoslawien und seinen Nachfolgestaaten noch fleißig weiter musizierte, blieb die englische Version "Julie" ein One-Hit-Wonder.


Der Gesamtsieg ging allerdings an Corinne Hermès. Niemand hatte im Vorfeld den Beitrag aus Luxemburg auf der Rechnung, umso erstaunter waren viele der anwesenden Zuschauer, als die Juroren insgesamt sieben Höchstwertungen in das Großherzogtum schickten. "Si la vie est cadeau" ("Wenn das Leben ein Geschenk ist") war eine recht simple Ballade, die allerdings mehrere dramatische Höhepunkte besaß und auch für mich der beste Siegertitel der 80er Jahre ist, wirkte zum einen aufgrund der Stilrichtung, zum anderen aber auch ob der französischen Sprache sehr rückwärts gewandt.

Vielfach blieb nur ihr pinkes Kostüm mit dem Floristenkrepp und die Fönfrisur in Erinnerung, weniger das Lied. Bis heute ist es ruhig um sie geblieben. 2001 trat sie beim Eurovision Song Contest noch einmal kurz in Erscheinung, als sie die französischen Punkte verlas. Ihr Sieg war der letzte große Triumph für Luxemburg beim Eurovision Song Contest, bis zu seinem endgültigen Rückzug im Jahr 1993 konnte man das hier erzielte Ergebnis aus der Rudi-Sedlmeyer-Halle nicht mehr wiederholen. Die Halle, die ursprünglich für die Olympischen Sommerspiele 1972 errichtet wurde, heißt übrigens inzwischen Audi-Dome und ist Spielstätte der Basketballabteilung des FC Bayern München.
Das Ergebnis:
01. - 142 -
Corinne Hermès - Si la vie est cadeau

02. - 136 -
Ofra Haza - Hi

03. - 126 -
Carola - Främling

04. - 125 -
Daniel - Džuli

05. - 094 -
Hoffmann & Hoffmann - Rücksicht

06. - 079 -
Sweet Dreams - I'm never giving up

07. - 066 -
Bernadette - Sing me a song

08. - 056 -
Guy Bonnet - Vivre

09. - 053 -
Westend - Hurricane

09. - 053 -
Jahn Teigen - Do-Re-Mi

11. - 041 -
Riccardo Fogli - Per Lucia

11. - 041 -
Ami Aspelund - Fantasiaa

13. - 033 -
Armando Gama - Esta balada que te dou

14. - 032 -
Christie Stassinopoulou - Mou les

15. - 028 -
Mariella Farré - Io così non ci sto

16. - 026 -
Stavros & Dina - I agapi akoma zi

17. - 016 -
Gry Johansen - Kloden drejer

18. - 013 -
Pas de Deux - Rendez-vous

19. - 000 -
Remedios Amaya - ¿Quién maneja mi barca?

19. - 000 -
Çetin Alp & The Short Waves - Opera
