Dienstag, 1. September 2020

Euronight: Die neue Saison hat begonnen



Europa - Der 1. September 2020 läutet die neue Eurovisionssaison ein und obwohl eine Durchführung des Eurovision Song Contests im kommenden Jahr ungewisser ist, als je ein Wettbewerb zuvor muss ich sagen, dass ich mich sehr auf die Herausforderungen und all die schönen und aberwitzigen Momente freue, die sich 2021 wieder in Europa abspielen werden. Während sich die einen darüber freuen, dass es wieder Lebkuchen im Laden zu kaufen gibt, freuen wir uns über die hoffentlich stetig wachsende Zahl an Nachrichten zur Eurovision.

Üdvözöljük Magyarorszàgon?
Momentan Fehlanzeige...
In welchem Umfang der Eurovision Song Contest 2021 in Rotterdam durchgeführt wird, er womöglich doch durch eine gigantische Liveschaltung quer durch Europa ersetzt wird oder im schlimmsten Fall wie schon 2020 ausfallen wird, bleibt abzuwarten und hängt im Wesentlichen daran, wie sich Corona in Europa in den nächsten Monaten hält. Erst vor wenigen Minuten hat beispielsweise Ungarn seine Grenzen für Ausländer wieder geschlossen, unabhängig davon, ob das Land 2021 überhaupt Interesse hat, sich dem Wettbewerb zu stellen, es ist symbolisch für die Hürden, mit denen die EBU dieser Tage zu tun hat.

Da eine Großveranstaltung in dieser Dimension nicht durch völlige Improvisation entstehen kann, ist natürlich klar. Die EBU wird, wenn auch im Verborgenen und nicht öffentlich alle Hebel in Bewegung setzen, um diese einende Veranstaltung 2021 durchführen zu können. Bereits jetzt ist bekannt, dass man mit zwei unterschiedlichen Szenarien arbeitet und die Organisatoren in Rotterdam bestrebt sind, den Wettbewerb möglichst nah an den Editionen der letzten Jahre zu gestalten. Und da wir bisher nichts Gegenteiliges gehört haben, gehen wir einfach mal davon aus, dass es auch im nächsten Jahr wieder "Good evening, Europe!" heißen wird. 

Hooverphonic haben in diesem
Sommer fleißig komponiert
Einige Länder stecken bereits in ihren Vorbereitungen. In Belgien stehen nach Angaben der Gruppe Hooverphonic insgesamt 21 Titel zur Auswahl, die im nächsten Jahr aufgeführt werden könnten. Zuletzt meldete ich, DER Eurovisionsbeitrag sei so gut wie fertig, was jedoch nicht stimmt. Die Band hat in den letzten Monaten viele Lieder entwickelt, die nun allesamt im Rennen sind, vom flämischen Rundfunk für Rotterdam nominiert zu werden. Und auch in den nordischen Ländern sind die Vorbereitungen für die Vorentscheide bereits in Gange. SVT in Schweden nimmt Bewerbungen an, NRK in Norwegen finalisiert das Konzept seines Melodi Grand Prix.

Auch in Deutschland scheint man den Song Contest bereits ins Auge gefasst zu haben, wenngleich man noch nicht darüber spricht und sich offenbar mehr mit dem Debüt beim Junior Eurovision Song Contest in Warschau beschäftigt. Wir wissen allerdings, dass Ben Dolic keine direkte Startberechtigung erhält und sich wie alle anderen Bewerber einreihen muss. Dass er diese Chance nutzen möchte, zeigte er jüngst durch seine Teilnahme am Songwriting-Camp an der bulgarischen Küste, wo u.a. Victoria Georgieva als auch Komponisten wie Boris Milanov zusammentraten. BNT dürfte durch dieses kreative Sit-in ebenfalls eine gute Ausgangslage für 2021 haben.

Stehen in den Startlöchern:
Little Big aus Russland
Andere Nationen hingegen sind mit ihren Mitteilungen zögerlicher. So fehlen aus diversen, vor allem osteuropäischen Staaten, noch Teilnahmebestätigungen, die sich wie ein roter Faden von Russland über den Balkan bis nach Armenien ziehen. Dass es insbesondere aus Weißrussland derzeit noch keine Meldungen gibt, erstaunt angesichts der anhaltenden Proteste gegen den ewigen Präsidenten natürlich nicht. Russland hingegen hätte mit Little Big eine grandiose Band am Start, die 2020 um ihre Teilnahme beraubt wurden und mit "Uno" einen sagenhaft trashig inszenierten aber gleichzeitig auch großartigen Titel im Rennen hätten. Ebenso Island, das sich bisher ebenfalls nicht geäußert hat.

Irgendwo in den Weiten des Internets habe ich gar übermotivierte Song Contest-Fans gesehen, die darüber spekulieren, ob Monaco sich wieder an die Eurovision wagt. Begründet wird dies dadurch, dass der Sender TMC sich nicht, wie in den Vorjahren schleunigst mit einer Absage aus der Bredouille gezogen hat und zum anderen dadurch, dass der monegassische Sänger Josh Stanley ebenfalls in Bulgarien beim Songwriting-Camp dabei war. Wer sich jedoch die desolate Ausgangslage im Fürstentum anschaut, mit einer fast nicht existenten Bevölkerung mit Interesse an der Show und den schwachen Darbietungen vor dem Rückzug, der wird erkennen, dass TMC wohl eher nicht reagiert hat, weil es dem Sender schlichtweg egal ist.

Was die Eurovision betrifft,
ist tiefste Nacht in Monaco
Anders als bei Luxemburg oder Andorra gibt es in Monaco auch keine Fanbase, die sich für eine Wiederteilnahme stark machen. Hinzu kommt, dass es kaum gebürtige Monegassen gibt, die meisten Einwohner des 2km² großen Felsens am Mittelmeer sind zugezogene oder eingebürgerte Ausländer, zumeist finanzstarke Franzosen, Schweizer oder Deutsche. Da der Sender auch mehr oder minder durch den französischen Rundfunk TF1 gesteuert wird, dürfte es ohne fürstlichen Segen schwer für die EBU sein, den Zwergstaat wieder zurückzuholen. Wenngleich ich mich natürlich über ein Comeback freuen würde, realistisch ist es aber nicht.

Bei Ungarn sehe ich die Lage etwas anders, auch wenn man sich Europa momentan durch heruntergelassene Schlagbäume entzieht, der Sender MTV hat nie eine vernünftige Erklärung abgeliefert, warum man 2020 nicht teilnehmen wollte. Vorwürfe, die Show sei zu homosexuell geworden und stünde dem christlichen Europa entgegen, stammen nur von Mitgliedern des Parlaments, keineswegs von einem Senderverantwortlichen. Mit "A Dal" wolle man 2020 ungarischen Interpreten eine breite Plattform im eigenen Land bieten, was wohl aufgrund von Corona ebenfalls ins Wasser gefallen sein dürfte. Daher kann man sich auch wieder auf europäischer Ebene zeigen. Die doch recht vorzeigbaren Platzierungen der letzten Jahre dürften jedenfalls kein stichhaltiges Argument für einen Rückzug sein.

Wir werden sehen, was die nun begonnene Saison 2020/21 bringt. Der Startschuss ist unlängst gefallen, der 1. September steht gegenwärtig einfach nur für die Deadline, ab der potentielle Eurovisionstitel in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten dürfen. Alles was fortan veröffentlicht wird, könnte, sofern es die sonstigen Regularien einhält, ein Titel für Rotterdam werden. Insofern wünsche ich allen Lesern nicht nur eine gute Nacht, sondern gleichzeitig auch eine schöne neue Eurovisionssaison, die hoffentlich am 22. Mai 2021 im Ahoy von Rotterdam ihr großes Finale und einen neuen Sieger finden wird.