Donnerstag, 9. April 2020

Memories: Eurovision Song Contest 1980


Niederlande - Eigentlich hätte Israel das Austragungsrecht erneut für sich beanspruchen können, lehnte jedoch aus finanziellen Gründen ab, sodass die Europäische Rundfunkunion auf das Angebot des niederländischen Fernsehens NOS zurückgriff und die 25. Eurovision nach Den Haag brachte. Die Niederländer legten den Termin des Eurovision Song Contests 1980 dann unglücklicherweise auch noch auf den 19. April, an dem in Israel der Gedenktag Yom haSikaron stattfand, sodass es israelischen Interpreten ohnehin nicht möglich gemacht wurde, am Wettbewerb teilzunehmen. Somit ist 1980 das einzige Jahr, in dem das Siegerland nicht um die Titelverteidigung kämpfte.

Die Gunst der Stunde nutzten zwei Nationen um am Eurovision Song Contest teilzunehmen. Zum einen kehrte die Türkei mit einem themenbezogenen Titel zurück in den Kreis der Eurovisionsfamilie, zum anderen gab mit Marokko erstmals ein afrikanisches und arabischsprachiges Land sein Debüt. Langfristig verabschieden musste sich die Eurovision von Monaco, das erst 2004 wieder einen Versuch wagte. Als zu klein schätzte der Sender TMC die Chance auf eine gute Platzierung ein, der Wettbewerb wurde fortan auch nicht mehr im monegassischen Fernsehen übertragen. Jugoslawien wollte ursprünglich zum Wettbewerb zurückkehren, die schwere Krankheit von Staatschef Josip Tito führte jedoch zur Absage. Tito verstarb am 4. Mai 1980 in Ljubljana.

Die Niederländer schickten die Schauspielerin Marlous Fluitsma als Moderatorin auf die Bühne des Congres Gebouw in Den Haag, zum Einsatz kam auch jeweils ein Sprecher der Delegationen, der die Aufgabe hatte, den eigenen Beitrag anzukündigen. So durfte Caroline Reiber die deutsche Vertreterin Katja Ebstein ankündigen. Katja stellte sich zunächst im März dem TV-Vorentscheid des Bayerischen Rundfunks, an dem zwölf Interpreten teilnahmen. 1.000 Menschen durften repräsentativ für die Bundesrepublik entscheiden, wer nach Den Haag fährt, zur Auswahl waren Größen der Musikszene wie Stefan Waggershausen, Marianne Rosenberg, Roland Kaiser und kuriose Beiträge wie Adam & Eve oder "Montezuma Castle".

Katja Ebstein setzte sich mit ihrem "Theater" aus der Feder von Ralph Siegel und Bernd Meinunger gegenüber Costa Cordalis mit einem Lied über den Regengott "Pan" durch. Im dritten Anlauf durfte sie bereits ein zweites Mal in die Niederlande fahren. "Theater", dargeboten von mehreren Pantomime-Akteuren auf der Bühne wurde der bis dahin erfolgreichste deutsche Song Contest-Beitrag. Lieferte sich Katja Ebstein doch ein Kopf-an-Kopf-Duell mit dem späteren Sieger Johnny Logan. 128 Zähler konnte Katja Ebstein verbuchen, darunter drei Höchstwertungen aus Italien, Spanien und den gastgebenden Niederlanden. Sie blieb der Eurovision in Form diverser Gastauftritte beim deutschen Vorentscheid erhalten, auf der großen Eurovisionsbühne sah man sie jedoch nicht mehr.

Doch nicht nur Deutschland schickte eine Wiederholungstäterin auf die Bühne, auch die Niederlande konnten mit Maggie McNeal ein bekanntes Gesicht anbieten. Schon 1974 war sie Teil des Duos Mouth & McNeal, das sich jedoch schon bald nach dem Eurovisionsauftritt trennte. In Den Haag sang Maggie eine tragende Hymne auf die eigentliche Hauptstadt der Niederlande, nämlich "Amsterdam", das drei von vier Höchstwertungen am Beginn des Votings kassierte, am Ende aber nur auf Platz fünf landete. "De stad waar alles kan" war aber eine willkommene Touristenwerbung für Amsterdam, der Titel hatte mit #33 der niederländischen Charts aber nur mäßigen Erfolg im eigenen Land.

Einen Platz besser platzierte sich die dritte Rückkehrerin, Paola mit "Cinéma" für die Schweiz. Darüber landete das Vereinigte Königreich mit der Gruppe Prima Donna, die sich eigens für die Eurovision gründete und wenig später wieder zerbrach. Teil der Gruppe war Lance Aston, der Bruder von Jay Aston, einem Mitglied von Bucks Fizz, die ihren Triumph allerdings erst ein Jahr später haben sollten. "Love enough for two" belegte zwar den dritten Platz in Den Haag, floppte jedoch in den europaweiten Charts, selbst im UK war die #48 die Peak Position des Liedes. 

1980 kam auch erstmals Anna Vissi in den Genuss der Eurovision. Sie hätte eigentlich schon zwei Jahre zuvor für Griechenland singen sollen, da sich der Sender ERT allerdings mit den Komponisten ihres damaligen Titels verkrachte, wurde Tania Tsanaklidou nominiert. Anna und ihre Begleitband The Epikouri sangen "Autostop" ("Trampen"), sagten Athen auf Wiedersehen und nannten im Verlauf des Liedes die Perlen ihres Roadtrips, u.a. Peking, Wladiwostok, Paris, Kairo und Berlin. Aus den allermeisten Ländern gab es nur vereinzelte Punkte dafür, lediglich die Niederlande ließen sich auf acht Zähler ein. Anna Vissi startete fortan eine große Karriere in Griechenland, zwei Jahre später sollte sie ihre Heimatinsel Zypern beim Song Contest vertreten.

Unmittelbar vor den Griechen trat die Türkei auf. Und auf philosophische Art und Weise verarbeitete die Sängerin Ajda Pekkan in "Petr'oil" das Schicksal des letztjährigen Fernbleibens. Es ging um das süße Erdöl, jenen Rohstoff, den die arabischen Länder der Türkei drohten abzudrehen, sollte man am Song Contest in Israel teilnehmen. Diese Liebe beruht laut Text aber nicht auf Gegenseitigkeit, das Öl sei nur auf Dollars und Deutsche Mark aus, am Ende reichte es für das Lied über das schwarze Gold zum 15. Platz. Dabei kassierte die Türkei erstmals zwölf Punkte, nämlich von der marokkanischen Jury.

Die Abwesenheit Israels nutzte Marokko um sich Europa zu präsentieren. Hierfür wählte man mit der jungen Samira Bensaïd ein aufstrebendes Talent, das den ersten arabischsprachigen Titel der Eurovisionsgeschichte sang. "Bitaqat hob" erzielte sieben Punkte, allesamt aus Italien, und damit den vorletzten Platz. König Hassan II. war darüber so erbost, dass er dem marokkanischen Fernsehen verbot, jemals wieder an der Eurovision teilzunehmen. SMRT hielt sich bis heute an diese Abmachung, wohl auch da Israel nun regelmäßiger Gast im Wettbewerb ist. Samiras Karriere hat die Pleite keinen Abbruch getan. Die in Ägypten lebende Sängerin gehört zu den Topstars der arabischen Musikwelt und ist noch heute schwer erfolgreich und damit beschäftigt neue Songs auf den Markt zu bringen.

Mit Folklore konnte auch Norwegen dienen. "Sámiid Ædnan" wurde gesungen von Sverre Kjelsberg, der im Jahr 2016 verstarb. Nach zwei Dritteln des Liedes kam zudem Mattis Hætta in lappländischer Tracht auf die Bühne und begann mit samischem Joik-Gesang. Bei der lustigen Nummer handelte es sich allerdings um einen Protestsong, mit dem die Interpreten auf mehr Selbstbestimmung der Samen pochten. Er nahm auch Bezug auf den Hungerstreik von Samen im Jahr 1979 vor dem norwegischen Parlament. Es dauerte bis 1989 ehe der Sámediggi, das Parlament der Samen erstmals zu einer Sitzung zusammentreten konnte. Für dieses Anliegen hatten die europäischen Juroren leider weniger Verständnis, "Sámiid Ædnan" landete auf Platz 16.

Damit waren sie aber immerhin noch etwas besser als die belgische Gruppe Telex, die sich im Geiste der Zeit nach einem Fernschreibgerät benannte, das heutzutage kein Mensch mehr kennt geschweige denn bedienen kann. Die Gruppe um den bebrillten und vollbärtigen Leadsänger Michel Moers sang in französischer Sprache eine Persiflage auf den Wettbewerb, bei dem sie nunmehr für die Wallonie singen durften. "Euro-Vision" war ein Mischmasch aus Disco- und Elektromusik, Schenkelklopfer-Beats und viel Trash. Die bis 2006 gemeinsam musizierende Gruppe landete auf dem 17. Platz, unterboten von Marokko und Finnland, das mit Vesa-Matti Loiri einen Kabarettisten entsandte, welcher sich auf der Querflöte immerhin sechs Punkte zusammenspielte.

Für Irritationen dürfte auch der zweite Beitrag von Ralph Siegel an diesem Abend gesorgt haben. Die Schwestern Sophie & Magaly sangen für das Großherzogtum Luxemburg den Titel "Papa Pingouin", der es tatsächlich auf Platz neun im Ranking schaffte. Untermalt wurde der Text durch einen über die Bühne torkelnden Pinguin im schwarz-weißen Glitzerfrack. Sophie & Magaly veröffentlichten wenig später die Single "Arlequin", die sich allerdings nur mäßig verkaufte, sodass das Label Ariola und Ralph Siegel die Gilles-Schwestern wie eine heiße Kartoffel fallen ließen. 

"Papa Pingouin" erlebte im Jahr 2006 einen zweiten Frühling, wurde es doch vom Bubblegum-Projekt Pigloo neu aufgenommen. In Frankreich schaffte es der Titel auf die #1, in Deutschland immerhin auf die #6. Das Schicksal beider Schwestern hätte jedoch nicht trauriger sein können, Magaly infizierte sich mit HIV und verstarb 1996 an den Folgen von AIDS, ihre Schwester Sophie verfielt daraufhin in schwere Depressionen und verstarb im letzten Jahr zurückgezogen in Südfrankreich. Der letzte französischsprachige Titel "Hé, hé M'sieurs dames" der Formation Profil landete unterdessen auf dem elften Platz. Außer dem Pailletten-Regenbogen auf den weißen Kostümen gibt es über diesen Song eigentlich nichts Spannendes zu vermelden.

Einen der kommerziell erfolgreichsten Songs steuerte der Italiener Alan Sorrenti bei. Der Neapolitaner wuchs zunächst in Wales auf und begann in den 70er Jahren mit seiner Musikkarriere. Sein erfolgreichster Hit war der Titel "Tu sei l’unica donna per me" ("Du bist die einzige Frau für mich"), der zu einem Sommerhit avancierte, auch in Deutschland, hier jedoch von Hoffmann & Hoffmann auf Deutsch gecovert. Sein Eurovisionsbeitrag "Non so che darei" schaffte es immerhin auf Platz sechs. Im Folgenden konvertierte Sorrenti zum Buddhismus und nahm 1988 noch einmal am San Remo-Festival teil. Sein Titel "Come per miracolo" belegte allerdings nur den 26. und damit letzten Platz, seither ist es ruhiger um ihn geworden.

Im Mittelfeld landeten die Skandinavier. Schweden schickte Tomas Ledin mit "Just nu" nach Den Haag. Nach seinem zehnten Platz bei der Eurovision sang er u.a. als Backgroundsänger bei der letzten ABBA-Tour und gemeinsam mit Agnetha Fältskog den Titel "Never again". Dem folgten noch mehrere Top Ten-Erfolge in Schweden, insgesamt hat er über drei Millionen Tonträger verkauft. Auf Platz 14 landete die dänische Gruppe Bamses Venner ("Bärchens Freunde"). Und der Name war Programm, der beleibte Bamse alias Flemming Jørgensen stand mit Latzhose und Gitarre an der Front und sang den fröhlichen Titel "Tænker altid på dig" ("Ich denke immer an dich"). Die Gruppe hielt bis ins Jahr 2011 zusammen, als Jørgensen an einem Herzstillstand verstarb.

Zu den weiteren Akteuren des Jahrgangs gehörte noch die österreichische Gruppe Blue Danube, die mit "Du bist Musik" den Wettbewerb in Den Haag eröffnete und außer der Aneinanderreihung bekannter Komponisten wie Liszt, Chopin, Strauß, Puccini und Tschaikowski eigentlich keinen tiefer gehenden Text darbot. Dennoch reichte es für den achten Rang. Und dann war da noch der Portugiese José Cid, der Gründer der Rockband Quarteto 111, der sich mehrfach vergeblich beim Festival da Canção um die Eurovisionsteilnahme bemühte. 1980 klappte es dann mit dem Schlager "Um grande, grande amor", der die Sprachenregelung umging, indem er diverse Phrasen auf Deutsch, Englisch und Italienisch wiedergab. Es reichte für Platz sieben. 

Der Sieg ging allerdings auf die grüne Insel. Der 1954 im australischen Frankston geborene Seán Patrick Michael Sherrard trat als Johnny Logan für Irland an. Schon im Jahr zuvor bewarb er sich mit dem Titel "Angie" beim irischen Vorentscheid, wurde aber nur Dritter. Ein Jahr später stach er mit "What's another year" die übrigen sieben Konkurrenten au. Der von Shay Healy geschriebene Titel legte den Grundstein für eine der erfolgreichsten Eurovisionskarrieren, folgten dem Lied doch noch zwei weitere Eurovisionssiege (einmal als Künstler, einmal als Komponist). "What's another year" wurde ganz gediegen auf einem Barhocker wiedergegeben und landete im Nachgang in vielen europäischen Ländern hoch in den Charts.

Katja Ebstein erklärte einst in einem Interview, dass der gelernte Elektriker Johnny Logan nach dem Sieg in Den Haag auf sie zu kam und sich entschuldigte, dass er ihr den ersten deutschen Song Contest-Sieg vermasselte gab jedoch auch zu Protokoll "...but I need the money". 1980 ahnte noch niemand, dass er nur sieben Jahr später einen Rekord für die Ewigkeit aufstellen sollte und 1992 als Komponist erneut als strahlender Sieger nach Irland zurückkehren sollte. Zehn Jahre nach dem ersten Sieg Irlands mit Dana sollte der Wettbewerb also erneut in Dublin stattfinden, bei dem die Bundesrepublik ebenfalls wieder vorn mit dabei sein sollte.

Die Teilnehmer:
01. - 143 -  Johnny Logan - What's another year
02. - 128 -  Katja Ebstein - Theater
03. - 106 -  Prima Donna - Love enough for two
04. - 104 -  Paola - Cinéma
05. - 093 -  Maggie McNeal - Amsterdam
06. - 087 -  Alan Sorrenti - Non so che darei
07. - 071 -  José Cid - Um grande, grande amor
08. - 064 -  Blue Danube - Du bist Musik
09. - 056 -  Sophie & Magaly - Papa Pingouin
10. - 047 -  Tomas Ledin - Just nu
11. - 045 -  Profil - Hé, hé M'sieurs dames
12. - 038 -  Trigo Limpio - Quédate esta noche
13. - 030 -  Anna Vissi & The Epikouri - Autostop
14. - 025 -  Bamses Venner - Tænker altid på dig
15. - 023 -  Ajda Pekkan - Petr'oil
16. - 015 -  Sverre Kjelsberg & Mattis Hætta - Sámiid Ædnan
17. - 014 -  Telex - Euro-Vision
18. - 007 -  Samira Bensaïd - Bitaqat hob
19. - 006 -  Vesa-Matti Loiri - Huilumies