Freitag, 12. Mai 2017

Zusammenfassung des zweiten Semifinals 2017



Ukraine - Was war das gestern für ein spannendes und qualitativ hochwertiges Halbfinale. Ich habe fast jeden Beitrag mit Entzücken verfolgt und bis auf Estland und Malta haben sich meiner Meinung nach auch alle Beiträge qualifiziert, die ich auf der Liste hatte bzw. denen ich Chancen auf einen Finaleinzug zugetraut habe. Aber der Reihe nach...

Eröffnet wurde die Show von unseren drei ukrainischen Sunnyboys, während Timur in den Greenroom sprang, intonierten Volodymyr und Oleksandr Eurovisionshits wie "Rise like a phoenix" und "Euphoria" mit traditioneller ukrainischer Folklore-Untermalung. An das Opening von Petra und Måns im letzten Jahr kommt es zwar nicht ran, zeigte aber trotzdem, dass die Moderatoren nicht ganz unmusikalisch sind. Anders als zuvor angekündigt, gab es allerdings keinen Auftritt von Ruslana, die folgt aber im Finale.

Startnummer eins brachte der serbischen Kandidatin Tijana Bogićević mit "In too deep" an diesem Abend kein Glück, der Auftritt war okay, stimmlich gab es da aber durchaus ein paar Defizite, die auch dem geschulten Auge des TV-Zuschauers nicht entgangen sind. Da half auch die fallende Tanzeinlage des knusprigen Tänzers nicht weiter. Serbien scheidet zum ersten Mal seit 2013 wieder im Halbfinale aus, man wird es wohl verschmerzen können.

Das gleiche Schicksal ereilte dem Nachbarland Mazedonien. Jana Burčeska war deutlich besser als ihre serbische Kollegin, tanzte sich allein auf der Bühne einen Wolf und überzeugte wesentlich besser, lag aber vermutlich zu nahe an der fast gleichen Nummer aus Serbien, sodass sie sich gegenseitig blockierten. Das Aus dürfte für Jana zu verschmerzen sein, denn wie man in der Postkarte erfuhr, ist die Gute schwanger und erhielt nach Votingschluss auch noch einen Heiratsantrag, der erste in der Geschichte des Eurovision Song Contests. Aus diesem Bonus konnte sie allerdings nicht schöpfen, die Leitungen waren bereits geschlossen.

Dafür schaffte es Nathan Trent, der quirlige Österreicher von der Angststartposition zwei ins Finale. Er zitterte bis zuletzt, "Austria" fiel erst in der letzten Entscheidung. Die fröhliche Art hat ein recht schwaches Lied ausgeglichen und setzt Österreichs erfolgreiche Finalquote fort, zuletzt fehlte Österreich 2013 im Finale. Der ORF hat verstanden, was dazu gehört, beim Song Contest zu liefern und da die Schweizer Kollegen von Timebelle mit ihrem pinken Klavier und der gelben Frontsängerin nicht ganz so viel Glück hatten, können sich diese nun voll und ganz auf Österreich konzentrieren.

An Position vier startete Malta. Claudia Faniello hat über ein Jahrzehnt auf diesen Moment hingearbeitet, enttäuschte aber nicht nur ihr Land, sondern auch mich. Der klassischste Beitrag der Eurovision, eine Ballade mit sehr viel Emotion sah auf der Bühne dann doch etwas blutleer aus. Schade um dieses wirklich tolle Stück Liedgut, was mich insofern schockiert, als das Malta schon mit viel wüsteren Liedern im Finale vertreten war. Der Traum der Eurovision Island muss also bis mindestens 2019 warten.

Ebenfals rausgeflogen ist Brendan Murray aus Irland. Der irische "Harry Potter mit der Stimme von Hermine" wirkte etwas bedröppelt, so allein und fast hilflos in seinem Ballon. Zweifelsohne war es eine gute Leistung, vielleicht zu viel Theater und was mir besonders auffiel war der fehlende Chor, der stark war aber leider nicht auf der Bühne zu sehen war und sich irgendwo hinter der Bühne verstecken musste. Irland, noch immer das erfolgreichste Song Contest-Land mit sieben Siegen braucht ein neues Konzept, wenn es in der europäischen Konkurrenz bestehen will.

Gleiches gilt für San Marino. Auch nicht schlecht performt, Valentina glücklicherweise auch ohne Mütze, und ihr Duettpartner Jimmie Wilson gaben alles, was das Budget von San Marino hergab, wie bereits zuvor vermutet, fehlte der angestaubten Disconummer aus dem Hause Siegel am Ende die Puste. Der sanmarinesische Senderchef erklärte bereits, für Zwergstaaten sei auf so einer großen Bühne kein Platz, ich denke eher, dass es an der Qualität der Songs liegt. Auch mit wenig Budget kann man Großes leisten. Die Ergebnisse die San Marino in der Vergangenheit eingefahren hat belegen schließlich, dass nicht nur die anderen Schuld sind und man durchaus das Finale erreichen kann.

Für mich völlig überraschend im Finale ist hingegen Kroatien, als einziges ehemaliges jugoslawisches Land. Jacques Houdek, diesmal ohne Handventilator, intonierte mit sich selbst ein Duett vor der kitschigsten Backdrop-Einstellung seit Menschengedenken. Trotz der souveränen stimmlichen Leistung hätte ich auf Kroatien sehr gut im Finale verzichten können. Nun ist es eben so, damit muss ich leben. Immerhin startet er ziemlich mittig im Finale, sodass eine Toilettenpause zur besten Zeit eingerichtet werden kann. Köstlich hingegen der Kommentar von Peter Urban: "Zitat Urban: "Dr. Jekyll und Mr. Pavarotti, zwei Seelen und zwei Stimmen ruhen in seiner mächtigen Brust".

Nicht im Finale dabei sind außerdem Litauen, was kaum überraschen dürfte und Estland. Estland? Estland! Es wird nicht nur an den ersten zwei Sekunden gelegen haben, die Laura bei ihrem Einsatz am Anfang nicht zu hören war, irgendwie waren die Leute in Europa nicht in "Verona"-Stimmung. Auch einen Tag nach dem Aus spalten sich die Lager. Ich habe die beiden, die sehr gut miteinander harmonierten, vielleicht aber zu oft einen fragenden Blick von Koit in die Kamera einfingen, sehr deutlich im Finale gesehen. "Estonia is robbed" würde ich nun nicht behaupten, aber neben Finnland dürfte dieses Aus die größte Überraschung der Semifinals darstellen.

Qualifiziert haben sich hingegen ohne Überraschung die Jodelbarden aus Rumänien mit ihrer farbenprächtigen Kanonenperformance, stimmlich ist da bis morgen Abend noch mehr drin, Rumänien behauptet im Jahr nach seiner Zwangspause seine 100%ige Finalquote, die sonst nur Aserbaidschan, Russland und die Ukraine noch beanspruchen können. Ebenfalls keine Überraschung war Bulgarien, Kristian Kostov lieferte souverän seine Nummer ab und feuerte Blitze ins Publikum. Ich rechne fest damit, dass er dieses Halbfinale gewonnen hat.

Für Bulgarien ist es damit der dritte Finaleinzug und der zweite in Folge. Die Delegation und der Sender BNT haben es verstanden, gut abzuliefern, wenngleich das Lied sehr am Mainstream orientiert ist. Überhaupt nicht mainstreamig und wohl aufgrund seiner überspringenden Frohlichkeit qualifiziert: Weißrussland. Die Navi Band hatte dermaßen viel Spaß bei ihrem Lied, dass man sie einfach gern haben muss. Zudem qualifizierten sich damit erstmals alle landessprachlichen Beiträge einer Eurovision für das Finale und erstmals auch ein Titel in weißrussischer Sprache. Well done, Belarus.

Am Samstag sehen wir auch die Niederländerinnen wieder, die auf den Punkt genau funktionierten und ihren Drei-Stimmen-Gesang hervorragend koordinieren konnten. Es gibt keine Einwände meinerseits, die Niederlande stehen zurecht im Finale. Ebenso Ungarn mit der Ethno-Roma-Nummer "Origo". Ich liebe dieses Lied inzwischen sehr und verstehe auch die Message, die uns Joci mit auf den Weg geben möchte. Die Show und das gesamte Ambiente des Songs passen prima ins Finale.

Dann gab es da noch Israel. Während die IBA, deren Logo die Delegation im Schnelldurchlauf ein letztes Mal in die Kamera hielt, nur noch auf Sparflamme läuft und sich nach über 50 Jahren aus der EBU verabschieden muss, lieferte Imri als letzter Starter gut ab. Der Song ist okay, die Nummer lebt vom Sexappeal-Faktor, dessen sich Imri bewusst war und in die Kamera zwinkerte. Die primäre Eurovisionszielgruppe fühlte sich angesprochen und wählte Israel zum dritten Mal in Folge in die Endrunde. Dort wird er allerdings gleich als Erstes auf die Bühne müssen.

Die skandinavischen Länder sind wieder zurück. Dänemark konnte mit Anja Nissen und Gott sei Dank ihrem roten Kleid und nicht mit dem Zuckerguss-Jumpsuit ins Finale einziehen. Anja litt auf der Bühne den Diventod, kniete sich hin, sang gegen die Windmaschine und ließ Funken sprühen. Das beschert Dänemark den ersten Finaleinzug seit dem Wettbewerb im eigenen Land 2014 und wie ich finde auch gerechtfertigterweise.

Um das Teilnehmerfeld zu komplettieren ist auch Norwegen mit dabei. Jowst mit seiner, diesmal funktionierenden, Leuchtmaske und Aleksander Walmann am Mikrofon nutzten nicht nur Stimmverzerrung sondern auch sämtliche Bildtricks, die irgendwie möglich waren. Violett beherrschte die Darbietung und offenbar zog das auch in Europa. Ich fürchte, dass sie nur knapp ins Finale gerückt sind, aber ich freue mich sehr, dass meine persönliche Nummer eins im Finale mit dabei ist, nachdem Malta und Estland schon nicht mehr dabei sind...

Als Interval-Act gab es eine Tanzeinlage der Apache Crew namens "The Children's Courtyard" und einen weiteren Teil aus der Song Contest-Geschichte von Verka Serduchka. Jon Ola Sand dürfte mit seinem "Take it away" vor der Bekanntgabe der Ergebnisse langsam zum Running Gag werden und die Moderatoren wirkten ein bisschen gelassener als noch im ersten Semifinale. Nun steht uns die Endrunde bevor, bei mir zuhause sind alle Vorkehrungen getroffen, später findet noch die erste zusammenhängende Generalprobe und um 21 Uhr (MESZ) das Juryfinale statt. Alle Einzelheiten zum Finale folgen in Kürze.

Die "Qualle" aus Serbien hat's nicht geschafft | Dafür der Mann im Mond aus Österreich
Kein Abend für große Balladen: Malta und Irland sind draußen
Frauenpower: O'G3NE und Anja Nissen sind im Finale
Die Duos, Rumänien ist qualifiziert, San Marino hingegen wieder einmal ausgeschieden
Starkes Osteuropa: Kristian Kostov aus Bulgarien und die weißrussische Navi Band
Ebenfalls im Finale: Norwegen und Kroatien
Nach Lettland fliegen mit Fusedmarc und Koit & Laura auch die anderen baltischen Staaten raus
Finale ebenfalls verfehlt: Timebelle aus der Schweiz | Israel hingegen ist weiter
Da war noch alles gut im Team San Marino | Jacques und die kroatische Delegation
Claudia kann Malta nicht retten | Kristian Kostov gilt als einer der Mitfavoriten
Bedrückte Geschichter bei Estland | Fusedmarc aus Litauen
Das Damentrio singt auch am Samstag | Timebelle treten die Heimreise nach Zürich an
Jowst feat. Aleksander Walmann | Joci Pápai qualifiziert sich für Ungarn
Pure Freude bei Israel | Angespannte Gesichter bei Irland
Kurz vor Bekanntgabe des zehnten Finalisten | Jana aus Mazedonien bekommt einen Antrag
Die beiden machten die Finalverkündung spannend