Sonntag, 21. Mai 2017

Memories: Eurovision Song Contest 1971


Irland - Am 3. April 1971 sollte der Eurovision Song Contest erstmals in der Republik Irland stattfinden. Dieser Erfuhr zu Beginn der 70er Jahre zahllose Kritik von den Mitgliedssendern der EBU, ihn endlich zu modernisieren, andernfalls würden Teilnehmerländer abspringen. Darunter war auch die ARD, die ihre Gastspiele in Zukunft von einer Modernisierung abhängig machte. Und so kam es dann auch, dass die EBU sich gezwungen sah, verschiedene Teile der Show zu ändern.

Aufgehoben wurde unter anderem die Regel, dass maximal Duette erlaubt waren. Nach der Lockerung der Bestimmungen durften fortan auch Gruppen bis zu sechs Personen auf die Bühne. Bis heute hat sich diese Regel behaupten können. Zudem wurden die Juroren aus ihren Hinterzimmern geholt und Teil der Sendung. Jedes Land entsendete jeweils einen Juroren der Generation U25 und einen Ü25-Juroren, die unmittelbar nach der Darbietung ihre Stimmen abgaben, mindestens einen Punkt, maximal fünf. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass es zu jener Zeit keine Nil-Pointer mehr gab.


So kehrten die Skandinavier sowie Portugal und auch Österreich in den Schoss der Eurovision zurück. Im 1871 eröffneten Gaiety Theatre konnte Bernadette Ní Ghallchóir 18 Nationen ankündigen, da auch Malta sein Debüt erklärte. Zudem kommentierte Terry Wogan erstmals für die BBC den Wettbewerb, durch seine zynischen und später immer sarkastischer werdenden Kommentare erhielt er die höchsten Anerkennungen im UK. Während der Proben für die Show kam es jedoch täglich zu Demonstrationen vor dem Theater, man protestierte gegen die immensen Ausgaben, die die Veranstaltung den irischen Staat und insbesondere den Sender RTÉ kostete. Allein 44.000 Euro wurden dafür investiert, die Sendung nicht in Schwarzweiß sondern in Farbe auszustrahlen.

Eröffnet wurde der Wettbewerb 1971 durch Marianne Mendt aus Österreich, die im feinsten Wienerisch über "Musik" sang. Ihr kurz zuvor veröffentlichtes Lied "Wie a Glock'n" gilt als Startschuss für den Austropop. Der ORF ließ es sich nicht nehmen, die als Marianne Krupicka geborene Sängerin intern zu nominieren. Die Juroren in Dublin konnte sie jedoch nicht überzeugen, sodass für Österreich, einem der härtesten Kritiker am Niveauverfall beim Song Contest, nur der drittletzte Platz übrig blieb.

Mit dem letzten Platz des Abends wurde Malta im Wettbewerb willkommen geheißen. "Marija l-Maltija" war der erste Song in einer semitischen Sprache beim Eurovision Song Contest. Gesungen wurde er von Joe Grech, der seine Karriere als Trompetenspieler beim Zejtun Band Club begann. In seinem derb klingenden Lied sang er darüber, dass er gar nicht auf die Feierabendsirene warten könne, um zu seiner geliebten Maria zurückzukehren, auf Maltesisch heißt das so viel wie "M'hemmx li jdur l-iżveljarin", was vielleicht für die damaligen Juroren viel zu befremdlich klang. 


In der Line Up als erste setzten die Schweizer die Aufweichung der Maximalteilnehmerzahl auf der Bühne um. Das Trio Peter, Sue & Marc startete mit dem französischsprachigen "Les illusion de nos vingt ans" zu ihrem ersten von vier Ausflügen zum Song Contest. Jeder ihrer Titel wurde in einer anderen Sprache gesungen, 1971 reichte es für Peter Reber, Sue Schell und Marc Dietrich jedoch nur für den 12. Platz. Nur einen Punkt mehr erzielten die Gastgeber aus Irland, die mit Angela Farrell ein unverbrauchtes Talent schickten. Ihr Lied "One day love" erreichte zwar, ähnlich wie drei andere Lieder die irischen Charts, später hörte man von ihr jedoch kaum mehr etwas.

Nachdem die BR Deutschland im Vorjahr erstmals unter die ersten Drei kam, zögerten die Verantwortlichen der ARD nicht lange und bestimmten Katja Ebstein auch 1971 zu ihrer Vertreterin. Der Hessische Rundfunk lud sechs Autoren ein, Lieder für Katja zu schreiben und veranstaltete im Februar "Ein Lied für Dublin". Neben den fünf Unterhaltungschefs der ARD bestimmten fünf Musiklaien, darunter Medizinstudenten und eine Germanistin, den deutschen Beitrag "Diese Welt", den ersten grünen Song im Wettbewerb.


Die Umwelthymne mit düsterer Prognose für die Zukunft "Rauch aus tausend Schloten senkt sich über Stadt und Land, wo noch gestern Kinder warn, bedeckt heut Öl den Strand", avancierte zu einem Erfolg und konnte sich ebenso wie "Wunder gibt es immer wieder" im Vorjahr auf dem dritten Rang platzierten. Der Rückstand auf die zweitplatzierte Sängerin Karina aus Spanien betrug allerdings stattliche 16 Punkte. Die Sängerin von "En un mundo nuevo" ("In einer neuen Welt") wurde bezichtigt, Juroren bestochen zu haben, was ihr jedoch nie belegt werden konnte. Bekannt wurde sie u.a. durch die Veröffentlichung ihrer Version von "Poupée de cire, poupée de son".


Weitaus weniger Erfolg hatte der, für Jugoslawien startende Kroate Krunoslav Slabinac, der punktgleich mit dem Duo aus Belgien landete. Lily Castel & Jacques Raymond sprangen dabei kurzfristig für Nicole & Hugo ein, die ursprünglich den belgischen Vorentscheid gewannen, jedoch nicht nach Dublin reisen konnten, da Nicole an Gelbsucht erkrankte. Sie sollten ihre Chance zwei Jahre später erhalten. Beide Nationen teilten sich den 14. Rang. 

Wenig besser schnitt Monique Melsen für Luxemburg ab, die über den Verzehr eines Apfels sang. Monique war eine der wenigen nativen Interpreten, die tatsächlich auch aus Luxemburg stammte. 1951 in Ettelbruck geboren, wurde sie ohne Umschweife vom Sender Télé Luxembourg ausgewählt. Der vor ihr startende Franzose Serge Lama aus Bordeaux konnte mit seinem "Un jardin sur la terre" ("Ein Garten auf der Erde") knapp eine Top Ten-Platzierung für Frankreich klar machen.


Norwegen entsendete die 16jährige Hanne Krogh nach Dublin, die ihren Triumph zwar erst später mit den Bobbysocks feiern sollte, aber einen der poetischsten Texte des Jahrgangs beisteuerte. In "Lykken er..." stellte sie eindeutig klar, was für sie Glück bedeutet. Dazu gehören laut Lyrics die Kleinigkeiten des Lebens, etwa ein Frühstück im Bett, barfuß durch Grass zu laufen aber auch den letzten Bus zu bekommen, eine Steuerrückzahlung zu erhalten oder eine Dose Hering in Dillsauce. Den Juroren war diese Aufzählung jedoch nur den vorletzten Platz wert.

Besser lief es für die skandinavischen Nachbarn. Finnland platzierte sich auf dem achten Rang und Schweden mit seiner Family Four auf dem sechsten Rang. Zwei Männer und zwei Frauen von denen eine Agneta hieß, gaben einen Vorgeschmack auf das, was Schweden den Song Contest nachhaltig verändern ließ. Teilen mussten sich die Schweden ihren sechsten Platz mit den Niederländern Saskia & Serge, die zu Beginn ihrer Darbietung mit Tonproblemen zu kämpfen hatten. Einen Platz besser stellte sich Massimo Ranieri für Italien, der zwei Jahre später noch einmal zum Wettbewerb zurückkehren sollte.


Portugal schaffte an diesem Abend seine erste Platzierung unter den besten Zehn. Tonichas Beitrag "Menina do alto da serra" blieb jedoch weniger im kollektiven Gedächtnis der Eurovisionsfans, als der folgende Schwenker der Kamera ins Publikum nach ihrem Auftritt. Die Kamera fixierte eine Zuschauerin, die mitten im Applaus wie schockgefroren in ihrer Bewegung stehenblieb. Was der Grund für diese, im heutigen Zeitalter schnell viral verbreitete Szene ist, konnte bis heute nicht zweifelsfrei geklärt werden.

Alle genannten Teilnehmer waren jedoch nur Akteure in einem Gesangswettbewerb, der sehr deutlich zu Gunsten von Josiane Grizeau alias Séverine ausfiel. Es war der bis heute einzige Sieg des Fürstentum Monacos beim Eurovision Song Contest. Im Vorfeld wurde Séverine instruiert, mit "Un banc, un arbre, une rue" gerne den zweiten Platz zu belegen, aber auf gar keinen Fall zu gewinnen, da es dem monegassischen Fernsehen nicht nur am nötigen Geld für die Ausrichtung, sondern dem Land an einer passenden Halle mangelte.


Séverine sang souverän mit weit ausgebreiteten Armen über die Bank, den Baum und die Straße und deklassierte ihre Konkurrenz mit 128 Punkten. Später gab die Sängerin, die einen Hit landete, der u.a. als "Mach die Augen zu" auch in Deutschland erschien, mehrmals Gast in der ZDF-Hitparade war und sich 1975 und 1982 auch beim deutschen Vorentscheid bewarb, zu Protokoll, dass sie vor der Nominierung nie in Monaco gewesen sei und auch nach ihrem Sieg nie vom monegassischen Fernsehen dahin eingeladen wurde. 

Die Sängerin verdiente sich ihr Geld nach dem sinkenden Interesse an ihrer Person u.a. als Gesangslehrerin und wohnte heute im 18. Pariser Arrondissement am Montmartre. Nach ihrem Sieg musste das monegassische Fernsehen der Europäischen Rundfunkunion erklären, dass eine Austragung im Fürstentum aus Platzgründen nicht realisierbar sei, sodass im Folgejahr wieder einmal die britische BBC einspringen musste.


Die Teilnehmer:
01. - 128 -  Séverine - Un banc, un arbre, une rue

02. - 116 -  Karina - En un mundo nuevo
03. - 100 -  Katja Ebstein - Diese Welt

04. - 098 -  Clodagh Rodgers - Jack in the box
05. - 091 -  Massimo Ranieri - L'amore è un attimo

06. - 085 -  Family Four - Vita ridder
06. - 085 -  Saskia & Serge - De tijd
08. - 084 -  Markku Aro & Koivistolaiset - Tie uuteen päivään
09. - 083 -  Tonicha - Menina do alto da serra
10. - 082 -  Serge Lama - Un jardin sur la terre
11. - 079 -  Angela Farrell - One day love

12. - 078 -  Peter, Sue & Marc - Les illusion de nos vingt ans
13. - 070 -  Monique Melsen - Pomme, pomme, pomme

14. - 068 -  Lily Castel & Jacques Raymond - Goeiemorgen, morgen
14. - 068 -  Krunoslav Slabinac - Tvoj dječak je tužan

16. - 066 -  Marianne Mendt - Musik
17. - 065 -  Hanne Krogh - Lykken er...

18. - 052  Joe Grech - Marija l-Maltija