Sonntag, 17. Mai 2009

Eurovision 2009: Entgegen aller Theorien


Russland - Bei Schlagzeilen wie "Warum mag uns in Europa eigentlich keiner?" und "Sollten wir überhaupt noch mitmachen?" habe ich auch irgendwie jedes Jahr ein Déjà vu. Die große deutsche Boulevardzeitung mit den vier Buchstaben tauscht offenbar lediglich das Bild des jeweiligen deutschen Vertreters aus, der Wortlaut ist zumeist der gleiche.

Ob der 20. Platz für Oscar Loya und Alex Christensen samt Burlesque-Tänzerin Dita von Teese seine Berechtigung hat, mag dahin gestellt sein. Ich hätte auch erwartet, dass man zumindest Nationen wie Rumänien hinter sich lässt, aber die Nörgler, die jedes Jahr kurz vor und kurz nach dem ESC aus ihren Löchern kriechen und dann wieder bis zum nächsten Song Contest verschwinden, sollten sich mal das Gesamtergebnis anschauen.

Nachdem man 2009 wieder eine Jury eingeführt hatte, die immerhin 50% des Stimmanteil eines Landes ausmachte, fallen doch einige Dinge sofort ins Auge. Diese scheinbare Dominanz osteuropäischer Länder ist gebrochen - Armenien, Russland und die Ukraine, jahrelang das Maß aller Dinge krebsen auf Platz 10, 11 und 12 im Ranking. Bosnien, mit einem sehr guten Lied auf Rang 9. Albanien, Kroatien und Rumänien befinden sich in der zweiten Tabellenhälfte. Lediglich Aserbaidschan belegt Platz 3 - hat aber auch ein hervorragendes, eingängiges Lied ins Rennen geschickt und aus diversen Nationen Punkte erhalten. Und das lässt ja darauf schließen, dass auch viele Jurys von dem Lied angetan waren.

Klar, die 12 Punkte von Moldawien an Rumänien und umgekehrt oder der 12er von Zypern an Griechenland, sowie einige Sympathiepunkte im skandinavischen oder Balkanblock gibt es immer. Aber bei 387 Punkten für Alexander Rybak kann man die Schuld allein schlecht auf nordeuropäische Freunde schieben. Der hat so souverän gewonnen wie noch niemand, 16x gab es die volle Punktezahl, neunmal gab es 10 Punkte und 10x acht Punkte. Und auch die Zweitplatzierte, wirklich großartige Isländerin mit ihrem "Is it true?" steht vollkommen zurecht dort oben.

Insgesamt sind die Top 10 wirklich berechtigt. Großbritannien und Frankreich haben mit ruhigen Melodien und großen Namen würdige Ergebnisse eingefahren. Wenn man bedenkt, dass diese Länder in der Vergangenheit mit Saftschubsen und alten Zotteln mit Golfautos ab 2005 regelmäßig im unteren Drittel landeten. Wenn man sich ein bisschen Mühe gibt, kann man auch als Big Four-Land vorne landen. Gut, für unseren Stripteese (war der gut?) und die Nummer aus Spanien konnte man sich in Europa nicht begeistern, aber das Prinzip sollte klar sein.

Und das Griechenland mit Topstar Sakis Rouvas "nur" den siebten Platz belegt hat, spricht ja eigentlich auch für das großartige Niveau der diesjährigen Beiträge. Sakis Rouvas, den viele zuvor bereits als Mitfavoriten angesehen haben, bot eine spektakuläre Show, war allerdings nach eben dieser ziemlich außer Atem. Überholt wurde er von der estnischen Gruppe Urban Symphony mit einem Lied, das man zwar nett und süß fand, aber nicht so weit vorne erwartet hätte.

Ein böses Erwachen gibt es für die maltesische Delegation - Allzweckwaffe Chiara landete sogar noch hinter uns! Einsam und verlassen, punktgleich mit der schwedischen Opernkönigin Malena Ernman auf Rang 22. Ich hätte beides höher eingeschätzt. Der Song Contest ist eben unberechenbar, was er somit wieder einmal unter Beweis gestellt hat. Den letzten Platz der Finnen kann ich übrigens voll und ganz nachvollziehen - waren sie doch nur aufgrund der Jury-Wildcard im Finale. Nach einem stimmlich sehr schlechten Semifinale, kann man über das Erreichen des Finales eigentlich schon froh sein.

Ich bin mit diesem Finalergebnis mehr als zufrieden. Und selbst diesjenigen, die wieder auf den Sieger, den Osten, die Österreicher, die Veranstalter, die deutschen Kandidaten oder den NDR schimpfen, werden im nächsten Jahr wieder einschalten und beim Song Contest, der aller Voraussicht nach in Oslo stattfinden wird.