Europa - Tatsächlich habe ich die sogenannte Post Eurovision Depression bisher recht gut überbrückt, gut zwei Monate ist es nun her, dass Måneskin den ersten italienischen Song Contest-Sieg seit 1990 in Rotterdam perfekt gemacht haben. Und auch mehrere Wochen später sind sie noch gefragt. So traten sie gestern Abend bei "Schlag den Star" auf. Bei T-Online heißt es am Tag danach: "(...) Damit begeisterten sie sowohl das Publikum im Studio, das erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie wieder erlaubt war, als auch die Nutzer auf Twitter. Dort wurde die Band Måneskin regelrecht gehypt. Der Rest war im Netz eher Nebensache."
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Färbt sich jemand die Haare steht dies meist für einen kompletten Neuanfang |
Und so gerät erneut ein Künstler aus dem NDR-Portfolio in den Keller der Vergessenheit. Auch rund um den deutschen Vorentscheid für 2022 ist es wieder einmal still. Während andere westeuropäische Nationen langsam aber sicher ihre Weichen für das kommende Jahr stellen, scheint man in Hamburg aus seinem Scherbenhaufen erneut nicht schlau zu werden. Da wir wohl in den nächsten Wochen und Monaten genauso wenig Informationen erwarten können, wie ein Comeback Marokkos zur Eurovision, blicken wir dieses Mal in die anderen großen Nationen des Wettbewerbs, die schon erste Details für Italien bereit halten.
Da wäre Frankreich, das seinen Vorentscheid "C'est vous qui décidez" wiederbelebt. Die Verantwortlichen von France Télévisions haben bereits das komplette Regelwerk ins Internet gestellt, die Bewerbungsphase läuft bis Ende Oktober. Es ist bemerkenswert, welche Renaissance der Eurovision Song Contest im Land genommen hat, lag man doch mit seinen Beiträgen ebenso wie Deutschland jahrelang daneben. Mit einem vernünftigen Konzept und den richtigen Leuten in den richtigen Positionen hat man es jedoch geschafft, das Interesse für den Wettbewerb zurück zu gewinnen, die Vorentscheidungsquoten bestätigen dies.
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1959 fand das erste Festival von Benidorm statt |
Eine Wiederaufnahme dieses Festivals gilt als wahrscheinlich, RTVE-Direktor José Manuel Pérez Tornero kündigte an, die Eurovision fortan wieder ernst nehmen zu wollen, das Festival von Benidorm als Vorentscheid oder Starthilfe für spanische Künstler könnte hierfür eine quotenstarke Grundlage schaffen. Jahr für Jahr erleben wir bereits, wie ganz Italien am Fernseher klebt um über Tage hinweg das Festival von San Remo zu verfolgen. Von den Vorentscheiden in Skandinavien, vom Dansk Melodi Grand Prix über das Melodifestivalen bis zum mehrstufigen Vorentscheid in Norwegen möchte ich gar nicht erst reden.
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Hätten wir ohne Eesti Laul nie kennen gelernt: "Wo sind die Katzen?" |
Will sagen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland hat es jahrelang versäumt, Musikveranstaltungen mit übergreifenden Stilen zu vermarkten und eine unterhaltsame Konkurrenz zu etablieren. Und ich fürchte auch, dass es schwer wird, ein Format zu entwickeln, das aus dem Stand heraus Menschen jeden Alters und jeder Community anziehen wird. Nüchtern gesprochen heißt dies, dass ein Vorentscheid in Deutschland ohne sensationelle Promotion nie die breite Masse ansprechen wird, solange man ihn mit der existierenden Stiefmütterlichkeit behandelt. Dabei ist es auch nicht gerade förderlich, wenn man immer wieder liest, dass man den Gürtel finanziell enger schnallen muss.
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Die deutschen ESC-Pleiten kann man auch nur mit Essen ertragen |
Nun möchte ich aber nicht das ganze Posting über die deutsche Verschwiegenheit und Planlosigkeit schimpfen, sondern mich eigentlich auf 2022 freuen, in Italien läuft schließlich schon die Vorplanung. 17 Städte, quer durch die Stiefelrepublik verteilt, haben sich bei der RAI beworben, bis Ende August wird die Frage geklärt, ob es Turin, Mailand oder doch ein Außenseiter wird. Auch stellt sich die Frage, wie hoch die Zahl der teilnehmenden Nationen ausfällt, insbesondere in Hinblick auf die Gesprächsrunden zwischen Europäischer Rundfunkunion und dem türkischen Fernsehen TRT, bei dem es in den letzten Tagen allerdings personelle Umstrukturierungen gab.
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Wechsel bei TRT: Sobacı (links) löst Eren (rechts) ab |
2012 in Baku lag es zuletzt an Can Bonomo, die türkischen Farben bei der Eurovision zu vertreten, was Überlieferungen zufolge aber auch nur zustande kam, weil der Wettbewerb im Bruderland Aserbaidschan stattfand. Seit 2013 fehlt "Turkey" auf der Punktetafel. Daneben gibt es noch ein paar weitere Nationen, deren Verbleib bzw. Rückkehr zum Song Contest bisher unsicher ist, dazu gehören Montenegro, Armenien und Ungarn, die 2021 aus verschiedenen Gründen ebenfalls säumig waren. Ein Comeback Weißrusslands können wir bereits ausschließen, die EBU hat eine deutliche Position bezogen und den Sender BTRC aufgrund von staatlicher Zensur und Repression aus der Union geworfen.
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Flog mit "Amen" im Semi raus, Vincent Bueno |