Mittwoch, 20. Mai 2015

Eurovision 2015: Analyse des ersten Semifinals


Österreich - Das erste Semifinale des Eurovision Song Contests in Wien ist nunmehr Geschichte und wie es immer so ist, stürzt sich heute die versammelte Presseschar auf die Ergebnisse. Die detaillierten Einzelwertungen im Sinne der Transparenz, Jury- und Televotingergebnisse werden erst am Sonntag, unmittelbar nach dem Ende des Finales veröffentlicht, es gibt aber schon jetzt einige interessante Fakten, die wir natürlich gern analysieren wollen.
 
Zunächst einmal das bemerkenswerte Opening des Song Contests. Conchita Wurst wurde von den Wiener Philharmonikern begleitet, wie sie "Rise like a phoenix" passabel aber nicht weltbewegend sang. Sie stellte alle 16 Nationen namentlich vor, die sich im Anschluss auf der Bühne versammelten. Ich fand, das war eine hübsche Idee, noch besser als 2013 in Malmö umgesetzt. Der ORF verdient für seine Stadthalle auch zwölf Punkte, wenngleich die Moderatoren etwas latschig daherkamen. Dies ist aber im ersten Semifinale immer der Fall, bis zum Finale tauen die Moderatoren immer etwas auf, wir erinnern uns an letztes Jahr.
 
Für sechs Länder ist der Eurovision Song Contest bereits vorbei, sie können nach ihrem Ausscheiden nicht mehr die Chance wahrnehmen den Wettbewerb ins eigene Land zu holen. Ein Ungleichgewicht von Ost- und Westnationen kann ich, anders als Jan Feddersen nicht ausmachen. Zwar haben sich acht Nationen qualifiziert, die unter der Bezeichnung "Osteuropa" belaufen, es gab allerdings auch nur fünf Nationen aus dem "Westeuropa", das sich in den Köpfen mancher Journalisten festgesetzt hat und davon war eine Finnland.
 
Dass ausgerechnet die Finnen ausgeschieden sind, wirft heute bei den Journalisten Fragen auf. Wurden PKN doch als Geheimfavoriten bezeichnet, weil sie eben "anders" sind. Man muss aber auch festhalten, dass Pertti Kurikan Nimipäivät alles andere als gesungen haben, eher geröchelt und wie in einer Deadmetal-Version geschrieen haben. Das so etwas trotz Handicap nicht funktioniert, dürfte klar sein. Es war eben doch nur 85 Sekunden Lärm, den die Zuschauer kein zweites Mal sehen wollten. Der Stern titelt dabei heute: "Finnland scheitert mit Ausnahme-Band im Halbfinale."
 
Ebenfalls schied Dänemark aus, erstmals seit der Dramaqueen DQ im Jahr 2007. Die Erfolgsgeschichte des Landes ist nunmehr gebrochen, was aber auch darauf zurückzuführen ist, dass der Song einfach von der Stange kam. Es war nichts Besonderes, was Anti Social Media dort vortrugen. In den Proben zeichnete sich bereits ab, dass die Durchschnittsnummer, wie sie oft aus Dänemark kommt, es schwer haben musste. Somit verbleiben für Donnerstag noch Island, Schweden und Norwegen unter den möglichen Qualifikanten aus Skandinavien.
 
Etwas überraschend kam das Ausscheiden für das weißrussische Duo Uzari und Maimuna. Sie steigerten sich im Vorlauf des Semifinals und boten gestern Abend eine ganz passable Gesangsleistung, die Begleitung mit der Geige war ebenfalls toll. Irgendwen muss es aber treffen, gerade deshalb ist der Eurovision Song Contest unberechenbar. Dafür hat es der Große Bruder aus Russland weitergeschafft. Polina Gagarina erhielt vom Publikum Applaus und keine Buhrufe wie die Tolmachevy Twins im Vorjahr. Hierzu später mehr. "A million voices" wurde etwas brustschwach, aber sehr überzeugend dargeboten und ich bin mir fast sicher, dass Russland das Semifinale gewonnen hat. Ein Favorit für Samstagabend!
 
Serbien ist auch weiter, mein Freund und ich hatten wenige Übereinstimmungen an diesem Fernsehabend, doch wir beide hatten Serbien auf der eins. Bojana Stamenov bot die beste Show des Abends, poppig, glitzernd, stimmgewaltig und fröhlich. Das musste ja zünden. Anders als die weichgespülte Nummer aus Mazedonien, das nun abermals im Halbfinale pausieren muss. In Skopje wird sich in den nächsten Tagen bestimmt überlegt, ob man sich den Wettbewerb 2016 noch gönnen möchte, er stand ja bereits in diesem Jahr auf der Kippe. Bleibt abzuwarten, was der Sender MKRTV für eine Bilanz zieht, mit diesem Beitrag musste man aber auch mit dem Rauswurf rechnen.
 
Belgien, das mit Loïc Nottet den Finaleinzug geschafft hat, ist in der Qualifikationsrate aus den Semifinals mit den Niederlanden gleichgezogen. Dreimal haben es beide Nationen jeweils geschafft, Belgien heuer wahrscheinlich nur mit Glück, so optimal hat Loïc nämlich nicht gesungen. Die Show wird aber einiges rausgerissen haben. Anders als bei Trijntje, die eigentlich keine richtige Show bot, sondern sich auf ihre Stimme und ihr Lied verlies. Ihr Gesang war auch durchaus einer der besseren an dem Abend, jedoch war das Lied keine Offenbarung und so schauen sich die Niederländer das Finale ohne eigene Beteiligung an. 
 
Zu Recht ausgeschieden ist Moldawien mit Eduard Romanyuta. Die Show war extrem billig, die Kostüme eine Katastrophe und die Choreographie zu viel für das Lied. Ede hat nicht gut gesungen, er schien auch stets außer Atem. Der geborene Tänzer war der Ukrainer wahrlich nicht und somit fehlt auch der Trash aus Moldawien im Finale. Dafür kamen überraschenderweise die Ungarn mit Boggie weiter. Ich vermute mal, dass Ungarn es nur ganz knapp geschafft hat und wir "Wars for nothing" am Samstag irgendwo um Platz 20 wiederfinden werden.
 
Mehr Erfolg dürften da die beiden diasporageprägten Beiträge aus Rumänien und Armenien gehabt haben. "De la capăt" von Voltaj und "Face the shadow" von Genealogy sprechen vor allem die eigenen Landsleute im Ausland an, die sich wahrscheinlich auch die Finger wund gewählt haben. Es war davon auszugehen, dass es beide schaffen, Rumänien fand ich persönlich jedoch noch einen Tick besser als Armenien. Rumänien, aber auch Russland und Griechenland setzen ihre Tradition somit fort und zählen auch heute noch zu den wenigen Ländern, die sich immer für das Finale qualifizieren konnten. Am Donnerstag dürfte noch Aserbaidschan folgen.
 
Neben Armenien hat sich auch Georgien als zweiter Staat aus dem Kaukasus qualifizieren können und wie ich finde auch zu Recht! Nina Sublatti, bei der es im Vorfeld offenbar Probleme mit ihrer Stimme gab, rockte die Stadthalle zum Schluss und konnte die Apokalypse hinaufbeschwören. Eine starke, düstere Vorstellung, die wir am Samstag wiedersehen dürfen. Weiter ist auch das Duo aus Estland, das sich zwischenzeitlich sehr angewidert in die Augen blickte, als würde Elina Stig gleiche eine reinhauen. Hat dennoch für das Finale gereicht, Estland befindet sich nach einjähriger Finalpause wieder im Aufwind.
 
Zu guter Letzt Albanien, Elhaida Dani hatte ich nicht auf der Liste, alles wirkte mir zu hektisch, zudem sahen die Ohrringe aus wie Schafshoden. Dennoch freue ich mich, dass es Albanien mal wieder ins Finale geschafft hat, seit Rona Nishliu 2012 war dies auch nicht mehr der Fall. Ob sich hinter "I'm alive" ein Geheimfavorit auf die vorderen Plätze versteckt, wage ich allerdings zu bezweifeln. Insgesamt ein bunt gemischtes Semifinalfeld mit recht würdigen Qualifikanten.
 
Nach dem Semifinale fand die Pressekonferenz mit den zehn Kandidaten statt, die Samstag mit dabei sind. Hier wurde ausgelost, dass Armenien, Estland, Serbien und Belgien in der ersten Hälfte starten, Albanien, Rumänien, Russland, Ungarn, Griechenland und Georgien in der zweiten Hälfte. Die genaue Startreihenfolge wird nach dem Bekanntwerden der übrigen zehn Kandidaten vom Donnerstag vom ORF festgelegt, um die Dramaturgie des Finales möglichst abwechslungsreich zu gestalten.
 
Dem ORF muss man abschließend wirklich noch einmal ein großes Dankeschön für eine sauber produzierte Show aussprechen, nicht so optimal waren allerdings die Überbrückung der Votingpause mit Clips österreichischer Anekdoten und vor allem die extrem schnelle Verkündung der Finalisten. Dann soll man lieber zwei, drei Minuten überziehen, aber so lieblos wie die Kandidaten gestern bekannt gegeben wurden, sorgt bei Eurovisionsfans für Herzbluten. Wir brauchen den Nervenkitzel! Insofern hoffe ich das Beste für Donnerstag. 
 
In wenigen Minuten beginnen die zweiten Probedurchläufe der Big Five, Österreich und Australiens. Wir werden natürlich auch hiervon wieder ausführlich berichten, ebenso von den Pressekonferenzen die im Anschluss daran folgen. 

Conchita eröffnet die Show | Die Moderatoren der drei Liveshows
Eduard aus Moldawien und PKN aus Finnland sind bereits ausgeschieden
Keine Geige und keine Hochwasserhosen im Finale, Weißrussland und Dänemark
Dafür strahlende Gesichter bei Serbien | ...und Nina aus Georgien ist auch weiter
Die zehn Finalisten auf der Bühne, Genealogy aus Armenien und Bojana aus Serbien
Griechenland, Estland, Albanien und Georgien auf einem Bild | Team Russland
Elhaida Dani bei der anschließenden PK | Armenien singt in der ersten Hälfte
Polina war ganz ergriffen, im Finale zu stehen | Voltaj singen in der zweiten Hälfte
Maria-Elena Kyriakou für Griechenland | Bojana sieht ein bisschen zerknirscht aus