Aserbaidschan - Während bei der Sendung mit der Maus die Zweitansage noch einmal auf Aserbaidschanisch die Eurovisionswoche abschließt, müssen wir noch einmal das gestrige Finale aus Baku kommentieren und noch einige Dinge zu den beiden Semifinals auflösen. Zunächst einmal zum Ergebnis, Schweden hat ja bekanntlich gewonnen, Loreen erreichte 372 Punkte, holte 18x zwölf Punkte und erhielt mit Ausnahme von Italien aus jedem Land Punkte. Russland auf Platz zwei erhielt im Vergleich übrigens nur 1x 12 Punkte und das aus Weißrussland.
Deutschland mauserte sich mit Roman Lob langsam von den hinteren Rängen bis auf den achten Platz vor. Höchstwertungen gab es zwar keine, dafür aber 5x zehn Punkte, namentlich aus Dänemark, Estland, Ungarn, Irland und Portugal. Deutschland selbst vergab seine zwölf Punkte ebenfalls an Schweden, zehn Punkte an Serbien, acht an die Türkei und sieben an Russland. Sechs Punkte gingen auch von hier an Albanien, die mit dem fünften Platz das bisher beste Ergebnis von Anjeza Shahini aus dem Jahr 2004 einstellen.
Auch für Estland ist der sechste Platz wieder einmal ein toller Erfolg, Ott Lepland erzielte 120 Punkte, dahinter platzierten sich die Türkei, Deutschland sowie Italien und Spanien. Pastora Soler, so finde ich zumindest persönlich, hatte die beeindruckendste Stimme und einen wirklich grandiosen Auftritt hingelegt. Dennoch sind die Top Ten soweit wirklich in Ordnung. Erstaunlich gut hat Litauen mit Platz 14 abgeschnitten. Falls jemand übrigens die Ursache dafür kennt, warum Georgien und Litauen sich in den letzten Jahren beim Song Contest so wunderbar verstehen, möge sich mir bitte mitteilen.
Auf hinteren Mittelfeldplätzen sind u.a. die Ukraine und Griechenland zu finden, Nationen die ansonsten auch immer weiter vorne zu finden waren. Auch in Irland dürfte die Enttäuschung über das Abschneiden von Jedward groß sein, dennoch war eben mit diesem Lied nicht viel mehr möglich, es war um Welten schlechter als "Lipstick". Die Franzosen dürften sich mit ihrem Topstar Anggun auch mehr ausgerechnet haben, wenngleich der Auftritt im Vergleich ziemlich schlecht war.
Am Ende finden sich erstaunlicherweise auch zwei skandinavische Nationen, Dänemark und Norwegen konnten auch in ihren Nachbarländern kaum überzeugen, Tooji beispielsweise kommt lediglich auf sieben Punkte, was einmal mehr den letzten Platz für Norwegen bedeutet. Aber wie sagte Erik Solbakken, der Moderator von 2010 in Oslo schon, in Norwegen werden auch letzte Plätze gefeiert.
In den beiden Halbfinals gab es auch einige interessante Erkenntnisse. Am Dienstag siegten die russischen Omas mit sechs Punkten Vorsprung auf die albanische Sängerin Rona Nishliu. Ungarn rutschte auf Platz zehn gerade noch ins Finale, die Schweiz auf dem elften Platz hatte das Nachsehen. San Marino platzierte sich auf dem 14. Rang, was auch nicht so schlecht ist, vor allem wenn man bedenkt, dass die albanische Jury, die am Dienstag ja allein abgestimmt hat, zehn Punkte dafür vergeben hat.
Auf dem letzten Platz mit acht Punkten bildet Österreich das Schlusslicht, zwei Punkte gab es aus Belgien, einen aus Island und fünf aus der Schweiz. Im zweiten Halbfinale siegte Schweden mit deutlichem Vorsprung auf Serbien. Litauen auf Rang drei ist ebenfalls erstaunlich. Norwegen und Bulgarien teilten sich mit 45 Punkten den grausamen zehnten und elften Platz, zwölf Punkte erhielt keine von beiden Nationen, bei den Zehnern haben sie jeweils eine, die acht Punkte aus Estland haben Norwegen aber schlussendlich ins Finale gerettet.
Im zweiten Halbfinale bilden Slowenien und die Slowakei das Ende der Tabelle. Insbesondere in der Slowakei dürfte es im nächsten Jahr Überlegungen geben, auf die Teilnahme am Wettbewerb zu verzichten. Vier Jahre lang krebst die Slowakei nun bereits im Semifinale herum, mit Ausnahme der Twiins im Vorjahr gab es auch keine nennenswerten Platzierungen im Semifinale. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten natürlich über den Status der Teilnahmebestätigungen berichten, in der Slowakei wird erfahrungsgemäß aber eh noch drei Mal umentschieden, bevor eine endgültige Entscheidung fällt.
Über das Finale selbst gibt es noch zu sagen, dass der Interval-Act mit dem Schwiegersohn von Präsident Aliyev, Emin Ağalarov, ziemlich langatmig war. Die aserbaidschanische Präsidentenfamilie hat sich insgesamt recht breit gemacht, was die Einmischung beim Eurovision Song Contest betrifft. Sei es, dass seine Frau Mehriban die Organisationsleiterin war oder das die für sie eingerichtete VIP-Loge neben den Kommentatorenkabinen nicht ihren Ansprüchen genügte. Die Moderatoren der Show waren meines Erachtens keine gute Wahl, selbst das Voting gestern Abend gestalteten sie eintönig. Auch wenn der Sieg Schwedens früh klar war, hätte man sich noch einige andere Phrasen ausdenken können.
Was mich nahtlos zu Peter Urban führt, der es geschafft hat, über weite Strecken des Eurovision Song Contests in allen drei Shows das gleiche Skript vorzulesen. Mittlerweile dürfte es jeder verstanden haben, dass die Erlöse aus der Erdölförderung auch der Allgemeinheit zu Gute kommen und Aserbaidschan zwischen der Osttürkei, Armenien, Russland, Georgien und dem Iran liegt. Vielleicht ist es mittlerweile nicht nur für Ralph Siegel an der Zeit abzudanken, sondern auch für Peter Urban, Die siegel'schen Beiträge haben immerhin einen deutlich größeren Unterhaltungswert als die von Urban.
Positiv anzumerken und damit eine der wenigen, die während der Shows Akzente gesetzt haben, ist Anke Engelke. Sie prägte den bedeutsamen Spruch: "Tonight, nobody could vote for their own country, but it is good to be able to vote and it is good to have a choice. Good luck on your journey, Azerbaijan. Europe is watching you." Das hat doch wirklich einen höheren Stellenwert als dieses ewige Bedanken für eine tolle Show. Lustig zudem Sarah Dawn Finer aus Schweden, die ihren Gag aus dem Melodifestivalen wiederholt hat und sich bewusst mit der Aussprache Aserbaidschans verhaspelte.
Bei der Punktevergabe gab es einige alte Bekannte, Dmitry Koldun las für Weißrussland vor, Paula Seling für Rumänien, Getter Jaani für Estland, Safura für Aserbaidschan und Amaury Vassili für Frankreich. Eine Panne beim Voting gab es auch, Irland wurde dem Algorithmus basierend auf dem Juryvoting als 32. Land ausgelost, offenbar gab es aber Verbindungsprobleme mit Dublin, sodass Irland als letzte Nation Punkte vergab. Der Eurovision Song Contest wurde in über 50 Länder übertragen, erstmals dabei waren auch Elmar Osmonov und Aibek Akmatov, Kommentatoren vom kirgisischen Fernsehen OTRK aus Bischkek.
Zu den Beiträgen selbst gibt es heute, nachdem wir sie alle mehrfach gesehen haben und zwei Wochen über die Proben berichtet wurde, weniger zu sagen. Loreen, die sich im Juryfinale am Schnee verschluckt hatte, überzeugte Juroren, Zuschauer und das Publikum in der Halle, die Fans hatten sie ja ohnehin schon nach ihrem Sieg beim Melodifestivalen als Favoritin auserkoren. Italiens Nina Zilli enttäuscht ein bisschen, professionell war sie, aber irgendwie fehlte dann doch der letzte Pfiffe. Die BBC wird sich fragen müssen, ob nur die frühe Startnummer am Scheitern von Engelbert Schuld war oder ob der Beitrag wirklich für Europas Ohren zu schnulzig und altbacken klang und Frankreich muss sich in Zukunft auch mal wieder etwas Originelles überlegen und keine Kopie von einer Kopie.
Zum Abschluss bleibt nur noch dem Gastgeber Aserbaidschan für diese Ausrichtung zu danken, am Fernseher kamen alle Shows ausgesprochen professionell organisiert rüber, auch wenn die Moderatoren weder dem Englischen noch dem Französischen mächtig waren und es hier und da mal Tonprobleme gab. Das Land hat gezeigt, dass man trotz aller Vorurteile auch den größten Musikwettbewerb der Welt gut organisiert ausrichten kann.
Die Journalisten und Fans reisen in den nächsten Stunden und Tagen wieder in ihre Heimatländer zurück und treffen sich in gut einem Jahr in Schweden. Das Hauptaugenmerk wird von Aserbaidschan abrücken, die demokratischen Reformen und die Verstöße gegen Pressefreiheit und Menschenrechte werden Europa nicht mehr so sehr beschäftigen, wie im Vorfeld des Contests und alles wird wohl in Baku wieder seinen ursprünglichen Zustand annehmen. Wir werden natürlich auch in der Zwischenzeit über alle Ereignisse rund um den Eurovision Song Contest berichten, wenngleich jetzt erst einmal die PED eintritt, die Post-Eurovision-Depression. Sağ olun Azərbaycan!
PS: Der Eurovision Song Contest wurde gestern von 8,29 Millionen Menschen gesehen. Während Düsseldorf, primär wegen der Ausrichtung im eigenen Land auf 13,89 Millionen kam, büßte der Wettbewerb in diesem Jahr Zuschauer ein. Der Marktanteil lag dennoch bei 36,6%, ebenefalls ein Minus von 14%. Der Spiegel meldet heute zudem noch, dass die Zusammenarbeit von ARD und ProSieben als unwahrscheinlich gilt, eine Entscheidung aber noch nicht getroffen wurde. Es gebe bei der ARD aber scheinbar schon mehrere neue VE-Modelle, welche mit Beteiligung von Brainpool bzw. Stefan Raab und ohne. In den nächsten Wochen erfahren wir diesbezüglich mehr.
Die Moderatoren des 57. ESC | Überraschend gut platziert: Rona Nishliu |
Zweiter Platz, letzter Platz: Russland und Norwegen |
Gastgeber Aserbaidschan | Pastora Soler, m.M.n. der beste Auftritt gestern Abend |
Untergegangen: Jedward aus Irland | Platz drei für Zeljkos letzte ESC-Teilnahme |
Kaliopi aus Mazedonien und Gaitana aus der Ukraine: im Mittelfeld |
Die strahlenden Sieger: Loreen bringt den ESC nach 12 Jahren zurück nach Schweden |