"Angst vor der Ost-Mafia? Quatsch, ich verbünde
mich mit ihr."
Carolin
Fortenbacher hat am 6. März bei der deutschen Vorentscheidung im Hamburger
Schauspielhaus gewissermaßen ein Heimspiel - die 43jährige ist gebürtige
Hamburgerin. Seit über 20 Jahren ist sie auf den Musical-Bühnen des Landes
vertreten, spielte die Eva Peron in "Evita", die Anita in "West
Side Story" - aber von sich reden machte sie vor allem als Donna im
"Mamma Mia"-Musical, in dem sie die größten Hits der Kultband ABBA auf
deutsch und englisch interpretierte. 2005 brachte sie bei einem kleinen Plattenlabel ihr bisher einziges Album raus. Auf "Zurück zu mir" finden sich auch Eigenkompositionen sowie Arbeiten von Pe Werner ("Kribbeln im Bauch"). 2006 tourte Carolin Fortenbacher mit der "Best of Musical"-Show durchs Land.
Andreas Lamann hat sich mit ihr zum Exklusiv-Interview verabredet. Am Tag vor der offiziellen Pressekonferenz des Norddeutschen Rundfunks (NDR) redet die sympathische Vollblutmusikerin 30 Minuten lang sympathisch drauf los, empfängt nebenbei noch ihre Eltern zum Kaffee-Besuch, lacht ungeniert auch über sich selbst und gesteht ganz nebenbei, dass sie eigentlich mit einem Magen-Darm-Virus das Bett hüten muss. Ein Interview mit Familienanschluss - über Polen, Pink und Prag.
Frau Fortenbacher, was machen Sie am 24. Mai?
Hoffentlich in Belgrad sein... Ich werde tagsüber ganz furchtbar nervös sein, weil ich ja abends mein Land beim Grand Prix vertrete. (lacht)
Sie gewinnen also die deutsche Vorentscheidung?
Das weiß ich nicht. Aber ich bin überzeugt von mir und meinem Lied und glaube an meine Chance.
Wie kam es denn dazu, dass Sie für die Vorentscheidung gemeldet haben?
Das kam, weil der NDR bei meiner Plattenfirma angerufen hat. Ich war zu dem Zeitpunkt im Studio und hab mit meinem Produzenten besprochen, wie ich mir mein Solo-Album vorstelle. Die Anfrage des NDR passte also wie die Faust aufs Auge. Und ich habe sofort zugesagt, wirklich.
Nicht erst überlegt?
Nee. Weil ich sofort begeistert war von der Idee. Ich liebe große Bühnen, große Shows - und der Grand Prix und schon die deutsche Vorentscheidung sind eben die ganz großen Plattformen, um mich und meine Musik zu präsentieren. Außerdem wollte ich nicht schon wieder absagen... Ich war schon im letzten Jahr im Gespräch, hatte eine Anfrage vom NDR. Aber damals war ich nicht soweit. Ich hatte kein Lied, mit dem ich 100% zufrieden war. Aber jetzt hat zufälligerweise alles gepasst.
Ihr Titel "Hinterm Ozean", den Sie am 6. März zu Gehör bringen, ist also nicht speziell auf den Grand Prix zugeschnitten?
Genau. Es war so, dass Pe Werner mir Songs zugeschickt hat, die ich mir auf meinem Laptop angehört habe. Und da war eben dieses eine Lied dabei, dass mich sofort umgehauen hat. Und dann hab ich Pe angerufen und gesagt, dass wir das machen, dass das mein Grand Prix-Lied wird.
Wie hat sie reagiert?
War mir egal. Wenn ich Pe sage, dass wir das tun, dann tun wir das. (lacht) Im Ernst, Pe und ich kennen uns richtig gut. Wir haben vollstes Vertrauen zueinander, weil wir unsere Arbeiten gegenseitig schätzen.
Aber eine Künstlerin wie Pe Werner stand bislang auch immer im Verdacht, dem Grand Prix mindestens nicht gewogen zu sein.
Stimmt, aber das ist ja gerade das Spannende. Ich habe auch überlegt, ob Pe´s Musik und ihre wunderschönen Texte dorthin passen - aber warum nicht? Und mittlerweile ist sie begeistert von der Idee.
Spricht für sie.
Absolut. Das zeigt, welch große Persönlichkeit sie ist. Sie weiß, wann es Zeit ist, abzugeben. Und sie hat mir ein ganz tolles Lied gegeben. (lacht)
Über das wir gleich gerne sprechen... aber vorher würde ich noch gerne von Ihnen wissen, wie Musical und Grand Prix zusammenpassen, wo es Schnittmengen gibt - und wo diese beiden Sachen sich ganz klar voneinander unterscheiden.
Da sind wir wieder bei den großen Bühnen: ich liebe sowas. Eine große Show, viel Drama, viel Glamour. Ich bin ja eine kleine Drama-Queen. (lacht) Außerdem haben sowohl Musicals als auch der Grand Prix ein schwules Publikum. Ein schwules Publikum hört besser zu - das ist so. (Pause) Oh, Moment, mein Handy klingelt.
Interessanter Klingelton.
Nicht wahr? Das sind Kirchenglocken.
Die Glocken von Rom?
Die Glocken von Carolin. Die lasse ich in Belgrad läuten. (lacht) Entschuldigung, wie war nochmal die letzte Frage?
Die Frage war, wo sich Musicals vom Grand Prix unterscheiden.
Eigentlich gar nicht so sehr. Für mich jedenfalls nicht. Ich stehe bei beiden Sachen auf der Bühne und tue das, was ich fühle und ich tue es gerne. Ich bin auf allen Bühnen ganz ich selber, ehrlich, authentisch. (kurze Pause) Wenn es da nicht läuft und ich fiese Kritiken kriege, kann ich immer behaupten, dass der Regisseur schuld ist, weil der gesagt hat, dass ich so komisch spielen soll. (lacht)
Und jetzt singen Sie also eigene Sachen, keine fremden Musical-Produktionen mehr. Sind Sie auch ein Stück weit erleichtert, dass Sie aus dieser Ecke rauskommen?
Ich bin zumindest froh, dass ich eine schöne Plattform bekomme, mein eigenes Ding durchzuziehen. Das ist natürlich was anderes und das ist auch sehr aufregend für mich. Aber ich habe nichts zu verlieren, mich kennt ja sowieso niemand. (lacht)
In der Tat dürften Sie nicht so viele Fans auf sich vereinigen können wie die No Angels beispielsweise.
Das macht nichts. Entscheidend ist, wer am 6. März anruft und nicht, wer im Vorfeld sagt, dass er die meisten Fans hat. Ich versuche, jeden anszuprechen mit meiner Musik und dann sehe ich, was am Ende dabei herauskommt. Wie gesagt: ich habe nichts zu verlieren.
Dann kommen wir mal zu ihrem Lied - "Hinterm Ozean" heißt es, das Album "Drama" kommt am 7. März auf den Markt.
Ganz schön clever, am 6. März noch Werbung dafür machen zu können, oder? (lacht) "Hinterm Ozean" ist eine Pop-Ballade deutscher Zunge, die von der Sehnsucht nach einer großen Liebe handelt, die hinterm Ozean ist. Sehr opulent. Das ganze Album ist mit Orchestern eingespielt worden. Mir gefällt sowas.
Schade, dass es beim Grand Prix keine Orchester mehr gibt, oder?
Schon, ja. Ich hab mir die letzten Tage über krankheitsbedingt ganz viele alte Aufnahmen von früheren Contests angeschaut - und so ein Orchester bringt doch gleich ein ganz anderes Flair in die Veranstaltung. Aber ich mache es eben zur Not auch ohne Orchester. Ich bin da nicht so.
Würden Sie Sich als Grand Prix-Fan bezeichnen?
Nein, sicher nicht. Dafür weiß ich viel zu wenig darüber. Aber ich hab es immer verfolgt - klar, ich bin ja Sängerin. Ich musste zwar nicht unbedingt zwingend zu Hause sein, wenn die Show lief, aber die letzten Jahre passte es zeitlich immer. Und ich war schon früher total vom Grand Prix begeistert und habe mit all unseren deutschen Vertretern mitgefiebert. Das ist ja Pflicht.
Was ist besonders in Erinnerung geblieben?
Joy Flemings Brücken-Lied. Das find ich sensationell. Die singt ja alles in Grund und Boden. Wow! Stefan Raab und Guildo Horn... damals hab ich gedacht, dass sowas nicht zum Grand Prix gehört.
Denken Sie das immer noch?
Nein - ich finde Stefan Raab sehr gut. Und jeder Show tun solche Ausflüge auch ganz gut. Und Texas Lightning fand ich toll - das ist doch ein Lied für die Ewigkeit. Ganz klasse Musik.
Texas Lightning und Roger Cicero, zwei qualitativ hochwertige Beiträge, sind aber beide gescheitert.
Und ich fand auch so toll, was Roger gemacht hat. Naja, schade, dass es so gelaufen ist. Aber ich finde nicht, dass beide gescheitert sind. Sie hatten einen tollen Auftritt und haben viel Lob bekommen für das, was sie gemacht haben. Dass sich das nicht in Punkten ausgedrückt hat, ist halt schade.
Und schuld soll der Osten gewesen. Angst vor der sogenannten Ost-Mafia?
Quatsch. Ich verbünde mich mit ihr. Ich kenn mich mit dem Osten bestens aus, ich war mit einem Polen verheiratet. Wenn mich das nicht für den Grand Prix qualifiziert, was dann? (lacht)
Carolin Fortenbacher verweist also den Osten in die Schranken?
Also, im Ernst: ich stehe seit über 20 Jahren auf der Bühne und weiß, was ich tue. Wär doch schön, wenn sich der Mazedonier denkt: "Warum sollte ich für die Serbin anrufen, wenn ich die Fortenbacher wählen kann?" Klar hat es beim Grand Prix immer Freundschaftspunkte gegeben und das wurde zuletzt sehr deutlich - aber ich glaube daran, dass sich gute Qualität am Ende immer durchsetzt. Insofern find ich die ganze Diskussion darum beknackt.
Welche Musik hören Sie privat?
Im Moment höre ich viel mein eigenes Album, die momentane Fassung - einfach, um zu hören, was man noch verbessern könnte. Meine 13jährige Tocher hört Nelly Furtado - die find ich auch klasse. Ich hab bei Musik keine Berührungsängste.
Haben Sie Vorbilder?
Bette Midler und Barbra Streisand - super. Aus der aktuellen Musikszene find ich Pink grandios. Es gibt auch viele deutsche Sachen, die ich gut finde. Juliane Werdings neuestes Album wurde mir empfohlen, da werd ich reinhören.
Wie ist denn Ihre Meinung zu Ihren Mitbewerbern im Kampf um das Belgrad-Ticket?
Zunächst mal find ich es ganz toll, dass dem Publikum so eine musikalische Vielfalt geboten wird. Da sind 5 unterschiedliche Stile am Start - das macht mir jetzt schon richtig Spaß.Und ich freu mich darauf, auf der NDR-Pressekonferenz alle Titel hören zu können.
Kennen Sie ihre Mitbewerber denn schon?
Persönlich kenne ich niemanden von denen. Aber die No Angels sind natürlich sehr gut, ich hab damals auch die "Popstars"-Staffel verfolgt. Und ich finde es schön, dass sie den Sprung von der Casting-Show weg geschafft haben. Marquess ist eine sehr fröhliche Truppe, denk ich mir mal. Das ist alles sehr frisch. Tommy Reeve ist so super, ich hab seine letzte Single hier. Und Cinema Bizarre ist... Cinema Bizarre.
Nicht ihre Welt?
Tokio Hotel ist mir lieber - das ist gute Musik.
Wen wählen Sie?
Tommy Reeve. Meine 13jährige Tocher hat mich auch schon gefragt, ob ich ihr sehr böse bin, wenn sie für Tommy Reeve abstimmt.
Ich bedanke mich für das Interview - und dass sie noch vor der NDR-Pressekonferenz Zeit dafür hatten.
Hat mir Spaß gemacht.
Viel Erfolg in Hamburg!
Danke - ich werde einfach gute Laune haben, dann klappt das!