Montag, 14. Mai 2007

The same procedure as last year


Deutschland - Auch in diesem Jahr möchte ich einer alten Tradition folgen und über die Meinung der BILD schreiben.

Ja.. es wäre langweilig in Deutschland, wenn nicht jedes Jahr, irgendwann im Mai die Schlagzeile auftauchen würde, dass wir keine Freunde mehr in Europa haben und ja eh alles nur noch Lug und Betrug beim Grand Prix ist, Osteuropa fies, gemein ist und sich selbst die Punkte zuschiebt, ein fairer Wettbewerb sei nicht mehr möglich. 

Okay, zugegeben, in diesem Jahr fielen die Stimmen der Länder, die man bis Ende der 80er Jahre "Ostblock" nannte, sehr viel mehr ins Gewicht als in den letzten Jahren, neun osteuropäische Staaten erreichten das Finale und acht konnten sich im Finale in den Top 10 platzieren. Dennoch scheint die Bild auch in diesem Jahr wieder etwas falsch zu verstehen.

Natürlich geschrieben von Existenzenvernichter und nachweisbarem Lügenschreiber Mark Pittelkau und Peter Müller. Korrektur und Kommentare in Rot:

Schlagerstar Nicole: Stoppt endlich den Schummel-Grand-Prix!

Helsinki - Was für eine herbe Enttäuschung! 7,38 Millionen TV-Zuschauer schalteten am Samstagabend* beim "Eurovision Song Contest" ein - und waren empört über die unverdiente Punkte-Pleite von Roger Cicero (36)
(Soweit richtig)

Hunderte Briefe verärgerter Leser gingen bei BILD ein.
Ich würde mich eher beim NDR beschweren und meinem Ärger Luft machen, anstatt mich einem Unterschichten-Blatt darüber auszulassen. Außerdem... wer schreibt heute noch Briefe?

• "Früher haben sich die Ostblockländer gegenseitig gehasst, jetzt schieben sie sich die Punkte zu. das ist wirklich das Allerletzte", schrieb einer.
1. - "Einer" hat bestimmt auch einen Namen, die BILD nennt ja sonst auch jeden bei vollem Namen und 2. hinkt der Vergleich zwischen Bürgerkrieg in Jugoslawien und Musikkultur auf dem Balkan ein wenig. Das sich andere Länder früher "gehasst" haben, ist mir nicht bekannt.

• Ein anderer: "Und dafür zahlen wir auch noch."
"Die" aber auch ;-)

Warum die Aufregung? Unser Swing-Sänger belegte mit "Frauen regier'n die Welt" trotz Super-Show nur einen kläglichen 19. Platz - von 24 Teilnehmern! Es gewann Marija Serifovic (22) aus Serbien ("Molitva").

Macht uns die Stimmen-Mafia aus dem Osten den Grand Prix kaputt.

Es ist beschämend auffällig: Bis auf die Türkei und Griechenland landeten auf den Plätzen 1 bis 16 nur Teilnehmer aus ehemaligen sozialistischen Ländern. Die hohen Punktezahlen schacherten sich die Osteuropäer gegenseitig zu (s. Tabelle).

Jetzt spricht Schlagerstar Nicole (42) Klartext! Sie gewann 1982 mit "Ein bisschen Frieden" den Wettbewerb - und fordert: Stoppt endlich den Schummel-Grand-Prix!

"Ich bin zutiefst erschüttert über das Ergebnis der Abstimmung", wettert Nicole in BILD. "Das ist das endgültige Zeichen, dass wir Deutschen beim Grand Prix überhaupt keine Chance mehr haben."
First of all: Schön, dass Nicole sich die Zeit genommen hat und gegenüber der BILD vom Song Contest spricht. Man hatte ja so seine Zweifel, ob sie überhaupt noch Interesse am Contest hat, nachdem sie ja den Vorentscheid 2006 hat sausen lassen, um Pizza essen zu gehen.

Ein Sieg sei schon rein rechnerisch nicht mehr möglich, da immer mehr Ostländer teilnähmen: "Es ist offensichtlich, dass sich die osteuropäischen Länder von Jahr zu Jahr gegenseitig die Punkte zuschanzen."Stimmt! Ein Sieg eines westeuropäischen Landes ist gänzlich ausgeschlossen. Deshalb konnten Helena Paparizou aus Griechenland und Lordi aus Finnland in den letzten beiden Jahren nicht gewinnen.

Nicole fordert deshalb drastische Konsequenzen - unseren kompletten Rücktritt vom Grand Prix! (...den folgenden Blödsinn schenke ich mir jetzt)

Auch Grand-Prix-Urgestein Ralph Siegel (61) hat einen Vorschlag: "Zwei Halbfinal-Runden für West- und Osteuropa. Außerdem wäre es hilfreich, die Songs zur Hälfte vom Publikum, zur Hälfte von einer Jury bewerten zu lassen."
Schon mal ein ansatzweise guter Vorschlag im Gegensatz zu seinen Vorrednerinnen Corinna May und Lou.

Wie sieht man das Punkte-Desaster an offizieller Stelle?

"Die Osteuropäer stimmen nicht nur aus ihren eigenen Ländern für ihre Nachbarn ab, sondern auch sehr intensiv als Zuwanderer aus westlichen Staaten", sagt der deutsche Delegationsleiter Manfred Witt (55). "Es ist an der Zeit, ein neues Abstimmungssystem zu diskutieren."
Man berät sowieso schon, das Konzept zu ändern.

Empfohlen wird auch der entsprechende Bildblog-Eintrag. Natürlich ist das Ergebnis sehr verfälscht worden und klar, es ist auch enttäuschend für sämtliche Nationen die sich schlecht platzieren. Ja, es muss sich wirklich etwas ändern, aber wieso wird wieder mit so einem Artikel versucht, die Meinungen der Leser dahingehend zu manipulieren?


*Im Schnitt erreichte die Übertragung des Musikwettbewerbs aus Helsinki 7,38 Millionen Fernsehzuschauer ab drei Jahren sowie einen Marktanteil von 29,9 Prozent beim Gesamtpublikum. (Quotenmeter.de)