Schweden - "Eurovision Song Contest, die Zweite" hieß es gestern im Semifinale von Stockholm. Die schwedischen Gastgeber ließen es sich nicht nehmen, das Opening selbst zu gestalten und so schickte man Petra Mede und Måns Zelmerlöw als Musicaldarsteller auf die Bühne. Ein gelungenes Intro, dass dem Text zufolge den nationalen Rundfunk bankrott macht. Geliefert wurde dabei u.a. auch eine Riverdance-Tanzeinlage, die an den erfolgreichsten Interval in der Song Contest-Geschichte erinnern sollte.
Der diesjährige Interval dagegen nannte sich "Man vs. Machine" und war eine Tanzchoreographie von drei Tänzern, die gegen drei, aus Rohren bestehende Roboter antraten und sich tänzerisch duellierten. Die Roboter sahen ein bisschen aus wie "No. 5" aus den gleichnamigen Filmen. Europe hatten heute keinen Auftritt. Dafür hielt sich das Opening insbesondere bei der französischen Sprache zurück. Lediglich die Votingprozedur wurde später auf Französisch verlesen. Gefehlt hat es aber wirklich nicht, mal sehen wie das bei der Punktevergabe morgen wird.
In der Halbzeitpause führen Måns und Petra wieder das "Eurovision Taxi", eine Comedy-Einlage, bei der ahnungslose Fans durch Stockholm gefahren wurden. Am Dienstag stieg Verka Serduchka zu, gestern war es Mr. Lordi. Witzig gemacht, ich warte dennoch auf Lynda Woodruff. Peter Urban fand das alles witzig, disqualifizierte sich aber leider wieder mit manchen Sprüchen, u.a. das Lettlands Finaleinzug eine Überraschung wäre. Dabei galt Justs als Fanliebling, auch wenn er das Los der ersten Startnummer gezogen hatte. Es gab nichts auszusetzen und auch ich kann mich so langsam mit ihm anfreunden. Lettland ist auch im Finale und damit nach den Pleiten der letzten Jahre wieder zurück im Geschäft.
Ebenso Polen, das sich mit Michał Szpak zum dritten Mal in Folge für die Endrunde qualifiziert hat. Der Beitrag war vielleicht der klassischste und typischste Eurovisionsbeitrag im Feld, sehr 90er und sehr elegant, fast schon andächtig sang er da über die "Color of your life" und bewies, dass es keine Margaret brauchte, um ins Finale einzuziehen. Die zweite Margaret, nämlich die Kopie der norwegischen Sängerin von 2013, Agnete, schied im Semifinale aus. Die von Depressionen geplagte Sängerin nahm außerhalb ihrer Proben keinen einzigen Termin in Stockholm wahr, vielleicht hat sich das herumgesprochen? Außerdem war es eben doch keine gute Idee, zwei Lieder in eins zu packen und zu hoffen, dass Europa dieser Tempowechsel gefällt.
Norwegen ist, ähnlich wie die mitleiderregende Nummer aus Dänemark draußen. Somit ist neben dem Gastgeber kein einziges skandinavisches Land mehr am Start. Dafür qualifizierte sich jenseits der Ostsee noch Litauen mit Donny Montell überraschend für das Finale. Mit seinem Salto durch die Nebelmaschine und dem Kostümwechsel trotz Undercut gewann er wohl insbesondere im benachbarten Lettland, Polen und im litauenfreundlichen Irland Sympathiestimmen. Der Ire, Westlife-Sänger Nicky Byrne übrigens, schied ob seiner gnadenlos an Raphael van der Vaart erinnernden Stimme, aus. "Sunlight" als Lied war gut, der Rest mäßig. Viel Erfolg auf der weiteren Reise, liebes Irland, vielleicht nächstes Jahr mit einem guten Gesamtpaket.
Ebenfalls vom Pech verfolgt, aber auch selbst dran Schuld, ist die Schweiz. Rykka mit ihrer blaugrauen Großmutterfrisur, ihrem transparenten Cape und dem Barfußauftritt konnten da nix retten. Seltsam anmutend waren auch die Bewegungen, sie bückte sich immer nach vorne, als ob das Abendessen schlecht war. Ich wäre nicht erstaunt, wenn die Schweiz abermals als Letztes vom Platz geht, die Ergebnistabellen der EBU werden morgen Nacht veröffentlicht und Aufschluss geben. Sie werden auch klären, woran es bei Kaliopi aus Mazedonien gehapert hat. Trotz ihres Kreideschreis am Ende der Performance, den sie sich in den Proben immer aufgespart hat und dem hohen Sympathiefaktor, reichte es nicht für den einzigen Titel in Landessprache des Abends.
Mazedoniens letzte Qualifikation datiert somit aus dem Jahr 2012, ebenfalls durch Kaliopi. Noch länger auf den Finaleinzug mussten allerdings die Bulgaren warten. Es brauchte die super Performance von Poli Genova mit ihrem gummiartigen LED-Kleid, um das Finale zu erreichen. Sie rächte sich für 2011, als sie in Düsseldorf rausflog. Etwas Nervosität merkte man ihr an, aber nach der Show ging bei ihr deutlich die Post ab, auch auf der Pressekonferenz. Auch die guten Freunde aus Serbien und Israel qualifizierten sich, wenig überraschend und beide mit überzeugenden Leistungen. Sanja sah dabei ein bisschen aus, wie Nina Sublatti, die die "Molitva"-Performance noch einmal aufarbeitet.
Ebenso faszinierend war der Auftritt von Jamala aus der Ukraine. "1944" trieb ihr selbst fast die Tränen in die Augen, einerseits war es etwas verstörend, andererseits war es eine großartige Leistung von ihr, die meines Erachtens das Semifinale auch gewonnen hat. Oder Australien, dass sich nun in den Kreis der Nationen einreiht, die eine 100%ige Finalquote haben, bei einer Semifinalteilnahme ist das aber auch keine große Leistung. Dafür hat Dami aber eine wunderbare, glitzernde Performance hingelegt, nur die Animationen hätte es nicht gebraucht, das hat sie auch immer noch nicht richtig auf die Reihe gekriegt.
Zu viel Animation muss auch nicht unbedingt gut sein, wie Ivan aus Weißrussland zeigte. Trotz seiner Wölfe, ihm selbst als Gitarristen oder Schlagzeuger oder dem watschelnden Baby, gelang es den Weißrussen nicht, ihre Erfolge in Skandinavien fortzusetzen. Und auch Slowenien ist nach zweijähriger Finalteilnahme nicht mit dabei, wenngleich ManuElla mich positiv überrascht hat. Ob der Turner einiges zerstört hat? In meiner Kommentarzeile schrieb ich "Shania Twain als geschnürter Schinken", etwas zynisch und böse, aber das traf ihr Kleid recht gut. Schade, dann klappt's wieder beim nächsten Versuch.
Überraschenderweise zogen auch die Georgier ins Finale ein. Nika Kocharov und seine Lolitaz waren bei den wilden Kamerafahren, den Schwarz-Weiß-Wechseln, dem bunten Rauch und den wirren Scheinwerferbeleuchtungen kaum zu erkennen, das war wirklich ein gelebter Rausch am Fernseher. Trotzdem hat auch dies seine Fans, vermutlich sitzen diese, wie jedes Jahr in Litauen und der Ukraine. Als Letzte ging noch die kleine Belgierin Laura Tesoro ins Rennen, die mit ihrem Discolied gute Stimmung zum Schluss machte und dafür auch belohnt wurde, stimmlich kann sie noch etwas draufpacken, aber bis Samstagabend ist ja auch noch etwas Zeit.
...und dann ist da noch Albanien. Ich muss wirklich schimpfen mit dem albanischen Team, nicht nur weil das Lied auf Englisch eine Katastrophe ist und das Arrangement komplett verhunzt wurde, sondern weil man Eneda Tarifa so viel Gold auf die Bühne gekarrt hatte, dass einem schlecht wurde. Goldenes Kleid, das sie vollkommen regungslos machte, wie paralysiert stand sie dort, festgewachsen auf einem goldenen Stern, der sich ebenfalls nicht bewegte, nicht glitzerte, sondern einfach nur da war. Es hatte nichts mehr von dem Knallerlied, dass nach Weihnachten den albanischen Vorentscheid gewann. Und somit ist Albanien auch zurecht draußen.
Soweit die Aufarbeitung vom gestrigen Semifinale. Heute proben noch einmal die Big Five und die Schweden, anschließend gibt die European Broadcasting Union eine Pressekonferenz bezüglich des Junior-Ablegers und um 21 Uhr findet dann unter echten Bedingungen die zweite Generalprobe und somit das Juryfinale statt. Dann geben die Juroren aller Nationen ihre Wertungen ab, die morgen in der Liveshow verlesen werden. Eine Liste aller Spokespersons liefern wir in Kürze nach.
Was noch auffällt, wenn man sich das Finalfeld so anschaut, nicht nur der skandinavische Block und der Balkan sind stark reduziert. Mitteleuropa ist stark vertreten. Sowohl beide Benelux-Länder die teilnehmen, als auch Österreich, Ungarn, Tschechien und Polen sind in der Endrunde, vor ein paar Jahren noch war es eine Überraschung, wenn es überhaupt eines dieser Länder ins Finale geschafft hat. Zeiten ändern sich, auch beim Eurovision Song Contest.
Eröffnet wurde das Halbfinale als Musical |
Justs musste die Show eröffnen | Für Rykka und die Schweiz ist bereits Schluss |
Hovi darf im Finale noch einmal glitzern | Ivan und seine Wölfe müssen dafür heim |
Hätte beide gern im Finale gehabt: Nicky Byrne aus Irland und Kaliopi aus Mazedonien |
Australien ist mit dabei, Slowenien nach zwei Jahren im Finale mal nicht |
Bulgarien erstmals seit 2007 wieder | Norwegen muss dafür die Heimreise antreten |
Belgien on stage und im Greenroom |
Gespannte Stimmung im australischen Lager und bei Kaliopi |
Banges Warten während des Interval-Acts |
Der erste Finalist: Lettland | Poli bringt Bulgarien ins Finale |
Serbien und Polen sind auch weiter |
Alle Sieger noch einmal auf der Bühne |
Georgien ist die Überraschung des Abends, die Show war aber auch gut |
Jamala erhält Blumenschmuck, Dami einen Startplatz in der ersten Hälfte |
Beste Freunde, Hovi und Sanja | Polen startet auch in der ersten Hälfte |