Schweiz - Céline Dion war es zu verdanken, dass der Eurovision Song Contest 1989 nach 33 Jahren wieder dorthin zurückkehrte, wo er seinen Ursprung hatte, nämlich in der Schweiz. Und schon im Eröffnungsclip ließ das Schweizer Fernsehen mit einem klischeebehafteten Video deutlich werden, wo man sich befindet, nämlich im Land von Bergen, Kühen und Käse. Ein kleines Mädchen präsentierte als Heidi die Schönheiten der Schweiz und mit sieben Minuten auch das längste Intro-Video der Song Contest-Geschichte. Auch das Logo des Wettbewerbs war an eine der bekanntesten Schweizer Kulissen angelehnt, nämlich das Matterhorn, bekannt u.a. aus Touristenwerbungen und von Toblerone-Verpackungen.
Austragungsort war das Palais de Beaulieu in Lausanne am Genfer See im Kanton Waadt. Mit der Rückkehr von Zypern waren wieder 22 Nationen gemeldet, Rückzüge gab es in diesem Jahr keine. Moderiert wurde die Show von Jacques Deschenaux und Lolita Moreno. Letztere wurde 1982 zur Miss Switzerland gekürt und arbeitete später als TV-Moderatorin. Hierzulande wurde sie 1992 durch eine Beziehung mit Fußball-Profi Lothar Matthäus bekannt, die Ehe wurde jedoch 1999 wieder geschieden. Lolita präsentierte sich in einem äußerst kleidsamen wie beeindruckenden Stehkragen-Kostüm an der Seite eines ergrauten Sportkommentators und bezauberte durch ausgeprägte Fremdsprachenkenntnisse.
So konnte sie u.a. Italien als ersten Act des Abends ankündigen, vertreten durch die San Remo-Gewinner Anna Oxa und Fausto Leali mit "Avrei voluto". Das Lied erwies sich bei den Jurys als Spätzünder, erst im letzten Drittel trudelten die Punkte ein und hievten den rauchigen Italo-Gesang auf den neuten Platz. Zuvor durfte Vorjahressiegerin Céline Dion noch eine Playback-Version ihres Siegertitels "Ne partez pas sans moi" und ihr erstes englischsprachiges Lied "Where does my heart beat now" performen. Zudem wurde von Seiten der EBU eine Neuerung in Bezug auf Punktegleichheit im Voting eingeführt. Fortan sollte das Land mit der höhen Anzahl an zwölf Punkte-Wertungen vorne landen. Diese Regelung musste schon zwei Jahre später bei der Ermittlung des Siegers angewendet werden.
Im Falle des neunten Platzes fand diese Regel jedoch noch keine Berücksichtigung, Italien musste sich die Platzierung mit der griechischen Sängerin Marianna Efstratiou teilen, die bereits zwei Jahre zuvor als Teil der Gruppe Bang dabei war und nun mit "To diko sou asteri" ("Dein eigener Stern") ein tolles Empfehlungslied für eine griechische Seifenoper lieferte. Noch biederer boten Fanny Polymeri & Yannis Savidakis aus Zypern ihren Beitrag dar, sie im weißen Kleidchen, er im schwarzen Smoking. Leidenschaft für den jeweils anderen konnte man den Duettpartnern nicht ansehen, auch nicht, als sie sich an den Händen hielten. Die Juroren vermochten den Song aber immerhin noch auf dem elften Rang einzusortieren.
Das Jahr 1989 blieb vor allem durch Kinder-Beiträge in Erinnerung. Israel an zweiter Startposition schickte den zwölfjährigen Gili Netanel nach Lausanne, der zwar in Anwesenheit der volljährigen Galit Burg "Darekh hamelekh" sang, jedoch durch infantiles Grinsen nur schwerlich sein tatsächliches Alter verbergen konnte. Den klebrig-süßen Titel votierten die Juroren auf den zwölften Rang. Auch die deutsche Jury hatte drei Punkte übrig, anders als jedoch die französische Jury, die den israelischen Titel offenbar als direkte Konkurrenz sah, war die eigene Interpretin doch noch jünger. Nathalie Pâque war zum Zeitpunkt des Eurovision Song Contests 1989 gerade einmal zwölf Jahre, jedoch von der Maskenbildnerin derart entstellt, wie dereinst Zonen-Gaby auf dem Titelbild der Satirezeitung Titanic.
Frankreich erzielte mit der jüngsten Teilnehmerin in der Song Contest-Historie den achten Platz für "J'ai volé la vie", in dem es trotz ihres geringen Alters schon um ein gestohlenes Leben ging. Der Europäischen Rundfunkunion war das vermehrte Auftreten von Kindern jedoch ein Dorn im Auge, sodass im Nachgang die bis heute gültige Regel verabschiedet wurde, dass jegliche Akteure auf der Bühne zumindest das 16. Lebensjahr vollendet haben müssen. Sandra Kim-Momente sollte es fortan nicht mehr geben, 2003 wurde der Junior Eurovision Song Contest für die entsprechende Zielgruppe eingeführt, jedoch mit regelmäßig geänderten Altersgrenzen. Diese neue Regel führte etwa 2006 dazu, dass Daz Sampson auf den Schülerbänken im Background bereits mündige Erwachsene einsetzen musste, was dem Beitrag einen befremdlichen Touch gab.
Einen Rang höher landete die gestandene, bereits 40jährige Sängerin, Anneli Saaristo aus Finnland. Wenngleich auf Finnisch gesungen vereinte Anneli in Lausanne spanische Flamenco- und Gitarrenklänge mit einer italienischen Titelzeile. Ihr Lied war bis zum Sieg von Lordi 2006 das zweitbeste Ergebnis des Landes, in Sachen Kultstatus liegt "La dolce vita" noch deutlich davor. Weniger Erfolg hatte die norwegische Sängerin Britt Synnøve Johansen, die nach ihrem Sieg beim Melodi Grand Prix "Venners nærhet" in die Schweiz reisen durfte, mit ihrer Ballade allerdings weder dem Zeitgeist, noch dem Gusto der Juroren entsprach und folglich nur den 17. Platz belegte. Einen Verehrer hatte sie dennoch, ihr Backgroundsänger überreichte ihr während der Darbietung eine rote Rose.
Ein ähnliches Ergebnis erzielte Portugal mit der Gruppe Da Vinci, die textlich in eine neue Welt aufbrach. Sängerin Iei Or, bürgerlich Manuela Alves, die in einem adretten Outfit á la Carmen Sandiego inklusive Hut auftrat und ihr Komponistenfreund Pedro Luís Neves reihten sämtliche Gebiete im Refrain auf, die einst von den portugiesischen Seefahrern entdeckt und als Kolonien ins Kaiserreich integriert wurden, von Brazil über Angola bis nach Timor wurde dem "Conquistador" gehuldigt. Was ich für den besten portugiesischen Beitrag aller Zeiten halte, endete in Lausanne nur auf dem 16. Rang, insbesondere unterstützt durch die ebenso als Seefahrernation bekannten Spanier.
Spanien selbst schickte nach interner Auswahl die Sängerin Nina zur Eurovision. Als Teil der Band des katalanischen Musikers Xavier Cugat legte sie den Grundstein für ihre musikalische Karriere, später moderierte sie u.a. im spanischen Privatfernsehen und wurde Vocal Coach in den ersten drei Staffeln der "Operación Triunfo", einer Castingshow, die Anfang der 2000er drei Eurovisionsvertreter hervorbrachte. In Lausanne sang sie die dramatische Ballade "Nacida para amar", insbesondere in der Schlussphase holte Nina stimmlich alles aus dem lieblich orchestrierten Titel heraus, sodass der sechste Platz fast schon ein skandalös schlechtes Ergebnis für diese starke Perle darstellt. Ob ihr die eine ins Gesicht gefallene Locke zum Verhängnis wurde, kann heute nicht mehr geklärt werden.
Ein Duell der besonderen Art lieferten sich 1989 Deutschland und Österreich. Denn beide Titel wurden vom gleichen Komponisten geschrieben, Modern Talking-Sänger Dieter Bohlen, der es, wie er damals in den Medien angab, nicht des Geldes wegen machte. Es sei ihm egal, ob er 52 oder 54 Millionen DM umsetze, es zähle allerdings nur der Sieg, der nach drei Monaten Knochenarbeit für ihn angemessen schien. Keiner der beiden Interpreten konnten dieses hehre Ziel erreichen, dafür hatten die deutschen Medien allerdings eine ordentliche Presseschlacht angefeuert. Wie üblich gab es von der österreichischen Jury keine Punkte für Deutschland, andersherum wurden immerhin fünf Punkte vergeben.
Den deutschen Vorentscheid in München, der äußerst schwach besetzt war, u.a. etwa durch die spätere MeKaDo-Sängerin Dorkas Kiefer ("Ich hab' Angst") oder den italienischen Barden Francesco Napoli ("Viva l'amore"), gewann Nino de Angelo mit "Flieger". Auf dem zweiten Rang landeten Xanadu, ein Duo dessen Interpreten später Geschichte schreiben sollte, Lyane Leigh als Frontsängerin von E-Rotic und David Brandes, der 2005 mit Gracia Baur einen Plattenskandal nie dagewesenen Ausmaßes initiierte. Nach der Bruchlandung von Lausanne fiel Nino de Angelo, Interpret von "Jenseits von Eden" in ein tiefes Loch und packte später in seiner Autobiographie aus. Demnach sei es schon vor der Eurovision zum Bruch zwischen ihm und Bohlen gekommen, man habe sich gemieden, Bohlen habe sich vornehmlich auf den österreichischen Interpreten Thomas Forstner fixiert.
Nino de Angelo, damals 26 Jahre alt, wirkte bei seiner Darbietung verkrampft, anders als der 19jährige Österreicher Thomas Forstner. Der aus Niederösterreich stammende Forstner landete mit "Nur ein Lied" auf der #1 der österreichischen Charts, am Text beteiligt war u.a. Joachim Horn-Bernges, der auch an Howard Carpendales "Hello again" und eben auch am deutschen Beitrag beteiligt war. Gewiss hat auch die Startreihenfolge einen Faktor gespielt, dass Österreich mit einem Bohlen-Lied den fünften Platz belegen konnte und das als vorletztes startende Deutschland nur 14. wurde. Musikalisch unterschieden sich die Titel nur oberflächlich, die Handschrift des Komponisten war in beiden Fällen deutlich erkennbar. Leider führte dieser Konkurrenzkampf auch dazu, dass der Song Contest in Deutschland in den 90ern in eine Art Lethargie verfallen sollte...
Gänzlich baden gingen in diesem Jahr die Isländer. Nachdem man dreimal in Folge den 16. Platz belegte, schickte die Vulkaninsel nun den 20jährigen Jungmusiker Daníel Ágúst Haraldsson zum Song Contest. "Það sem enginn sér" ("Was niemand sieht") wurde zum Programm, denn der Titel kassierte nicht einen einzigen Punkt von den Juroren. Nun hatte Daníel auch noch das Pech, dass der Song Contest 1989 von Thomas Gottschalk in der ARD kommentiert wurde, der mit zynischer Bestimmtheit die Darbietungen verschiedener Länder abwertete und im Falle Islands diagnostizierte, dass der Interpret wie ein Fischstäbchen daherkommt. Seiner Karriere hat der letzte Platz allerdings nicht geschadet, Daníel erhielt einen Plattenvertrag und macht bis heute Musik.
Kaum erfolgreicher, aber wesentlich dramatischer war der türkische Beitrag "Bana bana" der Gruppe Pan, deren weiblicher Part von Arzu Ece besetzt wurde, die 1995 noch einmal als Solistin Revanche einfordern sollte. Der Komponist des etwas wirren anatolischen Liedes war Timur Selçuk, der gleichzeitig als Dirigent auftrat und während der gesamten Darbietung so tat, als ginge es um sein Leben. Hoch dramatisch aufgeführt, leitete er den Orchestergraben durch das unbezwingbare Lied, das seine Punkte, fünf an der Zahl, lediglich aus Spanien und Jugoslawien bezog. Drei Punkte mehr erreichte Luxemburg an diesem Abend. Die Gruppe Park Café widmete dem "Monsieur" ein zweifelhaftes Lied im 80er Jahre-Beat, in Erinnerung blieb aber vielmehr die grauenhaft angeklatschte Frisur der Sängerin Maggie Parke.
Das bis dahin schlechteste Ergebnis des Landes, nämlich Platz 18, stellten Kiev Connolly & The Missing Passengers für Irland auf. Schlechter erging es u.a. der belgischen Sängerin Ingeborg Sergeant, die den belgischen Vorentscheid deutlich vor der eigentlich favorisierten und zur damaligen Zeit sehr erfolgreichen Band Clouseau gewann. Ihr süßes "Door de wind" zeigte sich offenbar zu unauffällig und fällt in die gleiche Kategorie wie "Venners nærhet" aus Norwegen. Die Nachbarn aus den Niederlanden erreichten mit Justine Pelmelay und "Blijf zoals je bent" den 15. Platz. Justine, Tochter indonesischer Eltern, nahm später diverse Disco-Klassiker auf und wurde Teil der Dutch Divas, zu denen auch Maggie MacNeal und Marga Bult zählen. 2012 zählte sie zu den geretteten Passagieren der vor Giglio im Mittelmeer gekenterten Costa Concordia.
Die Gastgeber aus der Schweiz präsentierten nicht nur eine Show auf internationalem Niveau sondern zeigten auch die sprachliche Vielfalt ihres kleinen Landes. Die Gruppe Furbaz, was in etwa so viel wie "Bengel" oder "Lausbuben" bedeutet, stellte mit "Viver senza tei" den bis heute einzigen Titel in rätoromanischer Sprache beim Song Contest vor. Gegründet in einem Kloster im Kanton Graubünden, boten sie nunmehr bei der Eurovision eine Mundart an, die laut Volkszählung nur von rund 60.000 Schweizern gesprochen wird und eine der vier Amtssprachen des Landes darstellt. Der 13. Platz war ein solides Ergebnis, dass die Schweiz jedoch nicht in die Bredouille brachte, den Wettbewerb erneut auszurichten.
Aus der Zeit gefallen wirkte der dänische Beitrag "Vi maler byen rød" von Birthe Kjær, die schon in den 60ern musikalisch aktiv war und nun mit einem Gute-Laune-Stück im klassischen dänischen Stil bis auf den dritten Platz vorstieß. Zum Dank durfte sie im Folgejahr den dänischen Melodi Grand Prix moderieren, ebenso 30 Jahre nach ihrem Erfolg von Lausanne. 2004 landete sie mit der EM-Hymne "Hvor vi fra?" und dem Safri Duo noch einen Achtungserfolg. Und auch Schweden schnitt gut ab, nach zwei Nummer Eins-Hits, durfte Tommy Nilsson mit "En dag" zur Eurovision fahren, mit dem er um einen Zähler an den Top Drei vorbeischrammte. Spätere Anläufe beim Melodifestivalen verliefen weniger erfolgreich.
Fast schon bezeichnend lautete der Titel des britischen Beitrags "Why do I always get it wrong?". Die Gruppe Live Report fragte sich, warum woher Erschöpfung und Kopfschmerzen stammen, hätten aber auch die Frage stellen können, warum das Vereinigte Königreich immer und immer wieder nur den zweiten Platz belegte. Denn genau dort landeten Leadsänger Ray Caruana mit seiner spannenden Glatze-trifft-Pferdeschwanz-Frisur und seine Mannschaft. Denn zur Verwunderung aller sammelte ausgerechnet das Land die meisten Punkte auf sich, das bereits im Jahr 1989 die Vorboten seines späteren Auseinanderbrechend zu spüren bekam und dessen Sieg niemand ernsthaft in Erwägung gezogen hätte, nämlich Jugoslawien.
Mit der letzten Startnummer ging die Gruppe Riva mit der Sängerin Emilija Kokić ins Rennen. "Rock me" war ein ganz flotter Schlager, was heute das Todesurteil für jeden ernstgemeinten Song ist, war damals offenbar das Non Plus Ultra für die Juroren von Lausanne, das bis zum heutigen Tage bei vielen für Kopfschütteln sorgte und gemeinhin als einer der unverdientesten Sieger des Wettbewerbs gilt. Die kroatische Gruppe lieferte zwar einen netten Auftritt ab, "Rock me" konnte aber nirgends kommerzielle Erfolge verbuchen. 1992 löste sich die Gruppe schließlich auf, während Emilija Kokić eine erfolgreiche Solokarriere in Kroatien und den übrigen Ländern des ehemaligen Jugoslawiens startete.
Einen besseren Zeitpunkt hätte das jugoslawische Fernsehen für seinen Sieg allerdings nicht treffen können, denn das Land stand kurz vor dem politischen Zerfall, der 1992 das Ende der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien zur Folge haben sollte. JRT, Jugoslavenska Radiotelevizija, das sich aus insgesamt acht regionalen Sendeanstalten von Ljubljana bis Skopje zusammensetzte, erhielt für 1990, ein weiteres Jahr im Umbruch den Zuschlag für den Eurovision Song Contest. Die Reise sollte erstmals in ein sozialistisch geführtes Land gehen, genauer gesagt nach Zagreb. Die Gruppe Riva hingegen, sollte schon alsbald in Vergessenheit geraten, nur für kleinere Reunions fanden sich die Bandmitglieder noch einmal zusammen.
Die Teilnehmer: