Mittwoch, 14. Juni 2017

Bosnien-Herzegowina: Die Luft zum Atmen fehlt



Bosnien-Herzegowina - Ebenso wenig ergiebig wie das Treffen zwischen der portugiesischen Delegation und der Europäischen Rundfunkunion in Genf lief auch die Zusammenkunft diverser Vertreter von politischen Verbänden und Medienorganisationen in Sarajevo, die über die Finanzierung und damit das Schicksal des bosnischen Senders BHRT berieten. Wie schon seit dem letzten Jahr sei der Sender akut von der Schließung betroffen.

BHRT-Generaldirektor
Belmin Karamehmedović
"Alle Alarmglocken läuten. Wir haben momentan keinerlei Finanzierungsmodell und brauchen eine schnelle Lösung um zu überleben. Es geht sprichwörtlich um Tage.", so Generaldirektor Belmin Karamehmedović. Sämtliche Vorschläge den Sender zu finanzieren scheitern nach wie vor an der gegenseitigen Blockade der verschiedenen Ethnien im Parlament. Momentan sei BHRT nicht einmal in der Lage, die Gehälter seiner Mitarbeiter zu bezahlen, heißt es weiter aus Sarajevo.

Unter den derzeitigen Umständen sei der Staatssender, der 1992 nach dem Zerfall Jugoslawiens aus dem Sender TV Sarajevo hervorging, von einer kompletten Schließung zum 30. Juni betroffen. Der Hauptsender BHT1 liefert noch heute kein 24h-Programm, da Signal wird nachts vom Radiosender BH Radio 1 übernommen. Die Schließung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Bosnien-Herzegowina könnte mehreren Medien zufolge eine Kettenreaktion auslösen.

Betroffen wären hierfür auch etwaige Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union. "Die Vorstellung eines zukünftigen Mitgliedslandes in der Europäischen Union ohne öffentlichen Rundfunk ist undenkbar.", wird EU-Parlamentarier Cristian Dan Preda zitiert. Bosnien-Herzegowina spekuliert auf die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen in der zweiten Jahreshälfte. Bereits im vergangenen Jahr drohte BHRT die Schließung, ein Hilfspaket in letzter Minute sicherte damals u.a. die Übertragungsrechte der Fußball-Europameisterschaft 2016.

Bosnien droht das einzige
Land Europas ohne öffentlich-
rechtlichen Rundfunk zu werden
Seither hat sich in Bosnien-Herzegowina nicht viel getan, die Schulden des Senders bei der Europäischen Rundfunkunion, insbesondere durch den Einkauf von Übertragungsrechten von Sportveranstaltungen belaufen sich auf rund 16 Millionen Euro. Allerdings vermag auch die scheidende EBU-Generaldirektorin Ingrid Deltenre außer mahnenden Worten an bosnische Politiker keinen weiteren Einfluss auf die Entwicklung BHRTs zu nehmen. Der Sender finanziert sich derzeit über die Telefonrechnungen, da der Mobikfunk in Bosnien allerdings stetig anwächst, brachen die Erträge zuletzt um 40% ein.

BHRT ist u.a. auch für den Eurovision Song Contest verantwortlich und war in den letzten fünf Jahren nur einmal vertreten. Nach dem Eurovision Song Contest 2012 zog sich der Sender aus genannten finanziellen Gründen vom Wettbewerb zurück und konnte sich nur dank Sponsorengelder eine Teilnahme in Stockholm 2016 leisten. "Ljubav je" schied damals als erster Beitrag Bosniens überhaupt im Semifinale aus. Das Land nahm bereits 1993, während des Jugoslawienkrieges unter großem Solidaritätsapplaus am Song Contest teil.