Sonntag, 28. Februar 2016

Kommentar: Das Grab der Schlagerstars



Schweden - Ich bin heute schlecht drauf, vielleicht ist es da ganz gut, sich den Frust von der Seele zu schreiben. Sprechen wir heute einmal über Schwedenschlager und die Aussage von Melodifestivalen-Oberhaupt Christer Björkman, der gegenüber dem Aftonbladet erklärt, dass der Schlager tot sei. Das beste Beispiel lieferten in den vergangenen Wochen die jeweiligen Beiträge in den Melodifestivalen-Vorrunden, jüngstes Opfer wurde gestern in Gävle Linda Bengtzing.


Showtreppen: OUT
Mit Sicherheit war es gestern Abend nicht ihr allerbester Auftritt, aber mich beschleicht das Gefühl, dass Charlotte Perrellis Pausenact in der ersten Runde des schwedischen Vorentscheids eine Art Prophezeiung war. "Här står jag" war ein Cover von "Atemlos", darin besingt sie Konfetti, Feuerwerk, Glitzer und Stilettos, alles was die Schlagerköniginnen des Melodifestivalen in den letzten Jahren ausgemacht haben. Charlotte selbst hat es zweimal mit entsprechenden Songs zum Eurovision Song Contest geschafft.

Und die Liste derer, die sich ihr angeschlossen haben war lang, hervorzuheben sind Kikki, Bettan & Lotta, die 2002 mit "Vem é dé du vill ha" den Grundstein für tolle Vorentscheide gelegt haben. Lena Philippson, Anna Book, Shirley Clamp, Nanne Grönvall, Carola, sie alle stellen das dar, weshalb ich den schwedischen Vorentscheid liebe. Doch ihre Tage scheinen der Kernaussage Björkmans zufolge gezählt: "Dieses ja kamen die Zuschauer zu der endgültigen Entscheidung, dass das Melodifestivalen sich am Pop orientieren soll. Und das ist gut so."


Hochgerissene Arme: OUT
Die routinierten Acts sind allesamt ausgeschieden, der Weg frei für unterkühlten Mainstream-Pop. Da haben Alcazar und Magnus Carlsson offenbar keinen Platz mehr. Schweden ist in musikalischer Hinsicht international gefragt, Texter und Komponisten schreiben Welthits und unterwandern auch jedes Jahr diverse Nationen beim Eurovision Song Contest, insbesondere im Kaukasus. Im ABBA-Land wird der Schlager aber zu Grabe getragen. Eine Entwicklung die ich sehr schade finde und für die mir ein bisschen das Verständnis fehlt. Selbiges gilt für Norwegen, früher war mehr Konfetti in Skandinavien!

Der Eurovisionsfans an sich ist ein Gewohnheitstier, er fiebert mit genau diesen Kandidaten mit, die auf der Bühne Feuerwerk und Glitzer präsentieren, weniger mit einem Frans, der in drei Minuten offenbar auf der Suche nach seiner Melodie ist, damit aber problemlos ins Finale einrückte. Die "Veteranen" sind am musikalischen Nachwuchs gescheitert. Dafür hat Björkman aber auch eine Erklärung: "Es kann ganz einfach sein, dass die Veteranen in diesem Jahr die falschen Songs ausgewählt haben." Das Björkman allerdings selbst maßgeblich für die Auswahl aus über 3.000 Beiträgen zuständig ist, lassen wir dahingestellt...


Discoglitzer: OUT
Bei allen Neuerungen sollte Christer Björkman nicht vergessen, welche Intepreten das Festival populär gemacht haben und vor allem, mit welchen Songs beim Eurovision Song Contest die Punkte gemacht wurden, seit Einführung des neuen Konzeptes 2002 schafften die "typischen" Beiträge einen Sieg, einen dritten Platz und mehrere Top Ten-Platzierungen. Ich möchte nicht alle Finalisten des diesjährigen Melodifestivalens verurteilen, David Lindgren, Wiktoria und Lisa Ajax gefallen mir auch und meinetwegen sollen auch Dolly Style noch weiterkommen, es ist besser als das, was da gestern noch hinzu kam...

Eric Saade hat man 2011 vorgeworfen, sein Songtext sei unkreativ, "possible" dürfe sich doch nicht auf "impossible" reimen, Frans Jeppsson-Wall macht mit "sorry" und "glory" aber genau das gleiche, zudem fehlt hier der Bumms, damit das Lied im Ohr bleibt. Eric Saade hat aber auch Bronze heimgebracht, ich glaube nicht, dass das ein Frans oder eine Molly Sandén das schafft. Wie das aber schon mit dem Voting beim Eurovision Song Contest ist, wozu etwas beibehalten, was seit ABBA funktioniert, der Fortschritt in Schweden macht auch vor den musikalischen Exporten nicht Halt und so verschwinden langsam die liebgewonnenen Rattenschwänze der 70er Jahre.


Linda Bengtzing - Killer girl