Sonntag, 14. Februar 2016

Eurovision am Sonntag (35)



Europa - Puh! Die Italiener haben es nach einem langatmigen San Remo-Festakt endlich geschafft, ihren Kandidaten für die Eurovision auszuwählen. Schweden, Dänemark, ja selbst Island hatten bereits ihre Shows beendet, da wurde in Ligurien noch gesungen und noch viel mehr geredet. Und auch wenn man sich sonst gern mal einen Italo-Schlager reinpfeift, war der letzte Abend des mehrtägigen Festivals doch eine Geduldsprobe. Umso genervter konnte man sein, als die Sieger, eine Altherrentruppe namens Stadio, sich Bedenkzeit erbaten.

Der Abend ging also mit einer Siegerchoreographie zu Ende, nicht jedoch mit einer Antwort auf die Frage, wer für Italien zum Song Contest fährt. Dies wurde erst heute Nachmittag durch die RAI bekannt gegeben, die Zweitplatzierte Francesca Michielin darf ran. Weiterhin nicht bekannt ist, ob sie ihren Song von gestern Abend singen wird, aber auch da wird es vom italienischen Fernsehen in Kürze bestimmt Aufschluss geben. Italien lieferte jedoch nur das Ende eines mehrstündigen Vorentscheidungsmarathons, der bereits um 18 Uhr Mitteleuropäischer Zeit in der Ukraine begann.

Die beste Unterhaltung lieferte
am Samstag Charlotte Perrelli
Um kurz nach 20 Uhr schalteten sich auch die Schweden zu, die zweite Vorrunde des Melodifestivalen sollte beginnen und man musste wirklich erst schimpfen, damit dort die musikalischen Perlen aufgetischt wurden. Ich vermisse zwar immer noch die dramatischen Performances einer Schlagerdiva, die Charlotte Perrelli frei in das "Atemlos"-Cover "Här är jag" verpackte, dennoch war es im Vergleich zur Vorwoche schon ein großer Sprung nach vorn. Im Finale sehen wir David Lindgren, der sich mit der typischsten Performance in die Herzen der Zuschauer singen konnte. Die zweite Finalnummer liefert die Sängerin Wiktoria, mit Zahnspange und animiertem Kleid. 

Währenddessen setzte in großen Teilen Europas eine Art Favoritensterben ein, insbesondere in Dänemark votierten Juroren und Zuschauer weder für den Fanliebling Simone, noch für die Sängerin Anja Nissen, die offenbar sogar schon vom australischen Fernsehen SBS angefragt wurde. So kam es, dass Dänemark zum zweiten Mal in Folge mit Boyband-Gesang aufschlagen wird. Aus den Fehlern mit Anti Social Media haben die Dänen offenbar nicht gelernt und schicken mit Lighthouse X eine dreiköpfige Herren-Kombo nach Stockholm, die einen seichten Popsong liefern, der selbst für dänische Verhältnisse schon unterhalb der Mittelmäßigkeit anzusiedeln ist.

Etwas schüttern das Haar...
Sollte Europa anders drauf sein, als die dänischen Anrufer, so wird der Schlagabtausch zwischen Schweden und Dänemark bei der Ausrichtung des Eurovision Song Contest jäh gebrochen. Mit "Soldiers of love" müssen die Dänen sogar aufpassen, dass sie nicht wie im letzten Jahr vorzeitig aus dem Wettbewerb fliegen. Ebenso werden es nach meinem Geschmack auch die Schweizer nicht in die Endrunde schaffen. "The last of our kind" hat sogar das Potenzial im zweiten Semifinale im Semifinale den letzten Platz zu erhaschen. Die Sängerin Rykka schaut optisch wie ein Double von Marilyn Monroe mit schlechtem Visagisten aus, das Lied kommt sehr dünn daher.

Große Offenbarungen in Hinsicht auf den Sieger des Eurovision Song Contests in diesem Jahr haben die beiden Vorentscheidungen somit nicht gebracht und auch bei der morgen Abend stattfindenden Wertungsshow in Georgien dürfte sich unter den fünf Beiträgen der Young Georgian Lolitaz kein Aspirant auf die Eurovisionstrophäe verstecken. Am nächsten Wochenende stehen uns dafür die Vorentscheide aus Island und der Ukraine ins Haus. Während ich Island bisher ein bisschen vernachlässigt habe und die Songs noch nicht nachhaltig im Gehör habe, erwarte ich von der Ukraine ein glanzvolles Comeback nach einjähriger Krim-Pause. 

Ruslana trifft Xena: NeAngely
Im Zweifel sollen Oxana Kusnetsova und Viktoria Smeyukha alias NeAngely den Vorentscheid für sich entscheiden, da ist wenigstens etwas Pfeffer und Dancefloor-Feeling vorhanden. Allerdings verdichten sich auch hier die Anzeichen, dass die in der Kirgisischen SSR geborene Sängerin Jamala im zweiten Anlauf mit ihrem Song "1944" den ukrainischen Vorentscheid gewinnen wird. Ihren Song kann man schwer kategorisieren, behandelt er mit der Deportation der Krim-Tataren im Jahr 1944 auch noch ein schwieriges Thema, das die Annexion der Halbinsel Krim durch Russland wieder aufgreift. 

Zum Abschluss des Sonntagspostings möchte ich noch einmal auf den lettischen Vorentscheid eingehen, der heute Abend in die zweite Runde geht. Angesport durch Aminatas gutes Abschneiden in Wien liegt die Erwartungshaltung beim lettischen Fernsehen LTV in seine Kandidaten erneut hoch. Mit dabei ist Samanta Tīna, die ihre zweite Chance bekommt, nachdem ihr letzte Woche nur 34 Anrufe für die Qualifikation gegenüber Marta Grigale fehlten und Markus Riva, der für meinen Geschmack den einzigen Titel in der heutigen Vorrunde anbietet, der in Stockholm nicht überhört werden würde. In diesem Sinne, daudz jautrības un labs vakars!