Samstag, 12. September 2009

Memories: Eurovision Song Contest 1962


Luxemburg - Zum ersten Mal in seiner Geschichte fand der Eurovision Song Contest 1962 im Großherzogtum Luxemburg statt. Und zum ersten Mal in seiner Geschichte nahmen die gleichen Nationen wie im Vorjahr teil, Veränderungen gab es zumindest bei den Teilnehmerländern keine.

Dafür aber im Wertungsreglement. Nachdem sich die BR Deutschland darüber empörte, dass immer nur die Niederlande und Frankreich gewinnen würden, führte die EBU ein neues Punktesystem ein. Jede Länderjury bestand weiterhin aus zehn Mitgliedern, jedoch wählte jede Jury nur noch ihre drei Favoriten. Somit konnte jedes Land maximal fünf Zähler vergeben. Aufgrund dieser Regeländerung fuhren gleich vier Länder ohne einen einzigen Punkt nach Hause.

Aber der Reihe nach... der "Grand Prix Eurovision de la Chanson Européenne 1962" fand in der Villa Louvigny in Luxemburg statt, das 64 Jahre lang sitz der RTL Group war und mittlerweile als Sitz des Luxemburgischen Gesundheitsministeriums dient. Moderiert wurde der Abend von Mireille Delannoy, die mit ihrem geographischen Fauxpas das Publikum wieder wach machte, indem sie die dänische Jury mit den Worten "Good evening Stockholm" aufrief.

Aufwecken war das Stichwort des Abends, denn trotz neuer Wertungsregel lag Frankreich von Anfang bis zum Ende klar vorne und die Abstimmung erwies sich dadurch als schleppend und langweilig. Die Sängerin Isabelle Aubret, eigentlich Thérèse Coquerelle, wurde beim französischen Vorentscheid 1961 nur Dritte, konnte mit "Un premier amour" aber 1962 gewinnen. Das Siegerlied erhielt doppelt so viele Punkte wie der Zweitplatzierte aus Monaco, kommerziell wurde das Lied jedoch nicht über die französische Sprachgemeinschaft hinaus erfolgreich.

Eröffnet wurde der Wettbewerb 1962 von der jungen Finnin Marion Rung. Seit der Veröffentlichung ihrer ersten Single "Brigitte Bardot" 1961 zählte sie zu den erfolgreichsten Künstlerinnen Finnlands. Sie gewann den Vorentscheid gegen Vieno Kekkonen und durfte in Luxemburg ihren Song "Tipi-Tii" singen. Der siebte Platz den sie mit ihrem fröhlichen Lied einfuhr, sollte bis zu ihrem zweiten Anlauf im Jahr 1973 der erfolgreichste finnische Beitrag bleiben.

Auch in diesem Jahr gab es wieder einige Altbekannte. Für das Gastgeberland war Camillo Felgen am Start, der nach seiner Pleite mit einem Titel auf Lëtzebuergisch diesmal auf Französisch sang und auch mit dem dritten Platz belohnt wurde. Der Interpret für Monaco, François Deguelt, nahm ähnlich wie Camillo Felgen 1960 am Eurovision Song Contest teil. Er konnte sein damaliges Ergebnis sogar noch um einen Platz verbessern und erreichte mit "Dis rien" erstmals den zweiten Platz für das Fürstentum am Mittelmeer.

Die Schweiz schickte ebenfalls ein bekanntes Gesicht nach Luxemburg. Jean Philippe trat 1959 mit dem Titel "Oui, oui, oui, oui" für Frankreich an und konnte den dritten Platz belegen. Sein Gastspiel für die Schweiz blieb hingegen weniger erfolgreich. Bei seiner Rückkehr zum Wettbewerb mit dem entsprechenden Titel "Le retour" wurde nur mit zwei Punkten und einem geteilten zehnten Platz mit Dänemark und Norwegen honoriert.

Immer wenn das wallonische Fernsehen für Belgien den Beitrag aussuchte, wurde Fud Leclerc Vertreter des Landes beim Contest. So auch in diesem Jahr, sein Song "Ton nom" ("Dein Name") war sein vierter im Wettbewerb und zugleich der erste, der keinen einzigen Punkt von den europäischen Wertungsrichtern erhielt. Fud Leclerc verabschiedete sich unrühmlich vom Wettbewerb, das wallonische Fernsehen wählte ab 1964 jeweils andere Interpreten aus.

Ebenfalls punktelos endete der Abend für die Österreicherin Eleonore Schwarz, die in ihrem Lied "Nur in der Wiener Luft" über Johann Strauß, den Stephansdom, Backhendln und Sachertorte philosophierte. Das Lied floppte zugleich auch im eigenen Land. In den Folgejahren trat sie als Opernsängerin an der Wiener Volksoper auf. Die erfolgreichste Phase Österreichs im Wettbewerb sollte erst zwei Jahre später beginnen.

Die Niederlande schnitten mit ihren Spelbrekers und einem Lied über zwei glimmende Zigaretten in der Dunkelheit genauso punktelos ab, wie der spanische Sänger Victor Balaguer mit seinem Titel "Llamame", der gemeinsam mit dem italienischen Sänger Claudio Villa um die Wette jaulte. Im Gegensatz zum Spanier erhielt der Sieger des San Remo-Festivals 1962 mit seinem Titel "Addio addio" immerhin drei Punkte und damit den neunten Rang.

Deutschland wählte seinen Beitrag für Luxemburg durch die neugeborenen "Deutschen Schlagerfestspiele", ein durch das italienische San Remo-Festival inspiriertes Format, mit mehreren Vorrunden. Für den Vorentscheid war der SWR verantwortlich. In vier Vorrunden sangen 24 Interpreten um zwölf Finalplätze. Im Finale waren dann namhafte Künstler jener Zeit, wie Jimmy Makulis, der zuvor für Österreich an den Start ging, Siw Malmkvist, Carmela Corren, Margot Eskens oder Wyn Hoop im Duett mit Pirko Manola am Start.

Den Sieg trug Conny Froboess mit ihrem Gassenhauer "Zwei kleine Italiener", dem ersten Gastarbeiterlied nach dem Zweiten Weltkrieg, davon. Im Text ging es um eben angesprochene Italiener die jeden Abend dem D-Zug nach Napoli hinterherschauen und am liebsten wieder bei ihren Freundinnen Tina und Marina sein würden. Der Titel stand darüber hinaus sechs Wochen an der Spitze der Verkaufscharts.

Beim Vorentscheid lieferte sie sich zunächst ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Siw Malmkvist, die möglicherweise nur durch die Flutkatastrophe in Norddeutschland den Sieg verpasste. Die forderte am 17. und 18. Februar 1962 über 300 Menschenleben. Der NDR und Radio Bremen entsandten aufgrund der Überschwemmungen in ihren Sendegebieten keine Juroren zu den Schlagerfestspielen nach Baden-Baden. Gerüchten zufolge hätten diese Juroren für Siw Malmkvists Lied "Die Wege der Liebe" gestimmt.

Conny Froboess schaffte in Luxemburg trotz des Erfolges in der Bundesrepublik nur den enttäuschenden sechsten Platz, was zur Folge hatte, dass viele etablierte Künstler der deutschen Musiklandschaft um ihre Karriere fürchteten, sollten sie am Wettbewerb teilnehmen. Punkte aus Italien für Conny gab es übrigens auch keine.

Einen Punkt mehr erhielt der britische Sänger Ronnie Carroll, der zum damaligen Zeitpunkt zu den größten Entertainern im britischen Unterhaltungsbusiness zählte. Er teilte sich den vierten Rang gemeinsam mit der jugoslawischen Sängerin Lola Novaković. Unterbrochen wurde der Wettbewerb nach dem Auftritt von Isabelle Aubret für Frankreich von einem länger anhaltendem Stromausfall der auch für Bildstörungen sorgte. Der Saal, der mit funkelnden Sternen dekoriert war, verdunkelte sich mehrmals und brachte Unruhe in den Wettbewerb. Nach dieser Panne ging es jedoch planmäßig im Wettbewerb weiter.

Auch wenn die erste Jury aus Finnland der Französin noch keine Punkte gab, eroberte Isabelle Aubret recht schnell die Spitze des Scoreboards und deklassierte die übrigen Teilnehmer. Die Änderung der Wertungsregeln hatten insofern nichts gebracht, Frankreich siegte zum dritten Mal in fünf Jahren. Der Sender RTF weigerte sich schließlich jedoch den Wettbewerb schon wieder auszurichten. Somit übernahm Großbritannien wieder das Zepter der Organisation für den Contest im Jahr 1963.

Die Teilnehmer: 
01. - 026 - Isabelle Aubret - Un premier amour 
02. - 013 - François Deguelt - Dis rien 
03. - 011 - Camillo Felgen - Petit bonhomme 
04. - 010 - Lola Novaković - Ne pali svetla u sumrak 
04. - 010 - Ronnie Carroll - Ring-a-ding girl 
06. - 009 - Conny Froboess - Zwei kleine Italiener 
07. - 004 - Marion Rung - Tipi-Tii 
07. - 004 - Inger Berggren - Sol och vår 
09. - 003 - Claudio Villa - Addio addio 
10. - 002 - Ellen Winther - Vuggevise 
10. - 002 - Inger Jacobsen - Kom sol, kom regn 
10. - 002 - Jean Philippe - Le retour 
13. - 000 - Fud Leclerc - Ton nom 
13. - 000 - Victor Balaguer - Llamame 
13. - 000 - Eleonore Schwarz - Nur in der Wiener Luft 
13. - 000 - De Spelbrekers - Katinka