Sonntag, 23. April 2017

Eurovision am Sonntag (54)



Europa - Der Eurovision Song Contest klopft an. Am kommenden Sonntag finden in Kiew die ersten Proben für die drei großen Shows statt. Fans rund um den Globus packen allmählich ihre Sachen für ihre Reise in die Ukraine und auch wir sind inzwischen sehr gespannt auf die schönste Zeit des Jahres, auch wenn sich das Wetter in Hamburg mit der Euphorie momentan noch ein bisschen zurückhält.

Bald stehen sie alle wieder
auf der Bühne und proben...
Worauf genau freuen wir uns eigentlich? Es sind ja zunächst einmal "nur" Proben, trotzdem ist dieses ganze Spektakel seit Jahren ein fester Programmpunkt, der bei mir schon Wochen vor dem eigentlichen Start für einen Anflug von Freude sorgt. Man sieht zum ersten Mal, wie genau die Bühne inklusive Beleuchtung, Animationen und die Atmosphäre in der Halle wirkt und welche Nationen welche Gimmicks und welche Überraschungseffekte bereithalten.

42 Nationen sind in diesem Jahr dabei, Russland kann bzw. möchte nicht teilnehmen, einige andere Nationen werden wir in Kiew ebenfalls vermissen, die einen schmerzlicher als andere. So geht es mir mit der Slowakei. Es ist schade, dass RTVS offenbar keinen großen Nutzen in der Show sieht und andere Projekte wichtiger sind. Man kann es den kleinen Rundfunkanstalten Europas allerdings auch nicht verübeln, wenn sie pausieren, schließlich ist der Wettbewerb ein kostspieliges Vergnügen.

Das bislang letzte "Bratislava
calling
" gab es 2012
Zuletzt hieß es 2012 in Baku aus Bratislava "Here are the Slovak votes", ähnlich lange müssen wir auch auf eine Schaltung nach Ankara warten. Die Gründe für einen Rückzug der Türkei beim Eurovision Song Contest sind allerdings völlig andere, als bei der Slowakei. Während in Bratislava schlicht und ergreifend die Rechnung des Preis-/Leistungsverhältnisses nicht aufgeht, hat der Verzicht von TRT politische Motive. Als Vorwand galt Conchita Wursts "abnormaler Auftritt" in Kopenhagen oder die Big Five-Regel, die die EBU zur eigenen Sicherung bestimmt nicht kippen wird.

Dass sich die Türkei im Umbruch befindet hören wir jeden Tag in den Medien. Man darf in Zeiten von Fake-News nicht alles glauben, erkennt aber durchaus Tendenzen, die nicht mit dem Eurovision Song Contest in Einklang stehen und somit sehe ich es nicht weiter tragisch, dass TRT dem Event fernbleibt. Andere Nationen, wie etwa der Bruder aus Aserbaidschan hat hingegen erkannt, dass die Präsentation beim Song Contest Ländern mit angekratztem Image durchaus Positives geben kann. Der Selbtvermarktungswert ist bei der Eurovision gegeben, wie bestimmt einige Performances in Kiew wieder zeigen dürften.

2012, 2013, 2014 und 2017
Valentina ist wieder dabei
Genauso wenig gibt San Marino auf, als letztes verbleibendes Mini-Land ist die kleine Republik dabei. Wieder einmal setzen die Verantwortlichen im nationalen Rundfunk dabei auf Valentina Monetta, mangels Alternativen und wohl auch, weil sie in Fankreisen einen großen Sympathiewert hat. San Marino nutzt die Veranstaltung um sich zu präsentieren. Das gleiche hat auch Andorra getan, zu Zeiten, als man sich die Teilnahme noch leisten konnte. Das ist nun aber auch schon einige Jahre her, 2009 erklang die vorerst letzte Schlussnote eines andorranischen Beitrags. Und über Monaco wollen wir am besten gar nicht erst reden.

42 Länder sind aber bei der Eurovision dabei, dem Wettbewerb der sich auf die Fahne geschrieben hat, Völker über Landes- und inzwischen auch Kontinentalgrenzen hinweg zu verbinden. Sie alle eint neben dem werbewirksamen Auftritt auch die Bereitschaft, ihre Kultur, ihre Musik und ihre Leidenschaft zu teilen. Das klingt zwar wie der Auftritt einer PR-Agentur, im Grunde ist die Eurovision aber tatsächlich eine Veranstaltung, in der man seine Nachbarn in Europa kennenlernen kann. Musikalisch ist der Wettbewerb vielleicht den Charts hinterher, trotzdem wird er von knapp mehreren hundert Millionen Menschen gesehen.

Ein bisschen Glitzer vor dem
ESC: Let's dance, Staffel 10
Die Beweggründe, warum wir den Eurovision Song Contest schauen, sind unterschiedlich, die einen finden nichts besseres in der Fernsehzeitung, andere wollen sich über die skurrilen Auftritte echauffieren und amüsieren, für andere ist es gut gemachte Unterhaltung und für Leser wie uns ist es ein Highlight, wenn wir einen Interpreten mit zwei Meter langem Zopf aus Montenegro bestaunen können oder wenn sich eine Sängerin versucht mit schrillen Tönen in den Stimmolymp zu singen. Gepaart mit ausgefeilten Choreographien, Glitzer, Wind, Nebel, Feuerwerk und dem abschließenden Voting, kommt dabei eine explosive Rezeptur heraus, die man sonst weder bei "Let's dance" noch bei Sportveranstaltungen erlebt.

Und so wird es auch in diesem Jahr sein. Wenn Robin Bengtsson am Sonntagmorgen seine Laufbänder aufbauen lässt und "I can't go on" probt, ist die schönste Zeit im Jahr wieder da. Dann saugen wir wieder die noch so kleinen Probenvideos auf, hören uns abgesprochene Phrasen und Unplugged-Versionen der Wettbewerbslieder bei Pressekonferenzen an und wirbeln unsere mühselig aufgestellten Rankings wieder durcheinander. Spätestens wenn am Dienstag, den 9. Mai die Eurovisionshymne auf dem Digitalsender ONE erklingt, beginnt wieder unsere Semana Santa. Und vielleicht spielt bis dahin auch das Wetter mit...