Donnerstag, 26. April 2007

Noch zwei Wochen!


Europa - Europa bereitet sich auf den größten Eurovision Song Contest in seiner über fünfzigjährigen Geschichte vor. Von Reykjavik bis Jerusalem, von Lissabon bis Wladiwostok werden im Laufe der nächsten 14 Tage mehrere Tausend Menschen in die finnische Hauptstadt Helsinki pilgern und die alte Dame des Grand Prix huldigen. Hunderte Millionen Menschen werden dieses zweitägige Event vor den Fernsehschirmen verfolgen und dabei spielt es keine Rolle ob es sich beim Zuschauer um eine Haarstylistin aus London, einen Brötchenbäcker aus Astrachan oder eine 100jährige aus Barcelona handelt. In der zweiten Maiwoche sind all diese Menschen Zeuge einer Musikveranstaltung, die jede Preisverleihung, jedes Fußball-Länderspiel und das Bogenschießen bei Olympischen Spielen in den Schatten stellt.

Die Nachrichtenseiten, die sich 365 Tage im Jahr mit dem Phänomen "ESC" beschäftigen kommen mit dem Schreiben der Newsartikel kaum mehr nach. Hier gibt es noch Restkarten, dort wählt ein nationaler Fanclub seine Favoriten, dort gibt es Ärger um das Outfit des Interpreten und dort drüben wird noch überlegt, ob man teilweise auf Englisch singen sollte oder nicht. Die Punkteverkünder werden bekannt gegeben, es tauchen die ersten Bilder vom Inneren der Hartwall Arena auf, jeden Tag gibt es einen neuen Remix und zahlreiche Blogs und Berichte zum aktuellen Geschehen in Helsinki und europäischen Grand Prix-Partys.

Für die einen ist der Grand Prix d'Eurovision eine banale Musikveranstaltung mit wechselndem Austragungsort und ein paar unfreiwillig komischen Teilnehmern. Dort wird über die Kampfstern-Galaktika-Performance von Verka Serduchka gelästert, andernorts über die grausige Vorentscheidung und den noch mieseren Teilnehmer für das eigene Land geredet, spöttisch, verachtend, aber dennoch irgendwie interessiert. Auf der anderen Seite stehen die Hardcore-ESC-Fans. Sie schauen sich bereits in der Woche vor Weihnachten im Vorjahr die, an den Nerven zährenden, Vorrunden in Albanien an, kochen sich zum Grand Prix-Abend Leckereien aus 42 Teilnehmerländern oder sitzen fähnchenschwingend mit einem mazedonischen Banner vor dem Fernseher.

Man kann über den ESC denken was man will, man kann ihn richtig mies finden, ein Show-Contest bei dem nackte Haut punktefördernd und ein unästhetischer Sänger mit einem Popsong auf Serbokroatisch der absolute Killer ist; man kann ihn lieben und jedes Jahr unzählige Euros für ein winziges Hotelzimmer, Verpflegung, Flug, Rückflug und Wörterbücher ausgeben um live vor Ort dabei zu sein und sich nebenbei noch mit CDs eindecken, den Videorecorder im fernen Zuhause auf Samstag 21 Uhr einprogrammieren und sich einen Monat später zusätzlich noch die DVD bestellen.

Europa, auch Deutschland, wird über diese Veranstaltung diskutieren, egal ob positiv oder negativ. Der Contest hat in seinen 52 Jahren die Menschen gefesselt, er hat politische Barrieren überwunden, zu Diskussionen geführt (wenn Österreich mal wieder nur einen Gnadenpunkt rüberwachsen lässt) und dem Zuschauer fremdländische Kulturen und Musikrichtungen geboten. In 14 Tagen und etwas weniger als einer Stunde ertönt die Eurovisionshymne "Te deum" millionenfach in europäischen Wohnzimmern und Elitsa & Stoyan werden für Bulgarien das Semifinale eröffnen. Bei wahren Fans beginnt aber bereits jetzt das Eurovisionsfieber.


In diesem Sinne wollte ich nur noch darauf verweisen, dass ich mir heute die Videokassetten für's Halbfinale und Finale gekauft habe (vier 300-Minuten-Kassetten zu je 1,59€). Meine weißrussische Fahne liegt schon fertig gefaltet auf der Fensterbank, nebst dem neuen Album von The Ark und einem Lustigen Taschenbuch mit Dagobert Duck und Gundel Gaukeley auf dem Cover, Gastgeschenke - denn ich werde das Finale des Grand Prix in diesem Jahr erstmals(!) nicht von zuhause aus verfolgen, sondern mich auf einer Essener Eurovisionsparty einfinden. Mein Zug fährt am Freitagnachmittag um kurz 14 Uhr in Hamburg-Harburg ab. Am Sonntagabend um 17:38 Uhr geht es dann zurück. Daher werden hier zuhause bereits die ersten Sicherheitsvorkehrungen getroffen, die Kabel vom Videorecorder überprüft und Haftnotizen mit Instruktionen für die verbleibenden Familienmitglieder geschrieben, nicht am Stromkasten herumzuspielen.