Von Julia Köhler
Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, im nächsten Moment müssten
Frank Sinatra und Dean Martin auf die Bühne kommen, um die angedeutete
Rat-Pack-Szenerie perfekt zu machen. Ein Mann im feinen Zwirn, den steifen Hut
ins Gesicht geschoben, in der einen Hand das Mikrofon, während die andere
lässig den Takt schnippt, erhebt seine klare Jazzstimme, die ihn als
Big-Band-Crooner ebenso gut dastehen lässt wie als weißen Blueser.
Roger Ciceros Charisma und Präsenz auf der Bühne ließen Anfang
März die Zuschauer des Grand Prix Vorentscheids vergessen, für die
favorisierten Mädels von Monrose anzurufen. Nun wird der 36-Jährige am Samstag,
12. Mai, in Helsinki beim Eurovision Song Contest (20.15 Uhr, ARD) seinen Hit
"Frauen regier'n die Welt"
zum Besten geben, "um",
so sagt er, "Europa zu
beweisen, dass die deutsche Sprache nicht nur Härten aufweist, sondern richtig
swingen kann".
Den anderen schenkt er schlichtweg keine Aufmerksamkeit. Roger
Cicero ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass er sich Gedanken über
die Konkurrenz machen könnte. Das war bereits beim Vorentscheid der Fall und
wird auch in Helsinki nicht anders sein.
Warum es die Mädels von Monrose nicht nach Finnland schafften,
kann und will der gebürtige Berliner nicht erklären: "Ich schaute mir deren Auftritt überhaupt
nicht an. Ich bekam an diesem Tag nichts anderes mit als meinen eigenen Gig. Da
ich einen Tag später bereits auf Tour ging, hatte ich auch für eine nachträgliche
Analyse des Ganzen gar keine Zeit." Cicero ist einfach
glücklich darüber, Teil des europäischen Events zu sein: "Diese Veranstaltung ist eine aufregende
Geschichte, die mich schon immer interessierte."
Bislang hat Roger Cicero nur eine vage Vorstellung davon, wer ihm
am 12. Mai im hohen Norden die Punkte streitig machen könnte: "Ein paar Titel habe ich mir angehört. Das
klingt alles sehr vielversprechend. Doch Zeit blieb mir bislang keine, die
Konkurrenz unter die Lupe zu nehmen."
Direkt nach seiner erfolgreichen Tour schaute er bei der "Echo"-Verleihung vorbei,
stach kurzerhand Bela B., Sasha, Tobias Regner sowie Jan Delay im Rennen um den
"Besten Künstler Rock / Pop
National" aus und fungierte als Laudator "in meiner absoluten Lieblingskategorie Jazz".
Auch danach kam der in Hamburg lebende Sänger nicht zu Ruhe: "Im Moment habe ich für gar nichts mehr Zeit,
außer für das Absolvieren von Terminen."
Kein Wunder also, dass Roger Cicero etwas müde wirkt. Der schnelle
Ruhm, der plötzliche Erfolg (seine erste Soloplatte "Männersachen" erreichte in
kürzester Zeit Platin-Status), sind dem Sohn des 1997 verstorbenen Pianisten
Eugen Cicero immer noch suspekt: "Mit so etwas kann man nicht rechnen." An die Aufnahmen
für sein Album erinnert er sich gerne zurück: "Es gab keine Vorbilder, von denen ich mir etwas abschauen hätte können.
An Swing mit deutschen Texten hatte sich noch niemand getraut."
Die große Herausforderung sei es gewesen, die Sprache in die Musik
so einzubetten, dass das Ganze authentisch klang. Seine größte Sorge vor dem
Release der Scheibe war, "nicht
verstanden zu werden". Die Angst stellte sich schnell als
unbegründet heraus. Mittlerweile rechnet sich Cicero gute Chancen aus, auch vom
Rest Europa - wenn auch nicht textlich so doch durch den Swing - erhört zu
werden.