Sonntag, 22. November 2015

Eurovision am Sonntag (26)



Europa - Es ist wieder einmal Sonntag und der erste Schnee hat bei uns Einzug gehalten, die beschauliche Stille die draußen herrscht, trügt jedoch, denn diese Woche gab es eine ganz bizarre Diskussion in Deutschland mit interessantem Ausgang. Xavier Naidoo sollte, aber darf nicht zum Eurovision Song Contest fahren, in sozialen Netzwerken entflammte eine wütende Diskussion, dass Naidoo aufgrund seiner Äußerungen nicht auf einer europäischen Bühne stehen sollte.


"Gemeinschaftlich" wurde laut ARD-Unterhaltungschef Thomas Schreiber gestern Nachmittag dann entschlossen, Xavier nicht nach Stockholm fahren zu lassen. Wie auch immer man zu dem Fall steht, ob man es nun gut gefunden hätte, wenn Naidoo dabei gewesen wäre oder nicht, das ganze Thema war für den NDR eine Blamage und nun steht man mit leeren Händen da. Immerhin ist es erst Ende November, es bleibt also noch Zeit, etwas anderes auf die Beine zu stellen, doch wer wird sich nun noch trauen? Wer springt in die Höhle der Löwen, wer riskiert es, von den Medien zerrissen zu werden oder den Usern Spott und Häme zu kassieren?

Dass eine interne Auswahl in Deutschland keine Option zu sein scheint, dürfte nach den letzten Tagen klar geworden sein. Bereits 2011 geriet Lena Meyer-Landrut ins Kreuzfeuer, als Stefan Raab ihr und der ARD vorschlug, sie könnte ihren Titel in Düsseldorf verteidigen. Auch Oscar Loya wurde 2009 von den Medien kleingeschrieben bzw. fast gar nicht erwähnt. Die deutschen Zuschauer wollen also über ihren Beitrag selbst entscheiden, was auch ihr gutes Recht ist. Nur an einem vernünftigen Vorentscheidungskonzept scheint es dem NDR zu fehlen.

Ich erinnere mich noch an den ehrgeizigen Aufruf zum Vorentscheid 2010. "Unser Star für Oslo" war eine Show, die sich der "nationalen Aufgabe" annahm, mit ungewohnten Kooperationen zwischen öffentlich-rechtlichem und Privatfernsehen DEN Beitrag für den Eurovision Song Contest zu finden. Thomas Schreiber war einst genauso involviert wie die klugen Köpfe von Brainpool und nicht zuletzt Stefan Raab. Man fühlte, dass da Großes passierte, anders als im Jahr zuvor als uns der deutsche Beitrag einfach hingeklatscht wurde. Und genauso war es am Donnerstag irgendwie auch...

Der Ehrgeiz des NDR scheint vorüber. Nachdem ProSieben nach "Unser Star für Baku" die drei Jahre währende Koalition beendete, stand die ARD wieder vor einem Nichts. Die Vorentscheide 2013 bis 2015 waren allesamt okay, aber irgendwie nicht so innovativ, als das sie eine besondere Auszeichnung verdient hätten und auch wenn mir sowohl Cascada, als auch Elaiza und Ann Sophie gefielen, internationales Potenzial hatten sie nicht. Es wird Zeit, dass der NDR notfalls auch mit Hilfe von außen wieder etwas unternimmt, um der Eurovision den Staub der letzten Jahre abzuwischen.

Wir möchten nun herausfinden, was der NDR besser machen kann, um in Zukunft vielleicht auf besseres Feedback zu stoßen, wenn die Pläne für die neue Saison veröffentlicht werden. Wer mag kann an unserer Umfrage teilnehmen, die bis einschließlich nächsten Sonntag läuft. Darin stellen wir zwölf Fragen zu den Knackpunkten des deutschen Vorentscheids und hoffen so auf Antworten, was man tun könnte, um den Vorentscheid in Deutschland wieder salonfähig zu machen. Eure Antworten könnt ihr jederzeit gerne per E-Mail an eurofire.blog@web.de senden. Es gibt nichts zu gewinnen, aber auch nichts zu verlieren und vielleicht ein paar aufschlussreiche Ideen für den NDR. 

Des weiteren gibt es Bewegung im Teilnehmerfeld des Eurovision Song Contests 2016. Die EBU präsentierte den "Überraschungskandidaten" den nächsten Jahrgangs. Es handelt sich dabei um den gleichen wie im Vorjahr, nämlich um Australien. Die Europäische Rundfunkunion bekannte sich immerhin auf unsere Anfrage dazu, dass finanzielle Gründe hinter der Entscheidung stecken, die Aussies wieder ins Boot zu holen und von ihren Prinzipien abzuweichen. Die Beiträge der einzelnen Mitgliedstaaten sollen durch die Teilnahme eines spendablen Senders aus Übersee sinken.

Dass es jedoch keinen großen Ausschlag gibt, ob Australien nun dabei ist oder nicht zeigen die Sender aus Bosnien und Bulgarien. Während Bosnien-Herzegowina noch bis Ende des Jahres 25.000 Euro organisieren müsste, um auf der Teilnehmerliste zu bleiben, zog Bulgarien den Schwanz ein und wird wohl auch im kommenden Jahr pausieren. BNT hatte in dieser Woche mit dem Junior Eurovision Song Contest auch schon genug um die Ohren. Dennoch wünscht man sich natürlich, irgendwann auch wieder in der Ü16-Liga der Eurovision mitspielen zu können.

Die Kiddies-Ausgabe der Eurovision gewann gestern Abend in Sofia übrigens die maltesische Sängerin Destiny Chukunyere mit ihrem Titel "Not my soul", dahinter landeten Michael Varosian aus Armenien und Lina Kuduzović aus Slowenien, die von Marjetka Vovk und Raay, sprich dem Duo Maraaya, unterstützt und produziert wurden. Der Beitrag der kleinen Malteserin kommt echt frisch und stimmgewaltig daher, ich bin tatsächlich ein klein bisschen erfreut, über die musikalische Qualität der Beiträge.

Der Gastgeber landete auf dem neunten Rang, hinter Australien, die auch hier von der EBU eingeladen wurden. Ganz hinten rangierten Vorjahressieger Italien und Mazedonien. Der Wettbewerb wurde per Livestream auch vom NDR übertragen, Thomas Mohr sorgte sogar für einen Live-Kommentar. Ob das Aufschluss darüber gibt, ob sich Deutschland im nächsten Jahr am Wettbewerb beteiligt, bleibt zunächst offen.

Der nächste Event, der uns ins Haus steht ist nun die dritte Show des Türkvizyon Song Contests in Istanbul. Mittlerweile sind ein Großteil der Kandidaten in den einzelnen Regionen ausgewählt worden und trotz allem steigt die Teilnehmerliste weiter an. Unter anderem ist Serbien hinzugekommen und wird sein Debüt geben. Außerdem kehrt die russische Teilrepublik Altai nach einjähriger Pause zurück. Angeblich hat die Region im Fernen Osten im Vorjahr keine Einladung aus Tatarstan erhalten. Somit sind vorläufig 30 Nationen, Regionen und Völker für die Türkvizyon gemeldet. 

Die Woche geht mit großen Fragezeichen zu Ende, wir sind gespannt was in den nächsten Tagen noch passieren wird und ob der NDR es irgendwie noch hinbekommt, aus den Negativschlagzeilen herauszukommen. Sollten alle Stricke reißen, hätte ich da einen Vorschlag und eine Idealbesetzung für die Produktion im kommenden Jahr. Einer hat nämlich ab Januar viel Zeit für neue Aufgaben.