Mittwoch, 15. Juli 2009

Memories: Arabische Ausflüge zum Song Contest


Libanon - Am 21. Oktober 2004 meldete ESCtoday, dass der Libanon sein Debüt beim Eurovision Song Contest 2005 in der ukrainischen Hauptstadt Kiew geben würde. Zum damaligen Zeitpunkt war auch Ibrahim El Khoury, Generaldirektor des Senders Télé Liban optimistisch und kündigte möglichst bald die Nominierung eines Interpreten für Kiew an.

Der Sender Télé Liban wurde Anfang der 50er Jahre von den Geschäftsleuten Wissam Ezzeddine und Joe Arida gegründet und gehört heute zu 100% der libanesischen Regierung. 1962 nahm Télé Liban 2 den Sendebetrieb auf. Die dazugehörige Radiostation Radio Liban war eines der Gründungsmitglieder der European Broadcasting Union, schied jedoch 2002 aus der Organisation aus. Der Sitz des Senders ist Beirut. Der Sender verfügt als einziges EBU-Mitglied über keine eigene Website.

Bereits zwei Wochen später stand fest, dass die damals 23jährige Sängerin Aline Lahoud (الين لحود), Tochter des bekannten libanesischen Sängers Salwa Al Qatreeb ihr Heimatland bei der Jubiläumsausgabe des Song Contests vertreten sollte. Aline hatte zuvor bereits mit dem Song "It's over" vom Komponisten Jad Rahbani am Megahit Festival in der Türkei teilgenommen. Er sollte auch ihren Wettbewerbstitel schreiben.

Mitte Dezember 2004 hieß es dann plötzlich, Télé Liban könne aus finanziellen Gründen nicht am Eurovision Song Contest teilnehmen. Sendersprecherin Sady Farah schloss von vorn herein aus, dass der Rückzug nicht politisch motiviert sei und die Teilnahme Israels am Contest nichts mit dem Rückzug zu tun habe. Am selben Tag lief die Frist für eine kostenfreie Abmeldung vom Wettbewerb ab.

Am 20. Dezember tauchte der Libanon dennoch auf der bestätigten Teilnehmerliste der EBU auf, neben den weiteren Debütanten Bulgarien und Moldawien sowie dem Rückkehrer Ungarn sollte der Libanon als 40. Teilnehmerland in Kiew dabei sein. Dafür meldete sich die Tschechische Republik kurzfristig vom Song Contest ab.

Bis Anfang März 2005 sah es dann auch tatsächlich so aus, als würde der Libanon in der Ukraine dabei sein. Mittlerweile wurde auch der Songtitel "Quand tout s'enfuit" benannt. Den Text schrieb Romeo Lahoud, der die Wahl der französischen Sprache damit begründete, dass Französisch neben Arabisch die zweite Amtssprache im Libanon sei und das Land eines der führenden Nationen im Staatenbund der Francophonie sei.

Wenige Tage später kam es zur Disqualifikation des Beitrags und zu einer dreijährigen Sperre des libanesischen Fernsehens für den Eurovision Song Contest. Grund hierfür war eine, von Télé Liban in Auftrag gegebene, Website mit der Teilnehmerliste von Kiew, die jedoch nur 39 Nationen (Israel wurde ignoriert) zählte. Nachdem dem Versäumen der vierundzwanzigstündigen Änderungsfrist schloss die EBU den libanesischen Sender vom Wettbewerb aus.

Die Firma, welche für die Erstellung der Website verantwortlich war, begründete die Nicht-Erwähnung Israels damit, dass sie sich lediglich an libanesische Gesetze halte. Jegliche Erwähnung Israels würde gegen geltendes Recht des libanesischen Staates verstoßen. Dadurch konnte der Sender Télé Liban der EBU auch nicht garantieren, dass der israelische Beitrag von Shiri Maimon während der Liveübertragung ausgestrahlt werden könne. Das Song Contest-Reglement sieht jedoch eine Übertragung aller Beiträge vor.

Am 18. März 2005 kam es dann zur schlussendlichen Disqualifikation. Svante Stockselius drückte in einer amtlichen Erklärung auch sein Bedauern für die junge Sängerin Aline Lahoud aus. Während des Treffens der Reference Group Ende März beschlossen die EBU-Obersten ein Bußgeld gegen den Sender Télé Liban und setzten eine dreijährige Sperrfrist, die mit dem Song Contest 2008 auslief.

Jad Rahbani, der Komponist von "Quand tout s'enfuit" sagte in einem späteren Interview: "Alles was wir wollten war, dass unsere Stimme und unsere Musik in der ganzen Welt gehört wird... wir hoffen, dass sich die Musik eines Tages durchsetzen kann." Im Libanon hat sich seitdem ein eigener Fanclub des OGAE-Netzwerks gegründet. Der Sender Télé Liban hat sich jedoch nie wieder zu einer aktiven Teilnahme am Song Contest geäußert, wahrscheinlich auch, weil sich die libanesischen Gesetze seither nicht geändert haben.

Mit Ausnahme von Marokko, das nur aufgrund der Nicht-Teilnahme Israels 1980 in Den Haag teilnahm, scheiterten alle arabischen Länder bereits im Vorfeld des Eurovision Song Contests an den Teilnahmebedingungen. So zog sich Tunesien trotz gezogener Startnummer für den Eurovision Song Contest 1977 zurück. Das jordanische Fernsehen unterbrach 1978 die Übertragung des Wettbewerbs während des israelischen Beitrag von Izhar Cohen und blendete eine Sendetafel mit Blumen ein.

Als sich während des Votings ein israelischer Sieg abzeichnete, beendete der jordanische Sender JRTV sein Programm und zeigte stattdessen einen amerikanischen Spielfilm. In den jordanischen Medien wurde am Tag darauf verkündet, Belgien (Platz 2) hätte den Wettbewerb gewonnen. 1979 strahlte das jordanische Fernsehen die Punktevergabe überhaupt nicht aus (Israel gewann erneut mit Gali Atari).

Im selben Jahr zog das türkische Fernsehen seinen Beitrag "Seviyorum" von Maria Rita Epik & 21. Peron zurück. Als offizieller Grund wurden finanzielle Probleme aufgrund der damals anhaltenden weltweiten Ölkrise genannt. Wie später bekannt wurde, wurde der Sender von mehreren arabischen Ländern unter Druck gesetzt, seine Teilnahme am Eurovision Song Contest zurückzuziehen, da man der Türkei ansonsten das Öl abgedreht hätte.

Die andauernden Konflikte im Nahen Osten sprechen ebenfalls dafür, dass sich in naher Zukunft keine arabischen Nationen für den Song Contest anmelden werden.