Freitag, 6. Oktober 2017

Kommentar: Nein, wir sind nicht spät dran



Europa - Jedes Jahr, nachdem der erste Herbststurm über Hamburg und wie im Falle von Xavier über halb Deutschland gezogen ist, stellen wir uns die Frage, ob in diesem Jahr alles langsamer abläuft, als noch in der Saison zuvor. Ich habe im Archiv nachgeschaut und kann mit Fug und Recht behaupten: Nein! Der erste Song Contest-Teilnehmer für Kiew stand erst am 21. Oktober 2016 fest, damals war es der zypriotische Kandidat Hovig, der Song "Gravity" war natürlich noch nicht zu hören.

Nummer eins für Lissabon:
Laura aus Belgien
In diesem Jahr preschte Belgien quasi an allen vorbei und hat uns mit der sympathischen Sängerin Laura Groeseneken bereits in dieser Woche die erste Interpretin für Lissabon beschert. Sie ist zwar nicht die bekannteste belgische Künstlerin, hat aber dennoch schon eine beeindruckende Tournee-Erfahrung und war schon in diversen kleineren und größeren Clubs unterwegs. Man kann also davon ausgehen, dass sich das flämische Fernsehen bei ihrer Nominierung durchaus etwas gedacht hat.

Was uns in der Saison 2017/18 allerdings noch fehlt sind ein paar Konzepte, Termine für Vorentscheidungen und natürlich weitere intern nominierte Kandidaten. Langsam aber sicher wächst aber auch die Liste der Vorentscheidungsshows im kommenden Jahr. Mit dem albanischen Festivali i Këngës dürfte es Ende Dezember wieder losgehen. Dann wissen wir auch schon, wer beim Melodifestivalen dabei sein wird etc.

Bestätigte seine Teilnahme
2016 erst am 25. Oktober:
Moldawien
Momentan warten wir aber tatsächlich auch immer noch auf ein paar Reaktionen aus Nationen, die sich zu ihrem Ausflug nach Lissabon noch nicht geäußert haben. Während man beim moldawischen Fernsehen TRM aus Erfahrung behaupten kann, dass sich der Sender stets mit seiner Bestätigung Zeit lässt und man nach dem sensationellen dritten Platz mit dem SunStroke Project garantiert keinen Rückzieher macht, wundert die Zurückhaltung aus Ungarn doch...

Es ist noch nicht allzu lange her, da setzte Ungarn aus finanziellen Gründen aus, kehrte aber mit einem starken Konzept in den Wettbewerb zurück. Kati Wolf schmierte in Düsseldorf 2011 im Finale zwar ab, setzte jedoch den Beginn für einen wahren Lauf, den Compact Disco, ByeAlex und Co. in den letzten Jahren fortsetzten. Zuletzt schaffte es Roma Joci Pápai in die Top Ten von Kiew und bescherte dem ungarischen Fernsehen, wie auch schon der Vorentscheid, hervorragende Quoten.

Brachte Ungarn wieder ins
Finale: Kati Wolf (2011)
Selbst wenn MTV knapp bei Kasse wäre, wird es so eine gefragte Show ganz sicher nicht aus dem Programm nehmen. Bei San Marino dürfte es schon etwas anders aussehen, nicht wenige Faktoren sprechen dafür, dass Valentina Monetta und Jimmie Wilson die vorerst letzten Interpreten der kleinen Republik waren. Unabhängig von der Größe des Landes und der geringen Bedeutung San Marinos für die Europäische Rundfunkunion wäre ein Rückzug sehr schade, zumal das Land die Ehre der Zwergstaaten hochhält.

Andorra, Monaco, Luxemburg und Liechtenstein können oder wollen in Lissabon nicht dabei sein, mit San Marino verbleibt somit nur einer der Kleinsten beim Song Contest. Dennoch dürfte man es dem Sender SMRTV nicht überübeln, wenn sie, insbesondere aufgrund der Benachteiligung im Voting, keine Lust mehr auf die Eurovision hätten. Von einer Connection mit Italien, wie es z.B. Andorra und Spanien hielten, konnte nie die Rede sein, wenn, dann nur einseitig zum Nutzen Italiens.

Und dann steht auch immer noch die Frage im Raum, wie es mit dem kasachischen Debüt ausschaut. Khabar ist assoziiertes Mitglied der EBU, seit Jahren engagiert dabei, den Wettbewerb zu übertragen und mit eigenen Kommentatoren zu begleiten. Aufgrund der geographischen Lage, immerhin ein kleiner Teil zählt zu Europa, und der Mitgliedschaft in der ITU, dürfte Kasachstan ähnliche Kriterien erfüllen, wie einst Australien, das bereits zum vierten Mal dabei ist.

Bauboom in der Steppe, heißt
es bald "Astana calling"?
Eine weitere Expansion Richtung Osten und die Einbeziehung von Nationen wie Kirgisien, Usbekistan oder gar der Mongolei und China ist sehr abwegig, Kasachstan erfüllt hingegen die besten Voraussetzungen, um auf eine Einladung durch die Reference Group hoffen zu können. Es bringt dringend benötigtes Geld mit und hat Interesse am Wettbewerb. Zudem kann sich die lebendige Musikszene zwischen Atyrau und Astana durchaus sehen lassen, wie Beiträge bei der Türkvizyon unter Beweis stellten.

Wie auch immer es in dieser Frage weitergeht, die nächsten Wochen werden uns, auf ganz Europa bezogen, einige aufschlussreiche Fakten bringen. Auch wenn es vor einem Jahr bereits die ersten Ergebnisse aus der armenischen Castingshow "Depi Evrotesil" zu vermelden gab, durch deren Hilfe Artsvik für Kiew ermittelt wurde, so bin ich nach wie vor guter Dinge, dass wir in den nächsten Tagen informationsreiche Aussagen von den Rundfunkanstalten zwischen Island und Tasmanien erhalten werden.

In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern ein schönes Wochenende, unter der Voraussetzung, dass der totale Herbstbeginn noch etwas ausbleiben möge und sich die Sonne vielleicht doch noch einmal blicken lässt...