Dienstag, 10. Februar 2015

Australien: Zwei Zigaretten später


Australien - Mit frischem Nikotinspiegel lässt es sich vielleicht ein bisschen objektiver beschreiben, was sich die Europäische Rundfunkunion gemäß dem Motto "Building bridges" hat einfallen lassen. Australien ist also die große Überraschung, die uns die EBU vor wenigen Wochen angekündigt hat, nicht die Türkei, nicht Griechenland und schon gar nicht Tschechien, wie wir nun wissen.
 
"Es ist unsere Art zu sagen: Lasst uns diese Party zusammen feiern.", sagte Jon Ola Sand, als die Meldung über das Debüt Australiens beim Song Contest publik gemacht wurde und damit wirbelt der kleine Norweger die gesamte Eurovisionsgeschichte gleich in mehreren Punkten auf. Zum ersten Mal werden 27 Nationen im Eurovisionsfinale an den Start gehen, zum ersten Mal ist ein Nicht-EBU-Mitglied Teil des Wettbewerbs.
 
Ich kann all diejenigen verstehen, die schimpfen werden, was das nun noch mit einem europäischen Liederwettstreit zu tun hat. Die EBU hat in all ihren Jahren auf die Regeln verwiesen, Liechtenstein durfte trotz Bemühens nie teilnehmen, weder in den 70er Jahren noch jetzt, wo sich 1FL TV ein Bein ausreißt um sich die Mitgliedschaft finanzieren zu können. Kasachstan wurde abgewiesen, mit der Begründung man läge außerhalb der EBU-Grenzen. 
 
Fanbase in Australien hin oder her, wie kann man ein Land, dessen Hauptstadt 16.491km vom Song Contest-Geburtsort Lugano entfernt liegt, teilnehmen lassen, während man über mehrere Dekaden beharrlich auf sein Regelwerk pocht? Hätte es ein weiterer Interval-Act wie in Kopenhagen nicht auch getan? Die EBU betont zwar, dass es sich anlässlich des Jubiläums um eine Ausnahme handelt, fair ist dies trotzdem nicht.
 
Der Sender SBS in Australien muss sich zudem nicht durch die Semifinals schlagen. Man wolle dem Land somit garantieren, dass es auch in jedem Fall beim Song Contest-Finale mit dabei ist und die Chancen für die Halbfinalisten nicht geschmälert werden. Das wird die Senderchefs in Andorra, Prag und Riga freuen, die jahrelang schon im Halbfinale herumkrebsen oder gar nicht mehr mitmachen. Sollte Down Under tatsächlich gewinnen, so soll die Ausrichtung 2016 in einer europäischen Stadt zusammen mit einem EBU-Mitglied veranstaltet werden und Australien dürfte noch einmal einen Kandidaten entsenden.
 
Auch wenn der Wettbewerb in Australien Sonntagmorgen übertragen werden soll, soll das Land stimmberechtigt sein, per Jury- und Televoting, wie alle anderen Nationen auch. Wie das Prozedere technisch umgesetzt werden kann, wird derzeit überprüft. Australien überträgt den Wettbewerb seit 1974 und seit 2009 schickt SBS Julia Zemiro und Sam Peng als Kommentatoren zum Contest. 
 
Die Resonanzen aus ganz Europa sind durchaus positiv, ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz zeigte sich erfreut, dass die Eurovision mit dem Debüt Australiens auf eine globale Ebene angehoben wurde, viele Fans von Israel bis an den Rand des Nordatlantiks sympathisieren mit den Australiern. Ein Song und ein Interpret sollen bis spätestens 16. März gefunden werden, so die EBU in ihrer offiziellen Mitteilung.
 
Auf die Frage warum Australien und kein anderes Land schreibt die offizielle Website: "Australien hat eine lange Tradition, den Eurovision Song Contest zu übertragen und eine sehr loyale Fanbase, die das Event jedes Jahr verfolgen. SBS ist zudem ein assoziiertes Mitglieder EBU.", das sind u.a. CCTV in China, NBC in den USA, SABC in Südafrika und Télévision de Mauritanie auch. Ich fürchte, dass dem Sender in Nouakchott keine Einladung ins Haus geflattert ist, weil dort wohl gut wie keiner je vom Song Contest gehört haben wird. Ein Semifinale mit sämtlichen interessierten assoziierten Mitgliedern fände ich da sogar noch angebrachter, dann hätten sich dort von mir aus ein, zwei Kandidaten qualifizieren können.
 
Und die EBU zeigt mit der Vergabe an Australien ganz deutlich, dass sie keinen großes Engagement daran verschwendet, Traditionsländer wie Luxemburg oder Monaco zu unterstützen, finanzschwache Länder wie Bosnien, Kroatien, die Slowakei oder Andorra zurück ins Boot zu holen oder angepisste Sender wie in der Türkei und Marokko neu zu begeistern. Ich bin gespannt auf die Einschaltquote der Australier und vor allem, wie viele Punkte der australische Beitrag 2015 holen wird, da es sich hierbei um ein unfassbares Unikum handelt, ist der Sieg nicht abwegig.