Montag, 28. Dezember 2009

Memories: Eurovision Song Contest 1964


Dänemark - Dass die Anfänge des Eurovision Song Contest nicht ganz lückenfrei sind, haben wir unter anderem auch dem dänischen Fernsehen DR zu verdanken, dass für die Ausrichtung des Eurovision Song Contest 1964 zuständig war. Bis heute hält der Sender die Aufnahmen unter Verschluss. Einen offiziellen Grund dafür gibt es bis heute nicht, aus den Kreisen der EBU heißt es, man hätte die Aufzeichnungen verlegt.

Nun mag auch der bislang einzige Störfall beim Eurovision Song Contest eine Rolle beim Verschwinden der Aufnahme spielen. Beim Wettbewerb 1964 gab Portugal, das damals durch die diktatorische Führung von António de Oliveira Salazar geprägt war, sein Debüt am Wettbewerb. Bekanntermaßen standen die skandinavischen Länder dieser Regierung kritisch gegenüber, letztlich führten Bemühungen der damals schon "unpolitischen" EBU zur Teilnahme des Landes.

Ein großes Sicherheitsaufgebot mit zahlreichen Polizeikräften rund um den Austragungsort, den Konzertsaal des Tivolis, Kopenhagens Freizeitpark, sollte einen reibungslosen Ablauf der Show ermöglichen. Umso prikärer die Tatsache, dass während eines Bühnenumbaus vor dem belgischen Beitrag ein Mann auf die Bühne stürmte und sein Transparent in die Kamera hielt. Mit dem Ausruf "Nieder mit Franco. Nieder mit Salazar." drückte er gleichermaßen seinen Protest gegen die Oberhäupter auf der Iberischen Halbinsel aus.

Keine politischen Boykottgedanken sondern ein Künstlerstreik verhinderte, dass Schweden am Eurovision Song Contest 1964 in Kopenhagen teilnehmen konnte. Nachdem jener Streik Ende März, einen Tag vor dem Wettbewerb beigelegt werden konnte, entschloss sich das schwedische Fernsehen aber immerhin den Wettbewerb zu zeigen, im Folgejahr sollte das Land auch wieder dabei sein. Somit fand der Wettbewerb in Kopenhagen erneut mit sechzehn Nationen statt. Durch den Abend, der durch einen nahezu einheitlichen Musikstil geprägt war, führte Lotte Wæver.

Lediglich die für die BR Deutschland startende Sängerin sorgte für etwas modernere Töne. Die in Bulgarien als Ahinora Kumanova geborene Sängerin Nora Nova wurde zuvor im Vorentscheid "Ein Lied für Kopenhagen" des Hessischen Rundfunks in Frankfurt am Main aus einer Konkurrenz mit sechs Kandidaten gewählt. Ihr Titel "Man gewöhnt sich so schnell an das Schöne" schien die Juroren allerdings keineswegs zu beeindrucken und die Bundesrepublik fuhr erstmals im Wettbewerb mit null Punkten nach Hause.

Nora Nova geriet bereits unmittelbar nach dem desaströsen Abschneiden in Vergessenheit, erst im Jahr 2007 lud sie das bulgarische Fernsehen BNT als Talkgast in die Vorentscheidungsshow ein. Immerhin: den letzten Platz teilte sich Nora Nova, wahrscheinlich auch aufgrund des wieder geänderten, aber immer noch nicht ausgeklügelten Punktesystems mit drei weiteren Leidensgenossen.

Neben Sabahudin Kurt aus der jugoslawischen Teilrepublik Bosnien-Herzegowina und dem Portugiesen Antonio Calvario, der mit seinem "Oração" ("Gebet") nicht erhört wurde und wegweisend für die bis heute eher mäßige portugiesische Eurovisionsbilanz ist, landete auch die Schweizer Sängerin Anita Traversi auf dem letzten Rang.

Die im Tessin geborene Sängerin ging bereits 1960 für die Schweiz an den Start und erzielte damals mit "Cielo e terra" den achten Platz. Zuvor startete sie ihre Karriere beim Radio-Orchester in der italienischen Schweiz und nahm an Musiksendungen wie "Musik ohne Grenzen" und "Musique auxh Champs Elysées" teil. Auch bei den Deutschen Schlagerfestspielen konnte sie mit "Ob in Bombay, ob in Rio" einen Erfolg erzielen und wurde Zweite. Nachdem das Interesse an ihren musikalischen Veröffentlichungen sank, zog sich Traversi zu Beginn der 70er Jahre aus dem Showgeschäft zurück, im Jahr 1991 starb sie in ihrer Heimat, dem Tessin.

Mit einem Punkt an der roten Laterne vorbeigeschrammt waren hingegen die Spanier, die ganz die Regeln des Wettbewerbs nach ihren Vorstellungen auslegten. Zu jener Zeit waren Gruppen nicht erlaubt gewesen und nur Solisten oder Duos zulässig. Somit deklarierten die Spanier das eigentliche Trio Los TNT als Duo "Tim & Tony" und gaben deren Schwester Nelly als Backgroundsängerin an. Geholfen hat es allerdings auch nicht viel, der Titel "Caracola" erhielt nur einen Zähler aus Italien.

Das Fürstentum Monaco holte sich wieder prominente Hilfe aus dem Ausland und schickte den französischen Sänger Romuald Figuier alias Romuald in die dänische Hauptstadt. Mit dem Chanson "Où sont-elles passées?" ("Wohin sind sie gegangen?") legte er den Grundstein für zwei weitere Teilnahmen am Song Contest in den Jahren 1966 und 1974. Sein erster Anlauf für Monaco blieb mit Platz drei jedoch sein erfolgreichster. Für Luxemburg ging Romuald 1968 beim Festival von Sopot an den Start und für seine Heimat Frankreich 1973 beim internationalen Musikfestival "Viña del Mar" in Chile.

Ebenfalls dreimal am Wettbewerb nahm der österreichische Interpret teil. Der damals 30jährige Udo Jürgens stand damals noch am Beginn seiner Karriere. Sein Wettbewerbstitel "Warum nur, warum" schaffte beim Song Contest den sechsten Platz. In den deutschen Verkaufscharts konnte sich der Titel auf der #21 platzieren. Die englische Version "Walk away", gesungen von Matt Monro, verkaufte sich hingegen weltweit 1,5 Millionen Mal und belegte in Großbritannien sogar den vierten Platz der Charts.

Stichwort Matt Monro: dieser stieg am gleichen Abend für das Vereinigte Königreich auf die Bühne. Als singender Busfahrer machte er sich zunächst in Clubs auf der Insel einen Namen. Mit dem Lied "From Russia with love", dem Titellied des James-Bond-Films "Liebesgrüße aus Moskau", der 1963 in die Kinos kam, erreichte er den Höhepunkt seiner Karriere. Beim Grand Prix im Jahr darauf platzierte sich Monro, der bürgerlich Terrence Parsons hieß, auf dem zweiten Rang. 1985 verstarb Monro im Alter von 54 Jahren an Krebs.

Geschlagen wurde Monro mit einem deutlichen Abstand von 32 Punkten von der erst 16jährigen Italienerin Gigliola Cinquetti. Ihre Darbietung ist die einzige die heute verfügbar ist. Unschuldig daherkommend und schlicht auf der Bühne stehend sang sie in ihrem Lied "Non ho l'età (per amarti)", dass sie zu jung sei um ihn zu lieben. Wie viel man in diesen Titel interpretiert bleibt dem Betrachter überlassen, wer die Top 50 mit Maren Kroymann in der Blue Box gesehen hat, weiß was ich meine.

Die Juroren wählten den Titel, der zuvor auch das San Remo-Festival gewann, eindeutig zu ihrem Favoriten und kürten Cinquetti damit zur bis dato jüngsten Siegerin des Grand Prix. Bis zum Sieg von Sandra Kim 1986 sollte sie dies auch bleiben. "Non ho l'età" verkaufte sich europaweit hervorragend, es gab weitere Versionen in Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch und sogar Japanisch. Beim Song Contest trat sie noch zweimal in Erscheinung, 1974 als Sängerin des Titels "" und 1991 als Moderatorin des Contests in Rom an der Seite von Toto Cutugno.

Wie in der englischen Wikipedia nachzulesen ist, moderiert sie auch heute noch auf dem Sender RAI International. Das zehnjährige Jubiläum des Grand Prix Eurovision sollte im nächsten Jahr in Neapel stattfinden. Und von dieser Veranstaltung existieren sogar wieder Aufzeichnungen, Bilder und Tondokumente.

Die Teilnehmer:
01. - 049 - Gigliola Cinquetti - Non ho l'età 
02. - 017 - Matt Monro - I love the little things 
03. - 015 - Romuald - Où sont-elles passées? 
04. - 014 - Hugues Aufray - Dés que le printemps revient 
04. - 014 - Rachel - Le Chant de Mallory 
06. - 011 - Udo Jürgens - Warum nur, warum 
07. - 009 - Lasse Mårtenson - Laiskotellen 
08. - 006 - Arne Bendiksen - Spiral 
09. - 004 - Bjørn Tidmand - Sangen om dig 
10. - 002 - Anneke Grönloh - Jij bent min leven 
10. - 002 - Robert Cogoi - Prés de ma Rivière 
12. - 001 - Los TNT - Caracola 
13. - 000 - Nora Nova - Man gewöhnt sich so schnell an das Schöne 
13. - 000 - Antonio Calvario - Oração 
13. - 000 - Sabahudin Kurt - Zivot je sklopio krug 
13. - 000 - Anita Traversi - I miei pensieri