Donnerstag, 20. April 2023

Euronight: Ein Jahr nach dem American Song Contest


USA
- Der 9. Mai 2023 ist der Tag, an dem das erste Halbfinale des Eurovision Song Contests in Liverpool stattfinden wird. Loreen, Käärijä und Co. treten in der M&S Bank Arena in Merseyside um zehn Finalplätze an und es verspricht wie immer ein spannungsgeladenes Festival der Musik und Emotionen zu werden, insbesondere da das erste Halbfinale in diesem Jahr als das stärkere gilt. Doch nahezu untergegangen ist, dass exakt ein Jahr zuvor das Finale des American Song Contest der NBC stattfand.

Mit Kelly Clarkson und Snoop
Dogg hatte die NBC prominente
Moderatoren am Start
Mittlerweile ist es ruhig geworden um den ersten Ableger des Eurovision Song Contests, der es über das Planungsstadium hinaus geschafft hat. Es gab bereits mehrere Anläufe in Asien, auch in Afrika und jüngst in Südamerika existierten Pläne, einen Wettbewerb nach dem Konzept der Eurovision stattfinden zu lassen. Bis Christer Björkman mit einer Delegation der Europäischen Rundfunkunion den Plan hatte, den Wettbewerb über den Großen Teich hinweg im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu etablieren.

Schnell jedoch stellten die Produzenten fest, dass die unbegrenzten Möglichkeiten doch begrenzt waren. Man verhandelte mit mehreren TV-Netzwerken, am Ende war jedoch nur die NBC dazu bereit, das Konzept zu testen. Die Eurovision wie wir sie in Europa kennen, sollte für den US-amerikanischen Markt angepasst und ausgestrahlt werden. Dies bedeutete zunächst einmal, dass man 50 Bundesstaaten, fünf Überseegebiete und den Hauptstadtdistrikt unter einen Hut bekommen musste, was schon mal eine logistische Herausforderung darstellt.

Das Voting war in den ersten
Shows komplizierter als das 
Regelwerk beim ESC...
Anders als bei der Eurovision, die über Jahrzehnte hinweg von sieben bis auf über 40 Nationen angewachsen ist, sollte der American Song Contest von null auf hundert gehen. Darüber hinaus wurde nur das Grundgerüst an Regeln übernommen, selbst Livegesang wurde zu einer freiwilligen Entscheidung, zudem war das Format derart komplex und musste in mehrere Zeitzonen passen, sodass man das Voting ins Internet verfrachtete und eine komplette Woche laufen ließ. Die Zuschauer erfuhren erst in der folgenden Show, wer es tatsächlich weiter geschafft hat.

Verkompliziert wurde das Voting dadurch, dass zumindest der Juryliebling noch während der Show erfuhr, dass er weiter ist. In Show eins war dies z.B. Hueston mit "Held on too long" für den kleinen Neuengland-Staat Rhode Island. Über die anderen Kandidaten urteilten später die Zuschauer per Online-Voting. In der ersten Show zogen somit die spätere Gesamtsiegerin AleXa für Oklahoma, Christian Pagán für Puerto Rico und Michael Bolton für Connecticut weiter. Die übrigen Interpreten waren zunächst ausgeschieden, darunter die wunderschöne County-Nummer "Never like this" aus Arkansas oder "New boot goofin'" aus Wyoming, das hier zu seinem neckischen Beinamen "Das San Marino Amerikas" kam.

Ryan Charles im 
Dienste Wyomings
Da das Juryvoting publik gemacht wurde, nicht jedoch die Zahlen aus dem Online-Voting kam es zu bizarren Ergebnissen. So qualifizierten sich in Show 3 etwas Juryfavorit Tennessee sowie im Zuschauervoting die Plätze drei, vier und sechs (Alabama, Texas und Colorado), nicht jedoch die Zweit- und Fünftplatzierten der Juroren. Nach fünf Vorrunden standen fünf Jurysieger und 15 Zuschauerlieblinge in der nächsten Runde. Allerdings: Plötzlich war auch Ryan Charles aus Wyoming wieder im Rennen, denn neben den eigentlichen Qualifikanten gab es noch eine "Redemption", mit anderen Worten ein Herz für Chancenlose.

Auf diesem Wege schafften es Wyoming (Platz 10 in der ersten Vorrunde) und New York (Platz 9 in der zweiten Vorrunde) zu ihren Auftritten in den beiden Halbfinals. Mit 22 Interpreten ging dieses Prinzip wieder von vorne los. Die Künstler sangen, in den Semifinals wurde der Juryfavorit vorgestellt. Dies waren in Show 1 Allen Stone für Washington und Tyler Braden für Tennessee in Show 2. Es dauerte bis zum 4. Mai, fünf Tage vor dem Finale des American Song Contests, ehe die komplette finale Line Up feststand, Rhode Island und Wyoming blieben hierbei auf der Strecke.

Von American Idol zum
American Song Contest:
Kelly Clarkson
Für das Finale stellten die Moderatoren Kelly Clarkson und Snoop Dogg, immerhin beides Weltstars, ein noch komplexes Voting vor, das immerhin live stattfand. So gab es zehn Jurys, die nach Regionen zusammengefasst Punkte im Eurovisionsschema von einem bis zu zwölf Punkten vergaben. Während sich die Juroren vorrangig auf den Act aus Washington einigten, vergab jeder US-Bundesstaat im öffentlichen Voting noch einmal einen kompletten Punktesatz. Diese wurden, um den Flow nicht noch zusätzlich zu unterbrechen, immerhin wie beim europäischen Pendant zusammengefasst und pro Bundesstaat bekannt gegeben.

Das Ergebnis des Finales (Jury- und Zuschauervoting):
01. - 710 (056+654) - Oklahoma - AleXa - Wonderland
02. - 503 (025+478) - Colorado - Riker Lynch - Feel the love
03. - 407 (079+328) - Kentucky - Jordan Smith - Sparrow
04. - 366 (042+324) - Texas - Grant Knoche - Mr. Independent
05. - 359 (105+254) - Washington - Allen Stone - A bit of both
06. - 342 (037+305) - Amerikanisch-Samoa - Tenelle - Full circle
07. - 338 (040+298) - Connecticut - Michael Bolton - Beautiful world
08. - 285 (060+225) - Alabama - Ni/Co - The difference
09. - 267 (048+219) - North Dakota - Chloe Fredericks - Can't make you love me
10. - 251 (088+163) - Tennessee - Tyler Braden - Seventeen

In Kombination aus Jury- und Zuschauervoting ging dann Oklahomas Vertreterin AleXa, eine 1996 in Tulsa geborene Sängerin mit südkoreanischen Wurzeln und ihrem Manga-Song "Wonderland" als Siegerin hervor. Schon kurz nach dem Finale verliefen sich die Spuren der Show im Sande, für die NBC wurde der American Song Contest im Vergleich zu den TV-Quoten anderer US-Networks zum Flop. Im August sagte Christer Björkman noch, man stünde in Verhandlungen, es sei aber vor allem eine Kostenfrage. Dass die NBC die Kosten für einen zweiten Wettbewerb in diesem Jahr nicht wiederholt aufbringen wollte, stand schließlich dieses Jahr im Februar fest. 

Mittlerweile wohl nicht mehr
so frohen Mutes: 
Christer Björkman
Zwar sei die Idee des Wettbewerbs, der zeitversetzt u.a. auch in Deutschland und Österreich auf ServusTV zu sehen war, noch nicht gänzlich gestorben, für 2023 plane man jedoch keine weitere Ausgabe. Der Fernsehmarkt in den USA ist anders aufgebaut als in Europa, sodass die Produktionsfirma von Christer Björkman im Zweifel den Kürzeren gegenüber der NBC ziehen wird. Dabei waren sowohl prominente Interpreten, etwa Michael Bolton oder auch Jewel für Alaska am Start sowie Lieder die man sich auch ein Jahr später noch gut und gerne anhören kann, etwa "Mr. Independent" aus Texas oder "Feel the love" aus Colorado.

Grundsätzlich ist die Idee eines landesweiten Wettbewerbs in den USA nicht falsch und hätte bestimmt anders Anklang gefunden, wenn man das Produkt nicht völlig neu konzipiert hätte. Die Langatmigkeit, das Wertungsverfahren und vermutlich auch die Promotion des Wettbewerbs führten dazu, dass der American Song Contest ein Schattendasein in den Vereinigten Staaten geführt hat und vermutlich so bald nicht zurückkehren wird. Ähnliche Formate sind inzwischen in Kanada und Südamerika geplant, ob es hier erfolgreicher laufen wird, bleibt abzuwarten.