Donnerstag, 13. August 2009

Memories: Eurovision Song Contest 1959


Frankreich - Am 11. März 1959 meldete sich das französische Fernsehen RTF von der Côte d'Azur, aus dem kleinen Städtchen Cannes, in dem zur damaligen Zeit bereits die jährlich stattfindenden Filmfestspiele ausgerichtet wurden und das bis zum heutigen Tage eines der mondänsten Strandbäder entlang der französischen Riviera darstellt. 1959 fand zudem im Palais des Festivals der mittlerweile vierte Grand Prix der Eurovision statt.

Mit einem Blick auf die nächtliche Strandpromenade von Cannes wurde der Wettbewerb eröffnet. Als Moderatorin des Abends trat Jacqueline Joubert auf, die auch 1961 den Wettbewerb moderieren sollte. Sie war eine der ersten Persönlichkeiten im französischen Fernsehen nach dem Zweiten Weltkrieg und widmete sich später der Produktion von Kinderprogrammen und dem populären Fernsehmagazin Récré A2 . Sie verstarb 2005 im Alter von 83 Jahren. Sie stellte zu Beginn des Wettbewerbs alle Interpreten des Abends kurz vor, die mit Hilfe von drei Drehbühnen kurz auf der Bühne auftauchten und dem Publikum entgegen nickten.

Der Wettbewerb fand erstmals mit elf Nationen statt. Das nicht weit von Cannes entfernte Fürstentum Monaco gab sein Debüt, während Luxemburg auf die Teilnahme verzichtete. Nach einjähriger Pause kehrte dafür Großbritannien zum Wettbewerb zurück.

Monacos erster Teilnehmer landete auch sogleich mit einem ernüchternden Punkt auf dem letzten Platz. Gesungen wurde der Titel "Mon ami Pierrot" ("Mein Freund Pierrot") vom gebürtigen Franzosen Jacques Pills, der in den 30er Jahren mit dem Duo Pills et Tabet bereits einige Erfolge hatte. 1939 heiratete er die Sängerin Lucienne Boyer, deren Tochter Jacqueline nur ein Jahr nach der Teilnahme ihres Vaters die Familienehre retten und den Eurovision Song Contest gewinnen sollte.

Die Rückkehrer aus Großbritannien waren dort schon erfolgreicher. Das Ehepaar Pearl Carr & Teddy Johnson nahm eine Fingerpuppe in Form eines kleinen Vogels mit auf die Bühne, die zur Untermalung ihres Titels "Sing little birdie" diente. In der Wertung lagen die beiden lange Zeit vorne, bis sie schlussendlich den zweiten Platz belegten, eine Platzierung, die die Teilnehmer des Vereinigten Königreichs bis heute noch weitere vierzehn Mal einfahren sollten.

Auch in diesem Jahr gab es zwei Rückkehrer, die sich schon zuvor am Wettbewerb versucht hatten. Dänemark schickte Birthe Wilke erneut ins Rennen, diesmal jedoch ohne ihren Gatten, den sie zwei Jahre zuvor in Frankfurt am Main heiß und innig vor geschocktem Publikum küsste. Sie erreichte mit ihrem Lied "Uh, jeg ville ønske jeg var dig" den fünften Platz.

Und auch die Italiener bauten auf Altbewährtes und gaben Domenico Modugno die Gelegenheit einen weiteren Welthit auf der Grand Prix-Bühne zu schmettern. Sein Lied "Piove" ("Es regnet") fanden die Juroren zwar erneut nicht siegeswürdig und vergaben lediglich neun Punkte, der kommerzielle Erfolg blieb, genau wie ein Jahr zuvor schon mit "Nel blu dipinto di blu", auf seiner Seite und der Titel wurde als "Ciao, ciao bambina" ein großer Erfolg. 

Nachdem man drei Jahre in Folge Lys Assia zum Wettbewerb geschickt hatte und inzwischen wohl auch die Nase von ihr voll hatte, versuchte das Schweizer Fernsehen in diesem Jahr etwas Neues: Christa Williams wurde mit ihrem "Irgendwoher" immerhin Vierte und erreichte das beste Ergebnis mit einem deutschsprachigen Lied in diesem Jahr. Eine ernsthafte Konkurrenz stellte der Beitrag aus Österreich von Ferry Graf auch nicht dar, der sich mit "Der K.u.K. Kalypso aus Wien" exotisch und weltoffen präsentierte, aber genauso kaiserlich und königlich abschmierte und Vorletzter wurde. Den tanzen viele wie die Polka aus Brünn.

Zum weiteren Favoritenkreis wurden hingegen die Schwestern Alice und Ellen Kessler aus Deutschland aus dem sächsischen Nerchau gezählt. Nachdem sie bereits im Lido, einem weltberühmten Varieté an der Parise Chams-Élysées auftraten und mit ihren Tanzrevuen in Westeuropa umhertourten, verpflichtete das deutsche Fernsehen die Kessler-Zwillinge direkt und verzichtete in diesem Jahr auf einen Vorentscheid.

Erstmals präsentierte man, wenn auch nur auf dem sehr kleinen Raum der Drehscheibe, ansatzweise eine Choreographie und entzürnte mit ihrem "Hallo Boy" sogleich die Verfechter der deutschen Sprache. Der Titel "Heute Abend woll'n wir tanzen geh'n" sollte ursprünglich übrigens "Heut' möcht' ich bummeln" heißen, das erschien den Interpretinnen allerdings zu brav. Das Ergebnis war ein achter Platz, Domenico Modugno ließ man jedoch, anders als die Zwillinge beim deutschen Vorentscheid 2007 behaupteten, nicht hinter sich, der wurde mit "Piove" nämlich immerhin Sechster.

1959 war der flämische Teil Belgiens wieder an der Reihe einen Beitrag für den Grand Prix auszusuchen. Die Wahl fiel nach einem Vorentscheid (mit zwei Titeln) auf Bob Benny mit sienem "Hou toch van mij", der es punktgleich mit Italien auf Rang sechs schaffte. Bemerkenswert ist hieran jedoch, dass es seitdem kein Titel in flämischer Sprache über diese Platzierung hinaus schaffte, was angesichts der bis immerhin 1999 geltenden Sprachregelung schon eine Leistung ist. Gewonnen hat Belgiens Nachbarland, die Niederlande mit einem Lied von Dick Schallies und Willy van Hemert. 

Gesungen wurde der Titel "Een beetje", das wohl keiner Übersetzung bedarf, von der jungen Sängerin Teddy Scholten. Sie setzte sich im Vorentscheid gegen John de Mol durch, der die zweite Version von "Een beetje" sang. Sein Sohn sollte später Erfolge in der Fernsehindustrie haben, seine Firma Endemol u.a. das Konzept für Big Brother und die Traumhochzeit schaffen. Teddy Scholten hingegen veröffentlichte ihren Titel in deutscher, französischer, schwedischer und italienischer Sprache auf. Für ihre Karriere blieb es aber der größte Erfolg.

Die EBU hatte zuvor die Regeln bei der Punktevergabe abgeändert. Um dem Geschmack der Zuschauer gerecht zu werden, verbannte die Organisation Fachleute aus der Fernseh- und Musikindustrie aus den Jurys. Jedoch bestand jede Jury weiterhin aus zehn Personen, die jeweils für ihren Favoriten einen Punkt vergaben.

Anders als in den Vorjahren durften in diesem Jahr auch die Zweit- und Drittplatzierten, also die Briten und der Franzose Jean Philippe ("Oui, oui, oui, oui"), ihre Titel nochmals singen. Die Niederlande waren das erste Land, dass den Contest zweimal gewinnen konnte und Willy van Hemert war auch der erste Komponist, der zwei Siegertitel schrieb, bis 1972 sollte er zunächst auch der einzige bleiben.

Das niederländische Fernsehen NTS weigerte sich jedoch unmittelbar nach dem Sieg, den Wettbewerb 1960 abermals auszurichten, als Grund wurden die hohen Ausrichtungskosten genannt. So erhielt Großbritannien als Zweitplatzierter den Zuschlag für das nächste Jahr.

Die Teilnehmer:
01. - 021 - Teddy Scholten - Een beetje 
02. - 016 - Pearl Carr & Teddy Johnson - Sing little birdie 
03. - 015 - Jean Philippe - Oui, oui, oui, oui 
04. - 014 - Christa Williams - Irgendwoher 
05. - 012 - Birthe Wilke - Uh, jeg ville ønske jeg var dig 
06. - 009 - Domenico Modugno - Piove 
06. - 009 - Bob Benny - Hou toch van mij 
08. - 005 - Alice & Ellen Kessler - Heute Abend woll'n wir tanzen geh'n 
09. - 004 - Brita Borg - Augustin 
09. - 004 - Ferry Graf - Der K. und K. Kalypso aus Wien 
11. - 001 - Jacques Pills - Mon ami Pierrot