Sonntag, 11. Juni 2023

Eurovision am Sonntag (72)


Europa
- Ein Monat ist seit dem Eurovision Song Contest in Liverpool bereits wieder verstrichen und nachdem auch die letzten Pseudo-Experten, die stets dann rumpoltern, wenn der deutsche Beitrag wieder unter "Ferner liefen..." landet, wieder chloroformiert sind, steht das Sommerloch, respektive die neue Saison 2024 bevor. Einige Länder haben bereits ihre Teilnahme in Schweden bestätigt, erstaunlicherweise handelt es sich dabei ausschließlich um westeuropäische Nationen, abgesagt haben indes die Bosnien-Herzegowina und die Slowakei aus bekannten Gründen.

Und so wie Schwedens nationaler Rundfunk ab morgen eine Gastgeberstadt für das Spektakel im kommenden Jahr sucht, fahnden einige Rundfunkanstalten schon wieder nach ihrem nächsten Beitrag. Norwegen, Finnland und auch Spanien haben konkrete Pläne für 2024 bekannt gegeben, nun liegt es an der lokalen Musikszene das Beste daraus zu machen. Zypern sucht seinen Interpreten ähnlich wie Israel durch eine Talentshow und Deutschland... hat zumindest mal seine Teilnahme bestätigt und das grundsätzliche Auswahlkonzept noch nicht völlig infrage gestellt.

Wünschenswert wäre es, wenn man seine Analyse ob des neuerlichen spärlichen Abschneidens nicht komplett in der Isolation führt, sondern etwas offener mit der Niederlage umgeht, sie in Chancen umwandelt und mit einer gewissen Selbstironie reflektiert. Andere Länder können dies auch, der litauische Vorentscheid etwa heißt übersetzt "Wir probieren's nochmal...", aufstehen, Krönchen richten und weitermachen. Die Popularität am Wettbewerb leidet (noch) nicht unter den Ergebnissen der letzten Jahre, es bedarf aber einem gewissen Engagement und im Idealfall polarisierenden Künstlern. 

Vor zwei Jahren gab es ein Nachrichten-Inferno um Electric Callboy. Damals wie heute bin ich kein großer Freund des Hypes, aber für eine Show wie den Eurovision Song Contest ist die Band durchaus geeignet. Ihr jüngstes Werk "Tekkno Train" etwa hätte das Zeug, in der breiten Masse aufzufallen und sogar die Drei-Minuten-Marke eingehalten. Es hätte ein junge Zuschauer angelockt und wäre mit Sicherheit nicht ganz chancenlos. Nach der, auch von mir unerwarteten Platzierung von Lord of the Lost, backe ich aber lieber kleine Brötchen.

Electric Callboy - Tekkno Train

Insofern bin ich gespannt, wie der NDR für 2024 verfahren wird und welche Interpreten ihren Namen in die Waagschale werfen. Zu bedenken gilt es allerdings, dass wir eher ein Lied im charismatischen Stil von "Who the hell is Edgar?" benötigen als Füllmaterial wie "Dare to be different" oder "Soap", die in den letzten Jahren im Vorentscheid herumdümpelten. Die Anforderungen, um den Eurovision Song Contest zu gewinnen sind in den letzten Jahren enorm gewachsen, ich bin mir aber sicher, dass das richtige Management im Vorfeld eine gute Platzierung möglich machen kann.

Das klaffende Sommerloch sollte also ausführlich genutzt werden, nicht nur um zu analysieren, sondern auch um zu entscheiden. Aus deutscher Sicht bleibt also zu hoffen, dass die Leitlinien der Auswahl feststehen, ehe Albanien uns seinen Beitrag präsentiert. Selbst Luxemburg, das 30 Jahre lang keine Regung gezeigt hat, kündigte an, im Juli umfassend über die Teilnahme und das Comeback zu informieren. Bis dahin dürfte sich die Teilnehmerliste etwas weiter gefüllt haben. Spannend bleibt es, ob etwa Portugal am Song Contest 2024 teilnehmen wird oder nicht.

Der letzte portugiesische Titel, der bei einem Eurovision Song Contest in Schweden aufgeführt wurde, ist sogar noch länger her, als die letzte luxemburgische Teilnahme. 1992 schickte RTP die Festival da Canção-Siegerin Dina mit "Amor de água fresca" nach Göteborg. Seither sucht man Portugal vergeblich auf den Listen, wenn der ESC in Schweden stattfindet. 2000 musste das Land aufgrund einer zu schlechten Fünf-Jahres-Wertung, die damals galt, in die Relegation, 2013 und 2016 sagte man aus finanziellen Gründen ab. Klar ist das alles reiner Zufall, aber der Rückzug eines Traditionslandes beim Song Contest tut natürlich immer weh.

Generell ist meine Hoffnung, dass der Wettbewerb 2024 wieder mit 40+ Nationen stattfinden wird, insbesondere in Hinblick auf kleine Nationen besteht durchaus die Chance, dass wir die eine oder andere wiedersehen. So kämpft Susanne Georgi in Andorra zwar nach wie vor gegen Windmühlen, das Fürstentum Monaco erhält im September aber einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der bereits  signalisiert hat, Gelder für die Eurovision zu mobilisieren. Sollte es dazu kommen, wäre es auch ein lang erwartetes Comeback, der letzte Auftritt liegt schon wieder 17 Jahre zurück...

Die Franzosen dürften sich über Schützenhilfe aus benachbarten Zwergstaaten vermutlich ebenso freuen, wie ich mich über weitere Länder, schließlich ist der Wettbewerb derzeit auf 46 Nationen ausgelegt. France Télévisions hat übrigens für 2024 zugesagt, jedoch noch keine Einzelheiten präsentiert, ob man zu seinem eigentlich recht populären Vorentscheid "Eurovision France: C'est vous qui décidez" zurückkehren oder ähnlich wie bei La Zarra auf interne Scouts zurückgreifen wird. Sollte letzterer Weg eingeschlagen werden, hätte ich hier noch einen kleinen Vorschlag...

Adèle Castillon - Rêve