Sonntag, 6. November 2016

Memories: Eurovision Song Contest 1968


Großbritannien - Am 6. April 1968 fand der 13. Eurovision Song Contest in der Royal Albert Hall in London statt. Die BBC hatte sich herausgeputzt und die prestigeträchtige Halle, in der die Sommerkonzerte Proms stattfinden, zum Austragungsort erklärt. An der Moderation schraubten die Briten jedoch nicht, Katie Boyle durfte den Wettbewerb zum dritten Mal moderieren. Dafür brachte der technische Fortschritt ganz neue Facetten zum Vorschein, erstmals wurde der Eurovision Song Contest in Farbe ausgestrahlt.

Zu den Nationen, die den Wettbewerb koloriert übertrugen, zählten neben Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland auch Schweden, Frankreich und die Niederlande. Darüber hinaus wurde der Wettbewerb auch von den Mitgliedern der Intervision im ehemaligen Ostblock ausgestrahlt. So übertrugen, wenn teilweise auch zeitversetzt, der Deutsche Fernsehfunk in der DDR, die Sowjetunion, die Tschechoslowakei, Rumänien, Bulgarien, Polen und Ungarn die Eurovision aus London. Auch Tunesiens Staatsfernsehen war zugeschaltet.

Da Dänemark keine Rückkehr erwog, fand der Wettbewerb erneut mit 17 Teilnehmern statt. Das schwere Los des ersten Beitrags übernahm der Portugiese Carlos Mendes. In "Verão" ("Sommer") sang er über seine Gefühle zum ausklingenden Sommer, die aber niemanden so wirklich interessierten, sodass er nur Elfter wurde. Noch schlechter lief es für den Niederländer Ronnie Tober, der seine Musikerkarriere in den USA begann und erst 1963 bei einem Gastauftritt in den Niederlanden entdeckt wurde, bei dem Festival von Sopot schnitt er besser ab als bei der Eurovision, wo es für ihn nur einen Punkt aus Italien gab.

Fast genauso verschmäht wurde "Die Goldene Stimme aus Prag", die von Österreich ins Rennen geschickt wurde. Udo Jürgens war es, der für Karel Gott den Titel "Tausend Fenster" schrieb, ein Lied, das die Anonymität und Einsamkeit in der Großstadt beschreibt. Bei den Juroren zog es jedoch nicht, nur zwei Juroren aus Deutschland erbarmten sich und gaben ihren Punkt an den ersten Tschechen im Wettbewerb. Seine Karriere geriet erst nach der Eurovision ins Rollen. In Zusammenarbeit mit Karel Svoboda entstanden Gassenhauer wie "Bábička", "Einmal um die ganze Welt" oder natürlich die Melodie der Biene Maja.

Die Triumphe im deutschsprachigen Schlagersektor ließen ihn über 30 Millionen Tonträger verkaufen, rund die Hälfte davon in der ehemaligen Tschechoslowakei, die er während des Prager Frühlings 1968 kurzzeitig verlassen wollte, jedoch wieder zurückkehrte. Seinen letzten Hitlisten-Eintrag erreichte er 2008 gemeinsam mit Rapper Bushido, als er "Für immer jung" aufnahm und zwei Goldene Schallplatten erhielt. 2009 gab es für ihn die Tschechische Verdienstmedaille erster Stufe. Beim Song Contest in London musste er sich hingegen den 13. Platz teilen.

Die Schweiz kam mit Gianni Mascolo ebenfalls auf den 13. Rang. Mascolo, der bis zu seinem Stimmbruch in der Mailänder Scala im Chor sang, kam später über das San Remo-Festival zum Schweizer Vorentscheid, wo er mit "Guardando il sole" siegte und nach London durfte. Nach dem Dämpfer von London veröffentlichte er bis 1969 noch einen weiteren Titel und zog sich wenig später aus dem Musikgeschäft zurück. Ebenso auf dem 13. Platz landete der Norweger Odd Børre, der sich später allerdings noch vier weitere Male beim norwegischen Vorentscheid anmeldete.

Besser schnitt da Norwegens Nachbar Schweden ab. Claes-Göran Hederström aus Danderyd bei Stockholm intonierte den jazzigen Beitrag "Det börjar verka kärlek, banne mej" ("Verdammt, es fängt an wie Liebe auszuschauen") und erreichte mit seinem fiesen Stehkragen den fünften Platz. Bis heute tritt Hederström regelmäßig in Schweden auf, wenngleich er zwischenzeitlich sein Karriereaus verkündete. Sein Eurovisionsbeitrag hingegen hat Nachahmer gefunden und wurde u.a. von der Metalband Black Ingvars gecovert, die u.a. auch "Waterloo" und "Pippi Langstrumpf" in ihre eigenen Versionen pressten.

Eine weitere Skandinavierin trat für Deutschland an. Wencke Myhre verdiente ihr Engagement für die Bundesrepublik Horst Jankowski vom Südwestfunk, der im Auftrag der ARD den Beitrag "Ein Hoch der Liebe" komponierte. Zwei Jahre zuvor nahm Wencke mit "Beiß nicht gleich in jeden Apfel" bei den Deutschen Schlagerfestspielen teil und zählte später zu den Größen des Schlagers in Deutschland. So fand kein Vorentscheid statt und Wencke fuhr intern gewählt, nach London, wo sie ihre Titelzeile vorsorglich in vier Sprachen wiederholte um die Botschaft international verständlich machte.

Aus dem eigenen Land gab es für die Fremdgeherin jedoch keinen einzigen Punkt, Norwegen ließ das Lied und ihr quietschgelbes Outfit kalt. Trotzdem reichte es am Ende des Abends für Platz sechs. Später folgten weitere Hits wie "Er steht im Tor", "Er hat ein knallrotes Gummiboot" oder "Laß' mein Knie, Joe". Noch heute tourt Wencke gut gelaunt mit ihren Kolleginnen Siw Malmkvist und Gitte Hænning durch die Republik. Davon konnte Kristina Hautala für Finnland nur träumen, sie erreichte mit "Kun kello käy" nur den letzten Platz und beendete 1972 ihre Karriere.

Beim Eurovision Song Contest in London gab es mit der Französin Isabelle Aubret auch eine Rückkehr. Konnte sie 1962 den Wettbewerb noch gewinnen, reichte es am Ende für "La source" nur für den Bronzerang. Die Thematik, ein blondes Mädchen und drei Männer im Wald war für eine Unterhaltungsshow wie den Grand Prix wohl auch etwas zu arg. Das Duell des Abends lieferten sich allerdings der einsame Favorit und das kleine Mädchen aus der spanischen Hauptstadt, um deren Beitrag es vor dem Wettbewerb große Diskussionen gab, die zum Teil bis heute andauern. María de los Ángeles Felisa Santamaría Espinosa kurz Massiel sang für Spanien, das noch unter dem Einfluss Francos stand.

Ursprünglich hätte der Sänger Joan Manuel Serrat den Titel "La la la" singen sollen. Da dieser sich allerdings weigerte den Beitrag auf Spanisch zu singen und lieber auf Katalanisch antreten wollte, untersagte Franco persönlich ihm das Startrecht in London. So kam die linientreue Massiel zu ihrem Einsatz und gewann mit einem Punkt Vorsprung auf den eigentlichen Topstar des Abends, Cliff Richard aus dem Vereinigten Königreich. 

Nach dem Applaus der Zuschauer in der Royal Albert Hall hätte es aber nur einen Sieger geben können, nämlich Cliff Richard, der mit "Congratulations" für hysterischen Beifall sorgte. Der Titel war bereits Wochen zuvor auf der #1 der britischen Hitliste. Umso grotesker war die Stimmung, als Cliff Richard am Ende des Abends 28 Punkte erzielte, Massiel aus Spanien 29. Die Moderatorin fragte die jugoslawische Jury sogar noch einmal, ihre Wertung zu wiederholen, weil auch sie es offenbar nicht fassen konnte, dass der große Topstar von einem spanischen Mädchen geschlagen wurde.

Cliff Richard soll sich nach der Niederlage auf der Toilette eingeschlossen haben, sein Komponist Bill Martin betitelte den Siegertitel als "ein Stück Müll", Großbritannien stand unter Schock, ihr großer Held, auf den in London nicht einmal mehr Wetten angenommen wurden, war gescheitert. Bis heute hat Cliff Richard die Niederlage nicht weggesteckt.

Umso euphorischer dürfte er reagiert haben, als im Jahr 2008 eine Dokumentation die Frage aufwarf, ob Spaniens Diktator Franco die damaligen Juroren gezinkt und Stimmen gekauft hatte. Massiel wies diese Anschuldigungen zurück und ist bis heute als erste spanische Song Contest-Siegerin in den Geschichtsbüchern eingetragen. Der internationale Durchbruch blieb Massiel allerdings verwehrt, in Spanien hingegen festigte sie ihre Karriere bis zum heutigen Tage.

Die Teilnehmer:
01. - 029  Massiel - La la la
02. - 028 -  Cliff Richard - Congratulations
03. - 020 -  Isabelle Aubret - La source
04. - 018 -  Pat McGuigan - Chance of a lifetime
05. - 015  Claes-Göran Hederström - Det börjar verka kärlek, banne mej
06. - 011  Wencke Myhre - Ein Hoch der Liebe
07. - 008 -  Claude Lombard - Quand tu reviendras
07. - 008  Line & Willy - À chacun sa chanson
07. - 008  Dubrovački Trubaduri - Jedan dan
10. - 007  Sergio Endrigo - Marianne
11. - 005  Chris Baldo & Sophie Garel - Nous vivrons d'amour
11. - 005 -  Carlos Mendes - Verão
13. - 002 -  Odd Børre - Stress
13. - 002 -  Karel Gott - Tausend Fenster
13. - 002 -  Gianni Mascolo - Guardando il sole
16. - 001 -  Ronnie Tober - Morgen
16. - 001 -  Kristina Hautala - Kun kello käy