Europa - Die britische Presse sorgt sich um die Ausrichtung des Eurovision Song Contests 2017, es geht, wie so oft, ums Geld. Der Telegraph meldet in seiner Online-Ausgabe, dass Russland bereits in den Startlöchern steht, den Wettbewerb zu übernehmen, sollte die Ukraine dazu nicht in der Lage sein. Diese Blöße wird sich die Ukraine allerdings kaum geben.
Als Jamala im Mai den Song Contest gewann warfen viele Seiten der Ukraine einen politischen Sieg vor, die Thematik des Siegertitels "1944" war so sensibel und aktuell, dass man behauptete, die Juroren und Zuschauer hätten aus politischem Kalkül entschieden, um Russland für seine Politik eins auszuwischen. Dies ist nicht belegbar, kann aber auch nicht ausgeschlossen werden. Der Eurovision Song Contest war immer ein Stimmungsrohr für europäische Politik, auch wenn die EBU gebetsmühlenartig erklärt, der Wettbewerb sei vollkommen unpolitisch.
Jamala brachte den ESC zurück in die Ukraine |
Das Parlament der Ukraine bewilligte das Senderbudget für das kommende Jahr, NTU müsse den Song Contest aber ebenso mit diesen Geldern finanzieren. Aufgrund dessen zog Alasania die Reißleine und verabschiedete sich aus der Senderspitze. Die Europäische Rundfunkunion wird in der kommenden Woche nach Kiew reisen und sich von den Fortschritten der Planungen überzeugen. Danach wird feststehen, ob die EBU am Sieger von 2016 festhält oder doch einen Plan B aus der Tasche zaubern wird.
In den Anfängen des Eurovision Song Contests kam es häufiger vor, dass der Wettbewerb nicht, wie festgeschrieben, im Gewinnerland des Vorjahres stattfand. Monaco beispielsweise hatte nach dem Sieg von Séverine keine Möglichkeit den Wettbewerb auszurichten, aus Platzgründen, es stand keine Location zur Verfügung und so musste Monaco die Ausrichtung abgeben, Luxemburg verzichtete ebenfalls einmal auf die Ausrichtung, aus Kostengründen. Zuletzt fand der Wettbewerb 1980 nicht im Gewinnerland des Vorjahres statt.
Profitierte von der Absage Israels: Samira Bensaid (1980) |
Später ließen sich die Siegernationen es sich nicht nehmen, den Song Contest im eigenen Land auszurichten, wenngleich sie häufig an ihre finanziellen Grenzen stießen. Vor allem die Iren konnten ein Lied davon singen, verschlang die Eurovision in den 90er Jahren Millionen, nachdem die irischen Interpreten dreimal in Folge den Song Contest heim holten. Irland kam nach 1997 nicht mehr in den Genuss der Ausrichtung, langfristig gesehen, hat RTÉ durch seine wenig zeitgemäßen Titel in den 2000ern wohl einiges an Geld gespart.
Marko Matvere und Annely Peebo, Moderatoren 2002 |
Heute findet in der Saku Suurhall der nationale Vorentscheid Eesti Laul statt, dessen Popularität mehr und mehr wächst. Der Eurovision Song Contest war dort, zumindest für seine Zeit, gut aufgehoben, in London, Paris, Amsterdam oder München wäre er genauso abgelaufen, aber die Esten haben sich den Wettbewerb nicht abnehmen lassen wollen. Ebenso hat das serbische Fernsehen RTS sein Vorrecht im Jahr 2008 wahrgenommen. Die Ausrichtung in Belgrad kollidierte mit der einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovos.
Gewann auf serbischem Boden: Dima Bilan (2008) |
Klar ist Kiew nicht Stockholm, Wien oder Kopenhagen, aber trotz des Chaos, dass uns die Ukraine regelmäßig beschert, sollte man ein gewisses Grundvertrauen in die Ausrichtung legen. Der Song Contest ist in Osteuropa genauso gut aufgehoben wie in Westeuropa, vielleicht sogar besser, wenn man sich einmal die Aufzeichnungen von Rom 1991 anschaut. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt auf den Wettbewerb 2017 in der Ukraine und glaube kaum, dass sich die Ukraine diese einmalige Werbeplattform abnehmen lässt, schon gar nicht vom russischen Fernsehen.