Sonntag, 19. Juni 2016

Eurovision am Sonntag (45)



Europa - "Seid ihr alle da?", eine berechtigte Frage angesichts des Tiefdruckgebiets, das sich hartnäckig über Hamburg hält und der tristen Eurovisionsstimmung etwa einen Monat nach dem Finale von Stockholm. Dort wird übrigens am Samstag Midsommar gefeiert. Hier kann man momentan schon froh sein, wenn man die Sonne überhaupt mal zu Gesicht bekommt. Allerdings zieht sich die PED europaweit durch die Websites, die Hauptmeldung griechischer Kollegen beispielsweise ist ein Video, in dem Hanna Pakarinen den monegassischen Siegerbeitrag von 1971 covert (in Deutschland natürlich von der GEMA gesperrt).

Am Samstag ist Midsommar
Uns bleibt zwar in diesem Jahr noch die Fußball-Europameisterschaft, aber es ist irgendwie auch nicht Sinn und Zweck dieser Seite nur über die verschossenen Elfmeter von Ronaldo zu schreiben und mit den isländischen Underdogs mitzufiebern. Mit Ausnahme der Tatsache, dass Michał Szpak in seinem Heimatland mittlerweile Platinstatus erreicht hat, gibt es aber wahrlich nichts Neues zu berichten. Liefern wir heute also off-topic einen schönen Remix vom Eurovision Song Contest 2016 nach, der an diesem langweiligen Sonntag für etwas Kurzweil sorgt.

Jelena Issinbajewa will schon
vor's Sportgericht ziehen
Aus dem Gastgeberland des nächsten Eurovision Song Contests gibt es momentan auch keine Neuigkeiten. Zuletzt bestärkte der Bürgermeister der Stadt Dnipro, formerly known as Dnjepropetrowsk, noch einmal seine Intention, den Wettbewerb ausrichten zu wollen und sich nicht hinter anderen Favoriten wie der Hauptstadt Kiew oder dem westukrainischen Lviv verstecken zu müssen. Zumindest soll die Entscheidung noch in den Sommermonaten fallen, praktischerweise hoffentlich zwischen dem Ende der EM und dem Beginn der Olympischen Spiele, von denen russische Leichtathleten übrigens ausgeschlossen wurden. Ob Russlands Staatsfernsehen die Absicht verfolgt, 2017 in der Ukraine dabei zu sein, ist ebenfalls ungewiss. 

In einem Jahr, in dem Europa zunehmend auseinanderbricht, die Briten kommende Woche über ihren Verbleib in der EU abstimmen, die NATO im Baltikum mit den Säbeln rasselt, in Belgien Public Viewings aufgrund von Terrordrohungen nur spärlich besucht werden und die Türkei sich zunehmend autokratisch regieren lässt, ist es doch umso wichtiger, dass bei den verbindenden Ereignissen möglichst viele Nationen zusammenkommen. Mittlerweile kann ich auch ein bisschen die Tragik verstehen, die hinter dem russischen Missmut steckt. 2014 wurden die Tolmachevy-Zwillinge ausgebuht, für das verabschiedete Gesetz das homosexuelle Propaganda unter Strafe stellt. Dafür konnten sie nun wirklich nichts...

Hat die russische Politik
die Jury beeinflusst?
2016 nun blökten einige russische Politiker, dass das Ergebnis durch die Juroren verfälscht wurde, Sergey Lazarev sei der wahre Sieger. Fakt ist, dass sich das russische Fernsehen bei seiner Anmeldung über das Votingprozedere im Klaren war und damit rechnen musste, dass man kein gesetzter Sieger ist, auch wenn auf den LEDs der gesamte Kosmos vorbeizieht. Die ganzen Sanktionen und Maßregelungen gegen Russland sorgen allerdings auch nicht unbedingt dafür, dass sich das Putin-Land europafreundlich zeigt. Wer immer ausgegrenzt wird, hat irgendwann keine Lust mehr. Aus dem gleichen Grund spielt Israel in Europa Fußball und nicht in Asien, aus diesem Grund fasst Russland die Intervision ins Auge.

Spielen unter Freunden macht auch mehr Spaß, als das Mitwirken in einem Wettbewerb in dem man nicht wirklich willkommen ist, diese Schneckenhaus-Entscheidung hat schon das türkische Fernsehen TRT getroffen, es wäre schade, wenn der Song Contest nun auch noch Russland verliert. Russland hatte, insbesondere in seinen Anfangszeiten hochinteressante Beiträge zu bieten. Schon Youddiph in Dublin wusste mit ihrem extravaganten Trickkleid zu überzeugen, 1995 durfte Phillip Kirkorow erstmals Eurovisionsluft schnuppern. Dabei war sein vorgetragener Beitrag gar nicht seine erste Wahl. Ursprünglich hätte Kirkorow mit dem Titel "Karnaval" auftreten sollen, es hätte dem lahmen Jahrgang gut getan, leider kam es nicht dazu.


Phillip Kirkorow - Karnaval

Auch 1998 veranstaltete das russische Fernsehen eine Auswahl, ausgewählt wurde damals die Sängerin Tatjana Ovsienko mit ihrem Titel "Solnce moio", allerdings fand man erst später heraus, dass Russland aufgrund der schlechten Vorjahresplatzierungen gar nicht für Birmingham qualifiziert war. Da die EBU offenbar nicht darüber informierte, wurde es dem russischen Fernsehen zu blöd und man verzichtete 1998 auf die Ausstrahlung der Show. Da damals noch die Regel bestand, den Wettbewerb des Vorjahres übertragen zu müssen, konnte Russland erst 2000 zurückkehren und startete langsam seine erfolgreiche Phase. 

Ihnen war das Statement wichti-
ger als der ESC: Stephane & 3G
Ich würde es begrüßen, wenn Russland 2017 wieder mit dabei ist. Die politische Lage zwischen Russland und dem Gastgeber ist zwar ähnlich verzwickt, wie die zwischen Russland und Georgien, was 2009 zur Absage Georgiens für Moskau führte oder Aserbaidschan und Armenien, das offiziell aufgrund zu schwammig formulierter Sicherheitsgarantien auf den Abstecher nach Baku verzichtete, es wäre aber ein Zeichen, das Russland setzen würde, gemäß dem Motto "Wir sind auch noch da und wir möchten mit euch Spaß haben." Und nur wenn das funktioniert, können die Moderatoren bei der Eröffnung in Kiew, Lviv oder Dnipro auch ein "Ja" auf die Frage "Seid ihr alle da?" erwarten.

Und da es heute in Gruppe A um alles oder nichts geht, der sportliche Programmtipp.

Programmtipp:
So., 21:00 Uhr, ZDF:  Frankreich vs. Schweiz  
So., 21:00 Uhr, Sat 1:  Rumänien vs. Albanien