Sonntag, 4. Oktober 2015

Eurovision am Sonntag (22)



Europa - Wieder liegt eine Woche hinter uns und es sind nunmehr noch 222 Tage, bis das Finale des Eurovision Song Contest in der schwedischen Hauptstadt ausgetragen wird. Auch diese Woche hat wieder einige Überraschungen hervorgebracht und damit meine ich weniger das ProSieben-Programm die den "Krieg der Sterne" zum 58. Mal wiederholt sondern vielmehr den kleinen Balkanstaat Montenegro.

Überraschend präsentierte der Sender RTCG in Podgorica in dieser Woche die Interpreten für den Eurovision Song Contest im kommenden Jahr. Ein Gremium, in dem die Senderchefs Dragan Tripković, Nada Vučinić, Slaven Knezović und Milorad Šule Jovović saßen, entschied sich wohl einstimmig für das Trio Highway, dass durch die Castingshow X-Factor Adria bekannt wurde. In der ersten Staffel der Show wurde z.B. auch der mazedonische Act Daniel Kajmakoski ausgewählt, nun greifen die Montenegriner auf Kandidaten der Show zurück.

Und dabei hieß es wenige Tage zuvor noch, RTCG würde überlegen, ob es überhaupt Sinn macht, am Wettbewerb teilzunehmen. Wenig verstanden fühlte man sich in Podgorica von der Europäischen Rundfunkunion, die das Votum der fünf entsandten Juroren nicht anerkannte. Über Monate hinweg brüskierte sich RTCG über die Methoden, während es aus dem ebenfalls betroffenen Mazedonien keinerlei Reaktion gab. Dort wurde die vermeintliche Manipulation so zur Kenntnis genommen.

Neben Montenegro sagte in dieser Woche aus Russland zu. Auch hier hieß es im Vorwege, man würde sich vom Wettbewerb zurückziehen. Ganz unbegründet wäre diese Idee auch nicht, zwar landeten die Beiträge der letzten Jahre im Ranking auf der linken Tabellenhälfte, Russland musste sich aber permanten der Missgunst der Zuschauer in der Halle aussetzen, die lautstark gegen die Gesetze gegen homosexuelle Propaganda und den Ukraine-Konflikt protestierte. Auch der russischen Staatsführung im Kreml dürfte dies nicht verborgen geblieben sein.

We are in Denmark?
Noch vor drei Jahren war das Bild ein anderes. Damals verzauberten die sechs Grannies aus Udmurtien die Song Contest-Welt. Lynda Woodruff erklärte in einem Video, alle fünf Großmütter zusammen seien so alt wie die Altstadt von Stockholm... oder Engelbert Humperdinck. Die Buranovskiye Babushki belegten den zweiten Rang, ebenso wie Polina Gagarina in diesem Jahr und dennoch war das Meinungsbild über Russland damals ein anderes. Nicht zuletzt dem Eingreifen Russlands in der Ost-Ukraine und auf der Krim war es zu verdanken, dass es in Wien keinen ukrainischen Beitrag gab.

Kiew sagte mittlerweile aber auch für 2016 zu, es bleibt also beim Sender NTU bei einem einmaligen Fehlen. Auf welche Art und Weise beide Nationen ihre Beiträge auswählen und wie sich die Stimmung beim Eurovision Song Contest in Punkten beider Länder wiederspiegelt, wird sich im Mai zeigen. Es darf schon jetzt davon ausgegangen werden, dass es beide Länder ins Finale schaffen, sowohl Russland als auch die Ukraine haben bisher eine 100%ige Finalquote. Sollte sich die Ukraine auf einen nationalen Vorentscheid festlegen, so freue ich mich bereits jetzt auf das Chaos, das dieser anrichten wird.

Gerade osteuropäische Vorentscheide sind gerne von Korruption zerfressen, da werden Stimmen gekauft und wer den besten Draht zur Jury hat, fährt zur Eurovision. Das haben wir bereits in Bulgarien erlebt, in der Ukraine, in Weißrussland und erst in diesem Jahr in Moldawien, als Eduard "Ede" Romanyuta, spaßigerweise ebenfalls aus der Ukraine, den Vorentscheid in Chisinau gewann und die anderen Interpreten beispiellos den Greenroom verließen.

Die neue Eurovisionssaison hat gerade erst begonnen und trotzdem werfen einige liebgewonnene Traditionen ihre Schatten voraus. Wann sich der NDR jedoch zu seinen Plänen für 2016 äußert ist noch nicht bekannt. Vor einigen Monaten wurde eine Meldung dementiert, man wurde das Konzept des schwedischen Melodifestivalen adaptieren und in Deutschland anwenden, seither ist es ruhig geworden. Wer weiß, was sich ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber und die neue Delegationsleiterin überlegen, um in Schweden mehr als die prestigeträchtigen "nil points" zu kassieren.