Samstag, 29. August 2015

Brown Cocktail: Schlagerparty



Die Sommerpause der Eurovision läuft aus und wir präsentieren heute Nachmittag den letzten Cocktail, der auf unserer Karte stand, den aber niemand so wirklich haben wollte, nämlich die "Schlagerparty". Wir läuten die Saure-Gurken-Zeit also heute mit einem Beitrag zu simpler Popmusik aus, die sich schnell als Ohrwurm im Gehörgang festsetzt und auf jeder Feier mitgesungen werden kann. Zudem schauen wir einmal, was unsere Nachbarländer an Schlager zu bieten haben. 

Schlager oder in früheren Zeiten auch noch als Gassenhauer bekannt, entstanden vor allem nach Verbreitung von Tonmedien in den 20er und 30er Jahren. Durch die Einführung von Schallplatten, Tonfilmen und Radios entwickelte sich in Deutschland langsam die Musikkultur. In den Goldenen Zwanzigern machten sich einige Interpreten einen Namen in der Schlagerszene, im Dritten Reich wurde das Lied "Lili Marleen" von Lale Andersen populär, jedoch auch zu Propagandazwecken missbraucht. In der Nachkriegszeit florierte dann die Schlagerkultur in Deutschland. 

Spätere Song Contest- und Vorentscheidungsteilnehmer landeten Erfolge. Margot Eskens sang 1956 über "Tiritomba", Bruce Low, Caterina Valente, Vico Torriani oder Lys Assia spiegelten mit ihrer Musik den damaligen Zeitgeist wieder. Ebenfalls zu dieser Kategorie gehörten die erste Song Contest-Beiträge Deutschlands, Freddy Quinn ("So geht das jede Nacht"), Wencke Myhre ("Ein Hoch der Liebe") oder Gitte Haenning ("Dieser Tag") bereicherten zwischen den 50er und 80er Jahren die Eurovision mit typisch deutscher Schlagermusik. 

Deutsche Gassenhauer beim Eurovision Song Contest:
- 1956 - Freddy Quinn - So geht das jede Nacht 
- 1958 - Margot Hielscher - Für zwei Groschen Musik 
- 1962 - Conny Froboess - Zwei kleine Italiener 
- 1968 - Wencke Myhre - Ein Hoch der Liebe 
- 1972 - Mary Roos - Nur die Liebe lässt uns leben 
- 1973 - Gitte - Junger Tag
- 1978 - Ireen Sheer - Feuer 
- 1980 - Katja Ebstein - Theater 

Nicht nur deutsche Interpreten waren zu dieser Zeit auf dem Markt vertreten, auch viele internationale Künstler sangen deutsche Lieder und landeten damit große Erfolge. Der US-Amerikaner Gus Backus beispielsweise sang "Da sprach der alte Häuptling", Bill Ramsey, Siw Malmkvist ("Primaballerina") oder Nana Mouskouri ("Weiße Rosen aus Athen") waren am Markt vertreten. Udo Jürgens, Jürgen Marcus oder Cindy & Bert waren in der ZDF-Hitparade der 70er Jahre Dauergäste. Sie alle passten prima zum Eurovision Song Contest, die Erfolge waren jedoch teilweise spärlich. 

Einen Evergreen landete 1975 Marianne Rosenberg mit ihrem Vorentscheidungstitel "Er gehört zu mir", sie schaffte es zwar nicht zum Song Contest, lieferte aber einen der erfolgreichsten Ohrwürmer, der je beim deutschen Vorentscheid antrat. Eine entsprechende Plattform für diese Musik bot oben genannte ZDF-Hitparade, die vor allem durch Dieter-Thomas Heck geprägt wurde. Bis ins Jahr 2000 wurde die Show vom ZDF produziert und war vor allem in den 70er und 80er Jahren die Samstagabendshow schlechthin. Die Titelmelodie der Sendung stammte von James Last, der zu den erfolgreichsten Komponisten jener Zeit gehörte. 

Ebenfalls Wegbereiter vieler Künstler war und ist Komponist Ralph Siegel, der das Erbe seines Vaters antrat und mit ziemlich allen Schlagerstars der deutschen Musiklandschaft zusammenarbeitete. Er prägte nicht nur die deutschen Hitlisten mit Liedern wie "Fiesta Mexicana" (Ralph Siegel rühmt sich heute noch als Erfinder von "Hossa"), "Du kannst nicht immer 17 sein", "Moskau", "Papillon" oder "Der letzte Sirtaki"). Auch beim Eurovision Song Contest beherrschte er jahrelang die deutschen Vorentscheide, während der 1974 mit Ireen Sheer noch für Luxemburg antrat, lieferte er in den Folgejahren 14 deutsche Song Contest-Beiträge, zuletzt 2003 mit Lou und "Let's get happy". 

Verewigen konnte er sich 1982 als er mit Nicole und "Ein bisschen Frieden" die Krone erstmals nach Deutschland holte. Ralph Siegel ist bekannt für seine unverwechselbaren Akkordfolgen, ob das Lied heuer von Andrea Demirović aus Montenegro oder Valentina Monetta aus San Marino gesungen wird. Siegel möchte noch einmal den Glanz von 1982 erleben und stellte in Wien seinen nunmehr 24. Beitrag vor. Heutzutage hat er sich in San Marino ins Nest gesetzt und produzierte schon vier Beiträge für die kleine Republik, reichte parallel aber auch immer wieder Songs auf Malta, in der Schweiz, in Moldawien oder beim NDR in Deutschland ein. Dort wird er jedoch seit Jahren nicht mehr berücksichtigt. Sein letzter deutscher Vorentscheidungstitel "A miracle of love" von Nicole Süßmilch & Marco Matias wurde 2005 Zweiter hinter Gracia. 

Engagements von Ralph Siegel beim Eurovision Song Contest:
- 14x für Deutschland 
- 04x für San Marino
- 03x für Luxemburg 
- 01x für Montenegro
- 01x für die Schweiz 
- 01x für Malta (als Produzent) 

Aber auch in anderen Ländern gibt es typischen "Schlager". Insbesondere der Sieg von ABBA 1974 in Brighton lieferte den Begriff des "Schwedenschlagers". Viele schwedische Lieder sind nach gleichem und vor allem auch erfolgreichen Mustern gestrickt. Charlotte Nilsson sang 1999 "Take me to your heaven" und siegte, Carolas "Invincible" hat die gleiche musikalische Basis wie "Hero" von Charlotte 2008 oder diversen Melodifestivalen-Titeln. Mit dem Schwedenschlager, der bereits in einem früheren Cocktailposting unter die Lupe genommen wurde, begeistert SVT jährlich die Zuschauer mit sechs Melodifestivalen-Shows, die immer wieder Rekorde brechen. 


Auch in Österreich gibt es eine ausgeprägte Schlagerszene, ob einst durch Peter Cornelius, Peter Alexander oder Waterloo & Robinson oder heutzutage durch Nachwuchskünstler, sie alle vertreten die klassische deutschsprachige Musik, der Guildo Horn mit dem "I love Rock'n'Roll"-Cover "Ich find Schlager toll" ein Denkmal setzte. Schlager ist nach wie vor populär, einmal im Jahr treffen sich Schlagerverrückte zum Schlagermove in Hamburg, dort findet ein Festumzug in Neonfarben, mit Federn, Glitzer und Prilblumen statt. Thomas Hermanns schrieb mit "Disco" sogar ein Buch über die Substanz, die ihn und viele Schlagerfans am Leben erhält. 

Unter Eurovisionsfans gibt es großen Rückhalt für Schlagermusik, selbst einen eigenen britischen Schlagerblog gibt es, der sich auf Vorentscheidungsperlen der Schlagerszene für die Eurovision spezialisiert hat. Die Kultmusik, die bei uns auch gerne als Silvestershow verpackt wird, hat sich ihren Stellenwert in der Musikkultur des Landes erkämpft und bleibt uns sicherlich auch noch auf Ewig erhalten, dafür wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk wohl sorgen, auch wenn Musikshows mit Ausnahme von Castingformaten und Volksmusikshows fast gänzlich aus der TV-Landschaft verschwunden sind, ein bisschen Glitzer und Neon bleibt immer. 



Und damit geht die Cocktailsaison 2015 vorerst zuende, ich bedanke mich bei allen, die über die Wochen hinweg abgestimmt haben und überlege mir bis zum nächsten Sommerloch ein paar neue Themen. Einen schönen Samstagabend allerseits!