Mittwoch, 24. Juni 2015

Light Blue Cocktail: Viva La Diva!


Europa - Unsere Leser haben wieder einmal abgestimmt und etwas früher als sonst kommt heute der nächste Eurovisionscocktail für die tristen Sommertage, die nicht so wirklich günstig in meinen einwöchigen Ostseeurlaub fallen. Von den 58 abgegebenen Stimmen fielen 25 auf das Thema "Viva la Diva", die größten und theatralischsten Damen in der Eurovisionshistorie bekommen heute ihren Platz in diesem Posting, wer stirbt den Bühnentod, wer hat einfach nur die stärkste Stimme und wer schafft es Griechen und Carola Häggkvist innerhalb von fünf Minuten auf's Übelste zu beleidigen?

Das Wort "Diva", so verrät uns ein großes Nachschlagewerk im Internet, stammt vom lateinischen Begriff "divus" was so viel wie göttlich bedeutet. Seit dem 18. Jahrhundert spricht man auch bei begnadeten Bühnendarstellerinnen, ob nun in der Oper oder eben auf der Song Contest-Bühne von einer Diva. Die hochmütige Charaktereigenschaft wurde erst später mit einer Diva assoziiert, der Begriff kann also sowohl als Kompliment als auch missgünstig interpretiert werden.

Céline Dion beispielsweise gilt als große Diva, nach ihrem Sieg beim Eurovision Song Contest 1988 in Dublin legte sie eine beispiellose Weltkarriere hin, hat eine eigene Show in Las Vegas und brachte mit ihrem Soundtrack 1997 die Titanic erneut zum Kentern. Für die einen hat sie eine quietische Stimme, für die anderen ist das großes Kino. Ähnlich, wenn auch eine Spur kleiner, verhält es sich mit Michelle, die 2001 "Wer Liebe lebt" für Deutschland in Kopenhagen sang. Sie hat ebenfalls eine bewegende Stimme und zeigte beherzte aber theatralisch wertvolle Bewegungen während ihrer Darbietung im Parken Stadion.

Die Mutter aller Diven beim Eurovision Song Contest ist aber die 1998 siegreiche Dana International, deren Song sogar den Titel "Diva" trägt und in der es um ihre eigene Lebensgeschichte gehen konnte. Sie trug eine unverkennbare Botschaft in die Welt hinaus, Toleranz und präsentierte sich als große Frau. Die Choreographie unterstrich zugleich die Message ihres Titels, Glitzer und Federn, wie es bei ihr der Fall waren, waren da gar nicht einmal notwendig. Ihr zweiter Versuch im Semi von Düsseldorf 2011 wird aus Höflichkeit lieber verschwiegen...

Auszug aus "Diva":
יש אישה גדולה מהחיים
יש חושים שיש רק לה
יש קסמים ויש ימים קשים
ובמה שהיא כולה שלה

Zu Deutsch:
Da ist eine Frau, die größer ist als das Leben,
da sind Gefühle, die nur sie besitzt,
da ist Magie und da sind harte Tage,
und da ist eine Bühne, die nur ihr gehört.

Alla Pugachova hatte den Höhepunkt und die Glanzjahre ihrer Karriere bei der Teilnahme 1997 bereits hinter sich, in der ehemaligen UdSSR war sie ein gefeierter Star, nicht um den einen oder anderen Skandal verlegen und war sogar mit der ebenso glanzvollen Persönlichkeit Philipp Kirkorow verheiratet. Starallüren oder Exzentrik sah man in der Performance jedoch keine, eher bemitleidenswerte Bewegungen. Beim Eurovision Song Contest blieb ihre "Primadonna" hinter den Erwartungen des russischen Fernsehens zurück. Russland setzte sogar im Folgejahr aus, kehrte erst 2000 wieder zurück.

Große Diven der letzten Jahre beim Eurovision Song Contest:
- 1997 - Platz 20 -  Alla Pugachova - Primadonna 
- 1998 - Platz 01 -  Dana International - Diva 
- 2005 - Platz 04 -  Shiri Maimon - Hasheket shenish'ar 
- 2006 - Platz 09 -  Anna Vissi - Everything 
- 2009 - Platz 02 -  Yohanna - Is it true? 
- 2011 - Platz 17 -  Evelina Sašenko - C'est ma vie 
- 2012 - Platz 01 -  Loreen - Euphoria 
- 2014 - Platz 01 -  Conchita Wurst - Rise like a phoenix

Eher durch ihr schrilles Outfit und die oben angesprochenen Äußerungen gegen die "Ugly fucking old bitch from Sweden" fiel Silvia Night aus Island auf. Ihren Drang zur Selbstdarstellung verkörperte Ágústa Eva Erlendsdóttir in den zwei Eurovisionswochen 2006. Sie bekam Buhrufe und Pfiffe nach ihrer überladenen Performance, "Congratulations" sah das Finale von Athen nicht. Nach der Show stand sie aufirgendeinem Geländer, wollte scheinbar die ganze Welt verprügeln, spuckte herum und beschimpfte jeden, der ihr in die Quere kam. Nach diesem Theater erhielt Silvia mehrere Film- und Theaterarrangements in ihrer Heimat.

Theater braucht es auch beim Eurovision Song Contest, um in Erinnerung zu bleiben, sei es es Kniefall von Anna Vissi im nachgebildeten Amphitheater von Athen während im Hintergrund Blitze zucken oder Feuerschwingen wie bei Conchita Wurst, der ersten männlichen Diva seit Paul Oscar beim Song Contest. Um als Diva beim Song Contest in die Geschichte einzugehen braucht es also entweder eine beeindruckende Stimme, einen dazu sehr getragenen Song oder eine Performance die derer entspricht. Im Idealfall kommt alles in einem zusammen.

In Deutschland wird zudem alljährlich der Deutsche Entertainment-Preis, DIVA, verliehen. Auch hier konnte sich eine Song Contest-Teilnehmerin, nämlich die französische Sängerin Patricia Kaas in der Hall of Fame platzieren. Sie reiht sich damit in eine Gallerie mit Schauspielerin Lauren Bacall, Lady Gaga und... Uschi Glas ein. Auch an die deutschen Vorentscheidungsteilnehmer Rosenstolz wurde der Preis für erfolgreiche Unterhaltungserzeugnisse bereits vergeben. Beim Song Contest landete sie den bisher letzten großen Coup für Frankreich. 

In Australien ging aus ehemaligen Idols-Teilnehmerinnen sogar eine Formation namens Young Divas hervor, die zwischen 2006 und 2009 Bestand hatte und zu der u.a. auch Jessica Mauboy gehörte, die 2014 für den australischen Pausenfüller beim Eurovision Song Contest sorgte. Sie coverten bekannte Songs (wie "Super trouper" von ABBA), "Gloria" von Umberto Tozzi als Uptempo-Nummer oder auch "Woman in love" von Barbra Streisand, einer anbetungswürdigen Diva, insbesondere für Homosexuelle, was uns schlussendlich auch wieder zum Eurovision Song Contest führt.

Der Wettbewerb lebt von seinen Interpreten, was wäre Europas größte Musikshow ohne Damen, die sekundenlang den gleichen Ton halten, sich mit leidenschaftlicher Hingabe für ihren Titel opfern und mit Pathos und Drama singen, als gäbe es kein Morgen mehr? Eine Ballade bietet sich hierfür tendenziell eher an, als eine fröhliche, schnelle Nummer. Dabei ist der Begriff Diva nicht geschlechterspezifisch, Paul Oscar wurde damals mit seinem Song "Minn hinsti dans" als Diva gefeiert, lasziv auf dem Sofa räkelnd, scherzhaft werden auch Künstler wie Tooji aus Norwegen als Diva bezeichnet.

Der Eurovision Song Contest bietet die beste Plattform für Damen und Herren mit entsprechenden Eigenschaften, nirgendwo sonst sieht ein so breites Publikum einen engagierten Interpreten, der gegen Windmaschinen singt oder bei dem die Adern so hervortreten wie beim Norwegen Haldor Lægreid, der 2001 zwar nicht auf den vorderen Rängen landete, aber immerhin Namensgeber für eine eigene Klassifizierungsliste in der Eurovisionswelt geworden ist.



Poll: Wer möchte kann ab sofort für das nächste Cocktailposting abstimmen. Zur Auswahl stelle ich heute die "Schlagerparty", den bouzoukigefüllten "Greek Style", den "Oriental Flavour" und den Ladenhüter der ersten Runde, das "Green Event". Das nächste Cocktailposting folgt dann in der kommenden Woche am Samstag, wie gewohnt um 18 Uhr herum.