Samstag, 22. August 2015

Green Cocktail: Green Event



Zwei Themen standen noch zur Auswahl und in einem Kopf-an-Kopf-Duell (82% zu 18%) setzte sich in der vorletzten Cocktailrunde das "Green Event" durch. Wir bauen heute allerdings nicht auf CO²-Bilanzen, Oden an Greenpeace oder machen auf das Waldsterben in Tschechien aufmerksam, sondern widmen uns einer Farbe, die in all den eurovisionären Jahrgängen ein Schattendasein fristete, nämlich Grün!




Grün ist nicht gleich grün. Es hat viele Varianten, ob es nun um Olivgrün, Grasgrün, Giftgrün oder Jägergrün geht, all diese Farben hatten in der nunmehr 60jährigen Laufbahn beim Eurovision Song Contest kaum einen nennenswerten Erfolg, weder als Outfit des vortragenden Künstlers noch als Background oder in irgendeiner anderen Form.  Nüchtern betrachtet gab es auch erst einen Interpreten, der mit grüner Robe den Wettbewerb für sich entscheiden konnte, nämlich 1997 die britische Interpretin Katrina mit ihrer Band The Waves. Linda Martin mit ihrem Kleid im blassen Türkis klammern wir jetzt einfach mal aus.

Zu Beginn der Eurovision spielte die Farbe keine große Rolle, es gab nur zwei Programme im deutschen Fernsehen und passend dazu auch nur Schwarz-Weiß-Fernsehen. Als das Farbfernsehen Einzug in europäische Haushalte hielt, wurde bei der Kostümierung auch auf Farbakzente gesetzt, die meisten Sieger trugen klassischerweise weiß, grün war von Anbeginn an eher ein No Go um bei der Eurovision Erfolg zu haben und dies, obwohl der Farbe eigentlich positive Eigenschaften zugesprochen werden und ja selbst der Aufenthaltsraum der Künstler, der Green Room, seinen Namen eben durch diese Eigenschaften erhielt.


Früher waren die Backstagebereiche grün, sie sollten auf die nervösen Künstler beruhigend und fröhlich wirken, ähnlich wie eine grüne Ampel zum Voranschreiten animiert, sollte grüne Farbe für Courage und Engagement stehen. Und so kam es, dass zunächst das deutsche Fernsehen sich der grünen Farbe annahm und der damalige Unterhaltungschef des Hessischen Rundfunks den Künstlern beim Grand Prix Eurovision den Tipp gab, doch bitte Grün zu tragen. Ironischerweise hieß dieser Mann Hans-Otto Grünefeldt... 1946 startete dieser bei Radio Frankfurt seine Laufbahn, ab 1957 war er Leiter der Abteilung Spiel und Unterhaltung beim HR.

Bis zu seiner Pensionierung 1981 blieb Grünefeldt beim Fernsehen, war sogar Mitglied und Vorsitzender der Vorentscheidungsjurys. Und so kam es, dass 1974, im Jahr von Olivia Newton-John und ABBA das Duo Cindy & Bert zum Song Contest nach Brighton fuhr. Die "Sommermelodie" belegte mit drei mageren Pünktchen den letzten, wenn auch geteilten letzten Platz. Ihre Mitstreiterin Piera Martell aus der Schweiz trug in diesem Jahr ebenfalls grün. Im Folgejahr schickte man Joy Fleming zum Song Contest. Als "grüne Rakete" wie sie sich selbst später betitelte, ließ sie es in Stockholm ordentlich krachen, nur schaffte es auch ihr Auftritt nur auf Rang 17.

Weitere grüne Auftritte bis ins Jahr 1990:

- 1969 - Irland - Muriel Day & The Lindsays - The wages of love 
- 1969 - Portugal - Simone de Oliviera - Desfolhada Portuguesa 
- 1972 - Niederlande - Sandra & Andres - Als het om de liefde gaat 
- 1972 - Irland - Sandie Jones - Ceol an ghrá 
- 1980 - Marokko - Samira Bensaid - Bitakat hob 
- 1984 - Großbritannien - Belle & The Devotions - Love games 
- 1987 - Spanien - Patricia Kraus - No estás solo 

Alle erdenklichen Farben wurden ausprobiert, schwarz, rot, gelb, seltsame Farbkombinationen ausprobiert, aber grün als dominierende Farbe sah man fast nie. Die Zeiten von Hans-Otto Grünefeldt waren auch längst vorbei, als die Backgroundhintergründe variabel waren. In den 90er Jahren kamen Laserstrahlen auf, der Song Contest 1993 in Millstreet Town auf der "grünen Insel" wurde zu einem Beleuchtungsfeuerwerk, dort wechselten sich schrille Grüntöne in einer schier unendlichen digitalen Welt im Hintergrund ab, die Kostüme zu jener Zeit waren ohnehin entsetzlich, mit Schulterpolstern oder hängengebliebenen Frisuren wie bei der Münchener Freiheit gut zu sehen.

1997 wagte sich ein kleines Fräulein aus Slowenien namens Regina alias Irena Jalšovec, ihren Beitrag in einem grünen Kleid vorzustellen. Das ist weiter nicht verwerflich, in Kombination mit ihren feuerroten Haaren, wirkte das Kleid allerdings sehr unvorteilhaft. Ein ähnliches Schicksal blühte der finnischen Sängerin Pernilla Karlsson 2012 in Baku. Regina allerdings überstand zumindest das vorgeschaltete Semifinale, mit ihrem "Dan najlepših sanj" wurde sie allerdings nur Drittletzte. Den einzigen grünen Erfolg erreichte Katrina Leskanich ein Jahr später. Sie trug zu ihrer grünen Bluse aber immerhin noch eine schwarze Jacke. 

Musikalisch gesehen veränderte sich der Song Contest in den Folgejahren, es wurde poppiger, die Sprachregel fiel, die grüne Farbe blieb jedoch aus. Nach Regina probierte sich noch eine weitere slowenische Sängerin mit einem giftgrünen Rock, Rebeka Dremelj in Belgrad 2008. Auch sie wurde Opfer einer schlechten Kostümberatung, zu diesem Rock ein violettes Top anzuziehen ist fast schon Barbara-Dex-Award-würdig. Wäre Gisela in diesem Jahr für Andorra nicht angetreten, wäre der Titel an Slowenien gegangen. Ihr "Vrag naj vzame" schied ebenfalls im Semifinale aus, nicht zuletzt ob der fiesen Performance.

Es dauerte wieder ein paar Jahre, bis Georgien auf wieder auf Grün setzte. 2011 in Düsseldorf trat für das Kaukasusland die Band Eldrine mit Leadsängerin Sopho Toroshelidse an. Diese trug ein schwarzes Kleid, das später auch oben genannten Barbara-Dex-Award kassierte. Spiralförmig angeordnete Würmer ringelten sich über ihr Dress, es hatte nichts mit dem Lied zu tun, der Song wurde am Ende Neunter, das Kleid aber blieb in schlimmer Erinnerung. Ähnlich wie der letztjährige georgische Beitrag von The Shin Mariko Ebralidse, die nicht nur mit ihren sphärischem Gedudel sondern auch mit ihrem Joy-Fleming-Gedächtniskleid zu den Verlierern des Abends gehörte.

Der einzige Beitrag in der Eurovisionsgeschichte, der komplett auf die Farbe grün ausgerichtet war stammte aus der Slowakei. Kristína Pelákóvá sang 2010 das fantastische "Horehronie", in dem es um die slowakischen Wälder der Hohen Tatra ging. Sie war als grüne Waldelfe gekleidet, ihre vier agilen Tänzer als Bäume, es passte endlich einmal alles und dann... ja, dann kam es zur Abstimmung und die beste musikalische Perle, die jemals aus der Slowakischen Republik kam, wurde im Semifinale zerrissen. Mittlerweile nimmt die Slowakei aus Erfolglosigkeit nicht mehr am Wettbewerb teil. Die Bühnendesigner und die Schneider der Delegationen vermeiden unterdessen weiterhin grün in ihr Textil einzubauen...

Das letzte was beim Eurovision Song Contest bisher grün war, abgesehen von einem Kleid von Jana Pelkonen, die 2007 gemeinsam mit Mikko Leppilampi aus Helsinki moderierte, war die Tatsache, dass der ORF den Eurovision Song Contest in Wien als klimaneutrales Green Event auszeichnen ließ und auf viele ökologisch belastende Mittel verzichtete, die in der Vergangenheit nicht anders realisierbar waren. In dieser Hinsicht war der österreichische Sender Vorreiter für zukünftige Events dieser Größenordnung.



Poll: Da nunmehr nur noch ein Motto zur Auswahl steht, entfällt der obligatorische Poll-Part natürlich in dieser Woche. Vielen Dank an alle, die in den vergangenen zehn Wochen abgestimmt haben und die Reihenfolge der Postings festgelegt haben. Im kommenden Sommerloch werden wir wieder neue Themen zur Auswahl stellen.