Sonntag, 16. Oktober 2016

Eurovision am Sonntag (49)



Europa - In zehn Wochen ist Weihnachten und ich finde es wird langsam auch Zeit. Die Weihnachtszeit bzw. die Wochen darauf bringen endlich frischen Wind in die Eurovisionsnachrichten. Momentan zieht sich die Nachrichtenspalte immer noch wie Kaugummi. Sämtliche Nationen bereiten sich mental auf die bevorstehenden Vorentscheide und Nominierungen vor, nur nach außen dringt relativ wenig davon.

Klar, man hat die Möglichkeit die armenischen Castings zu verfolgen, aber bis es dort um die Wurst geht, fließt noch viel Wasser den Rhein hinunter. Und auch die online produzierten Gerüchte um die "sensationellen Enthüllungen" aus San Marino sind nichts weiter als heiße Luft. Nach dem Song Contest in Stockholm geriet Europa sehr schnell in die PED und ich finde, großartig herausbewegt haben sich die europäischen Fernsehsender seither nicht.

Nicht sehr mitteilungs-
bedürftig bisher: Moldawien
Das moldawische Fernsehen TRM zum Beispiel scheint noch tief und fest zu schlafen, während alle übrigen Nationen zumindest mal zaghaft ihre Pläne vorgestellt haben oder zumindest bekräftigt haben, in der Ukraine dabei zu sein, nur aus dem direkten Nachbarland gibt es nichts zu vermelden. Aus Chisinau oder Kischinew, so der veraltete Name der moldawischen Hauptstadt, gibt es keine Regung. Eine Überraschung in Form einer Absage dürfte uns aber wahrscheinlich trotzdem erspart bleiben.

Vor einem Jahr startete sogar ein Ukrainer für Moldawien beim Eurovision Song Contest, wenngleich Eduard Romanyuta nicht ins Finale einzog und die Juroren angeblich bestochen haben soll. Man ist gewohnt, dass Moldawien als eines der letzten Länder zusagt, allmählich könnte man mit der Zusage aber auch herausrücken. Bislang hat TRM immer einen Weg gefunden, seine Teilnahme zu finanzieren, teilweise mussten dafür sogar die Interpreten in Vorkasse gehen, man war aber immer dabei, trotz fehlender politischer Stabilität, Separatismus in Transnistrien, ein Embargo gegen moldawischen Wein in Russland etc.

Zeit wird es, dass die Europäische Rundfunkunion ihre Teilnehmerliste präsentiert, die Deadline um sich ohne Kosten von ihr streichen zu lassen, ist mittlerweile um, 40 Nationen sind derzeit fix, wie es mit San Marino, Australien, der Slowakei oder gar der Türkei aussieht, ist de facto nirgends ersichtlich. Und bevor die Spekulationen Überhand nehmen und immer neuere Meldungen erdacht werden, sollte man ein paar Neuigkeiten in Richtung Eurovisionsfans werfen, damit es neuen Stoff zum Diskutieren gibt.

Schon die Moderatoren lassen
erahnen, dass man Innovation in
Portugal vergeblich sucht
Greift man sich eine handvoll Nationen heraus, dann erstaunt es doch, warum es keinerlei Neuigkeiten gibt. Portugal zum Beispiel, kehrt nach einjähriger Kreativpause zum Wettbewerb zurück, seit der Bestätigung des Comebacks, noch vor dem Song Contest in Stockholm, gibt es keine Informationen aus Lissabon, außer, dass das Festival da Canção Änderungen unterzogen wird. Beim portugiesischen Talent kommen am Ende aber ohnehin wieder zehn bis zwölf Jammerlieder oder Fado-Varianten dabei heraus. 

Es gibt Nationen, denen traut man nicht mehr viel zu, ähnlich wie Lettland noch vor ein paar Jahren. Netter Pop, der nichts reißt, bis es Menschen gibt, die dem Vorentscheid eine Frischekur gönnen. Mit der "Supernova" hat Lettland den Vorentscheid nicht neu erfunden, aber zumindest kreative Köpfe angelockt und einen neuen Stil eingeführt. So etwas müsste auch in Portugal passieren oder gar einmal in Skandinavien über die ich ja schon vor zwei Wochen sprechen wollte...

Finnland bedient sich seit Jahren am gleichen Modell und auch die Auswahl der Beiträge ist eher verhalten für meinen Geschmack. Seitdem ich an dieser Seite herumschreibe, hat mich noch kein einziges Mal ein finnischer Vorentscheid so sehr gepackt, dass ich ihn mir in Gänze angeschaut habe. Dabei heraus kommen dann Band wie Softengine oder in diesem Jahr Sandhja, Stangenware, die nett gemeint sind, aber weder ins Ohr gehen, noch bei der Eurovision oder kommerziell erfolgreich sind. Für Norwegen gilt inzwischen fast das Gleiche, nur dass man dort auf wochenlange Vorrunden verzichtet.

Mit Kuscheljungs reißt man
in Europa heuer nix mehr...
Beide Länder lieben den Song Contest, aber trotzdem kommen die Sieger beliebig oder unterkühlt daher, Agnete aus Norwegen hat in diesem Jahr mit ihrem Two-in-one-Song den Vogel abgeschossen. Wo sind die Rybaks und Lordis der Vergangenheit geblieben? Und genauso kann ich auch über Dänemark schimpfen. Ich habe unseren nördlichen Nachbarn immer als staatlich souveräne Mittelmäßigkeit beschimpft, insbesondere beim Melodi Grand Prix kann man dies auch in Echtzeit miterleben.

Emmelie de Forest einmal ausgeklammert, nominieren die Dänen seit Jahren den gleichen Einheitsbrei, mal haben die Bandmitglieder mehr mal weniger Pickel, singen sie doch trotzdem einen ähnlich klingenden Titel. Dabei ist Dänemark statistisch gesehen das glücklichste Land der Welt, steht im Stimmungsindex ganz weit oben und auch sonst läuft dort alles rund, warum kann man dann diese Freude nicht auch beim nationalen Vorentscheid zeigen? Nun wurden in Dänemark Veränderungen angekündigt, man darf gespannt sein, ob dieses zusammengesuchte Komitee aus Fans, Experten und DR-Angestellten eine abwechslungsreiche Mischung findet.

Erfolgreiche Neuausrichtung:
Polen saust im Tableu nach vorne
Man erwartet auch keine Revolutionen in Bezug auf den Eurovision Song Contest, der Aufschrei ist (auch bei mir) regelmäßig groß, wenn es zu Regeländerungen kommt, aber auf nationaler Ebene würde ein bisschen Feinjustierung nicht schaden. Schweden hat sein Melodifestivalen und würde sich selbst das Genick brechen, wenn man sein Vorzeigemodell aufgibt, aber gerade in kleineren Ländern wie Dänemark, Litauen oder Portugal würde es garantiert nicht zum Nachteil sein, wenn man sich mal wieder etwas traut.

Selbst beim NDR scheint man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt zu haben. Erst wurde das Juryvotum abgeschafft, dann das Clubkonzert und schließlich greift man auf ein Format zurück, mit dem man 2010 schon gut gefahren ist. Und so freue ich mich bereits auf die hoffentlich qualitativ abwechslungsreichen und "guten" Beiträge der fünft Nonames im Februar, die für Deutschland antreten wollen. Eine gute Vorarbeit kann viel bewirken, nur darf man es eben auch nicht verpennen, mit den Vorbereitungen anzufangen und in diesem Sinne liebe Grüße nach Kischinew...