Liechtenstein - Am Donnerstagabend ging ein Stückchen Mediengeschichte zu Ende. Im kleinen Fürstentum Liechtenstein wurde der Sendebetrieb von Radio Liechtenstein, dem einzigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramm im Land eingestellt. Vorangegangen war eine Volksabstimmung, die von der Kleinpartei Demokraten pro Liechtenstein initiiert wurde, die sich daran störte, dass der Sender einen Großteil der öffentlichen Medienförderungsgelder erhielt. Mit 55,4% wurde dieser Entscheid angenommen. Eine Privatisierung wurde angekündigt.
![]() |
Das letzte Logo von Radio Liechtenstein |
Am selben Tag noch versuchte die DpL mit einem Nachtragskredit einen temporären Sendebetrieb aufrecht zu erhalten, doch dies kam zu spät und hätte laut der Regierungsparteien Vaterländische Union und Fortschrittliche Bürgerpartei für Verunsicherung gesorgt. Somit endete der seit 1995 betriebene Rundfunkbetrieb im Fürstentum abrupt und unehrenhaft. Auf der Website des Senders laufen seither in Endlosschleife vereinzelte Songs mit Abschiedsworten der Moderatoren und Journalisten, die für Radio Liechtenstein tätig waren.
![]() |
Hans-Adam II. muss seine Reden nun über andere Kanäle verbreiten |
Liechtenstein ist dabei ein aktuelles Beispiel von verunglücktem Aktionismus, zu Lasten eines unabhängigen und öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der mittlerweile viele europäische Länder betrifft. Seit Jahren berichten wir über den Zwiespalt in dem sich der bosnische Rundfunk BHRT befindet, wo sich die Föderation Bosnien und Herzegowina und die Republika Srpska nicht auf eine Grundlage zum Gebühreneinzug verständigen können oder auch die Kürzung von Geldern in diversen anderen Ländern. Während es in Bosnien-Herzegowina zumindest regional noch einen ÖR gibt, ist die Geschichte in Liechtenstein mittelfristig beendet.
Glücklicherweise zählt der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland zu den weltweit größten nicht-kommerziellen Rundfunkprogrammen, wenngleich auch hier immer wieder der Rotstift angesetzt wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der Bundesrepublik nach dem Vorbild der britischen BBC mit dem Aufbau des Nordwestdeutschen Rundfunks begonnen. Am 9. Juni 1950 wurde die ARD aus dem NWDR sowie den anderen Landesrundfunkanstalten des BR, HR, SDR, SWF und Radio Bremen gegründet, assoziiertes Mitglied war RIAS Berlin, der Hörfunk im Amerikanischen Sektor der Stadt Berlin. Letzterer spielte in der deutschen Geschichte eine bedeutende Rolle, richtete sich sein Programm nicht zuletzt auch an die Bevölkerung in der DDR, die dereinst in Formaten wie dem Hans Rosenthal-Quiz "Allein gegen alle" immer wieder als Mitteldeutschland betitelt wurde.
![]() |
Ein Berliner Original mit enormen Verdiensten im Rundfunk: Hans Rosenthal |
![]() |
Eigenmotto: "Eine freie Stimme der freien Welt" RIAS Berlin |
Die ARD gliedert sich heute in neun Landesrundfunkanstalten, nach der Wiedervereinigung kamen u.a. der MDR und der ORB, der in Fusion mit dem Sender Freies Berlin zum RBB wurde, hinzu. Die ARD und das 1963 gegründete ZDF, das zunächst von einem Bauernhofsgelände bei Eschborn sendete, ehe es zum Mainzer Lerchenberg umsiedelte, sind heute Vollmitglieder der Europäischen Rundfunkunion. Ihnen obliegt der Grundversorgungsauftrag, seit jeher gibt es Kritik und Diskussionen über eine ebensolche Notwendigkeit. Es wurde viel geklagt, geurteilt und philosophiert, am Ende gab es Reformpläne, die jedoch nicht in dem Maße zur Debatte stehen wie in Liechtenstein.
Dort hatte man das Schicksal des Liechtensteiner Rundfunks, zu dem auch Radio Liechtenstein zählt, per Volksentscheid zum Schafott geführt, ohne die Folgen für die lokale Bevölkerung abzuschätzen. Man könnte nun natürlich sagen, dass bedingt durch die Größe des Landes der Wegfall einer kleinen Radiostation keinen sonderlich großen Stellenwert einnimmt, für die Kultur eines Landes, egal wie klein es ist, hat eine solche Rundfunkanstalt jedoch eine enorme Relevanz. Gerade dort, wo auch private Unternehmen nicht in diese Nische einfallen und über Sport, Veranstaltungen und Kultur berichten, fehlt ein solches Medium umso mehr.
![]() |
Dieser Traum ist erst einmal ausgeträumt: Liechtenstein beim ESC |
Seitdem ich Eurofire betreibe und vor 17 Jahren die Meldung bei ESCtoday.com gelesen habe, dass 1FLTV auf Sendung geht, habe ich die Entwicklung des Rundfunks in dem kleinen Fürstentum verfolgt und hatte stets die Hoffnung, dass es eines schönen Tages möglich wäre, das verpatzte Debüt von 1976 in eine tatsächliche Teilnahme am Eurovision Song Contest umzuwandeln. Seit letzter Woche ist nun aber mehr als offensichtlich, dass es nicht nur einen neuen Rundfunk sondern nunmehr auch noch Gesetzesänderungen und weitreichende Reformen in der Medienpolitik des Landes braucht, ehe es irgendwann einmal "Vaduz calling" heißt. Diese Chance wurde am 3. April um 18 Uhr vorerst beerdigt.